Getrennte Zwillinge – welcher E-SUV ist besser?
Die Optik täuscht, denn Ford Explorer und Skoda Enyaq nutzen beide die identische Architektur für E-Fahrzeuge aus dem Volkswagen-Konzern. Aber welcher der kantigen SUV ist die bessere Wahl?
Rund 2.775 Einzelteile – die Antriebsbatterie des Ford Explorer ist ein komplexes Aggregat. Und sie wird seit Juni im Kölner Werk auf einer neuen Fertigungslinie zusammengebaut, bisher musste sie zugeliefert werden – ein wenig Aufbruchsstimmung für die Mitarbeiter der traditionsreichen Fabrik, die in den vergangenen Monaten mit Personalabbau und unsicherer Zukunftsperspektive konfrontiert waren. Zuletzt war bei Ford wenig Fiesta angesagt, und das lag nicht nur am Aus des Kleinwagen-Klassikers.
Jetzt laufen am Rhein Stromer auf VW-Basis vom Band, neben dem Capri verwendet auch der Explorer den Modularen Elektrobaukasten (MEB) als technischen Unterbau. Bestimmt nicht die schlechteste Wahl, dominieren die MEB-Baureihen des Wolfsburger Konzerns doch die E-Auto-Zulassungen souverän. Einer dieser Bestseller ist der Skoda Enyaq , der seit 2021 im Handel ist, Anfang des Jahres ein Facelift erhielt (zu erkennen an der neuen Front im Elroq-Stil) und hier ins Duell mit dem Ford geht.
Spätestens beim Blick auf die Datenblätter wird klar, wie eng die beiden Plattformgeschwister miteinander verwandt sind: Von der 210 kW respektive 286 PS starken E-Maschine im Heck über den NMC-Akku mit 77 kWh nutzbarer Kapazität und 135 kW Peakleistung am DC-Schnelllader bis zur abgeregelten Vmax von 180 km/h – die Baukastentechnik ist unverkennbar. Und selbst der Preis ist gleich: Beide Stromer starten in dieser Konfiguration, also Heckantrieb plus große Batterie, bei nicht günstigen, aber akzeptablen 48.900 Euro. Was machen Ford und Skoda aus dieser mehr oder weniger identischen Ausgangsbasis? Und: Kann der Explorer zum Stimmungsaufheller für Ford werden? Getreu dem spontan kreierten Motto: "Nach dem Fiesta ist vor der Fiesta."
Ford: Ami-Look meets MEB
Von außen ist dem Kölner seine VW-Verwandtschaft nicht anzusehen, er übersetzt die stämmige Optik des großen US-Originals (bis 2023 auch bei uns als Plug-in-Hybrid erhältlich) in ein kleineres, an den hiesigen Markt angepasstes Format. Mit einer Außenlänge von 4,47 Metern besitzt er geradezu das Idealmaß für einen Kompakt-SUV, ist deutlich kürzer als der 4,66 Meter messende Skoda Enyaq 85. Dank des üppigen 2,77-Meter-Einheitsradstands der MEB-SUV bietet der Explorer seinen Passagieren ein ansehnliches Platzangebot in Reihe eins und zwei, ohne aber an die fast schon verschwenderische Raumfülle des Skoda heranzureichen. Besonders im Kofferraum machen sich die etwas kompakteren Ausmaße des Ford bemerkbar. 465 Liter bei aufgestellten Rückenlehnen der Fondbank sind für Paare und kleine Familien okay, mehr aber auch nicht. Zum Vergleich: Der Skoda verstaut mindestens 585 Liter. Neben der nur durchschnittlichen Größe des Ford-Ladeabteils stört vor allem dessen Einfallslosigkeit. Bis auf ein paar lieblos platzierte Taschenhaken und Verzurrösen herrscht im Heck karge Leere.
Dieser Eindruck wird nicht wesentlich besser, wenn man hinter dem Lenkrad Platz nimmt. Die Kunststoffe im Cockpit sind von preisgünstiger Güte, meist hart oder nur wenig unterschäumt, und die Verarbeitung wirkt etwa bei der leicht wackeligen Fahrertürverkleidung nicht über jeden Zweifel erhaben. Top hingegen: die bequemen Ergonomiesitze mit elektrischer Verstellung und Massagefunktion, für die Ford in der höchsten Ausstattungslinie Premium faire 400 Euro Aufpreis verlangt.
Logische Bedienung im Ford Explorer
Innen wird die Nähe zu VW deutlich: Türöffner, Fensterheber vorne links mit unpraktischer Umschaltfunktion für hinten, kleines Fahrerdisplay und der Gangwahlhebel neben dem Lenkrad – alles bekannt aus aktuellen ID.-Modellen. Auf den ersten Blick erinnert das Infotainment im Hochformat an jenes des Mustang Mach-E, des großen Elektro-SUV aus den USA. Auf den zweiten wird dann aber schnell klar, dass unter der Ford-typischen Benutzeroberfläche mit vielen bunten Symbolen VW-Software steckt. Die Bedienung ist weitestgehend logisch, das System ausreichend schnell und die Sprachsteuerung sehr ordentlich. Einziger Wermutstropfen: Durch die hohe, aber schmale Displayform wird zum Beispiel das Bild der Rückfahrkamera vergleichsweise klein dargestellt.
Der Explorer gibt sich auf der Straße angenehm flott, gemessene 6,3 Sekunden auf 100 km/h bestätigen diesen Eindruck. Insgesamt fährt sich der Ford Explorer im Vergleich leichtfüßiger und handlicher, aber auch nervöser als der satt und souverän auf dem Asphalt liegende Enyaq. Gründe für die Unruhe: zum einen das straffe, bei derben Erschütterungen zum Poltern neigende Fahrwerk, zum anderen die direkte, aber (zu) leichtgängige und rückmeldungsarme Lenkung, die häufiger Kurskorrekturen erfordert. Auffällig bis kritisch bei beiden E-SUV: ein Heck, das sich erstaunlich leicht zum Ausbrechen provozieren lässt, und ein vergleichsweise spät eingreifendes ESP.
Bei der Effizienz kann der Ford richtig glänzen. Im Test reichen ihm 19,8 kWh Strom für 100 km, auf der Eco-Runde sogar nur 16,4 kWh – starke Werte für einen immerhin zwei Tonnen schweren SUV mit reichlich Power. Aus dem niedrigen Verbrauch resultieren 424 km Testreichweite – absolut alltags- und langstreckentauglich. Gut gestromert, Ford!
Skoda: viel Platz und Reife
Der Skoda Enyaq geht nicht ganz so sorgsam mit seiner gespeicherten Energie um – vermutlich eine Folge des höheren Gewichts. Er genehmigt sich immer noch respektable 20,5 kWh auf unserer Testrunde, schafft gute 404 km Aktionsradius. Im Vergleich zum Explorer wirkt der Enyaq feiner und reifer: Die Materialien im Innenraum sind eine Spur hochwertiger, die Verarbeitung wirkt solider, und die Dämmung zeigt sich wirksamer.
Auch das Zusammenspiel von Adaptivfahrwerk (optional im Paket) und Progressivlenkung (Serie in der Sportline) ist den Entwicklern sehr gelungen. Der Skoda bietet einen hohen Federungskomfort und lässt sich präzise, mit schöner Rückmeldung dirigieren. Der Aufbau bleibt auch auf schlechten Straßen erfreulich ruhig. So fährt sich der Tscheche insgesamt harmonischer und gelassener als der etwas hektische Ford, für den weder eine adaptive Dämpfung noch die aufwendige Lenkung mit unterschiedlicher Verzahnung, die sein Rivale besitzt, im Angebot steht – auch nicht optional.
Bremse im Skoda Enyaq noch nicht perfekt
Zu dieser Harmonie will die Bremse des Enyaq aber nicht passen. Dafür sind nicht nur die mäßigen Bremswerte von über 37 Metern kalt wie warm verantwortlich, sondern auch das mangelnde Gefühl am Pedal. Bei sanfter Betätigung desselben passiert zunächst wenig, man tritt gewissermaßen ins Leere; erst ab etwa der Hälfte des Pedalwegs verzögert der Stromer deutlich. Die richtige Dosierung fällt dem Fahrer dementsprechend schwer.
Sonst gibt es am Skoda nicht viel zu kritisieren – mit einer Ausnahme: Im Innenraum ist der Enyaq zwar ein echter Raumriese, und die bis zu 1.710 Liter Ladevolumen sprechen eine klare Sprache, doch die nur 490 kg Zuladung beschränken den hohen Nutzwert schon ein wenig. Im Ford Explorer Extended Range RWD dürfen 614 kg zugeladen werden. Punkten kann der Tscheche wiederum mit der guten Übersichtlichkeit trotz größerer Ausmaße und mit einer Bedienung, die der des Kölners klar überlegen ist. Wo Letzterer am Lenkrad auf fummelige Touchtasten setzt, verfügt der Skoda über haptische Knöpfe und praktische Drehwalzen. Mit den Schaltwippen kann der Enyaq-Besitzer die Intensität der Rekuperation einfach einstellen – ein weiteres Feature, das für den Ford nicht zu haben ist. Bei ihm gibt es lediglich einen B-Modus mit festgelegter Rekuperationsstärke. One-Pedal-Driving mit Verzögerung bis zum Stillstand kann keiner der beiden.
Zurück zur Bedienung: Das Infotainment des Skoda ist angenehm weit oben im direkten Sichtfeld des Fahrers platziert und lässt sich intuitiv handhaben. Nur die Touchfelder auf dem Homescreen dürften gerne etwas größer ausfallen; der Explorer macht vor, wie es besser geht. Die Symbolleiste am oberen Displayrand lässt sich mit einem Icon zur schnellen Deaktivierung des akustischen Tempolimitwarners belegen – vorbildlich, Skoda! Die übrigen Fahrassistenten wie Spurhalter und Abstandstempomat funktionieren, wie auch beim Ford, sehr ordentlich.
Ladegeschwindigkeit bei Skoda und Ford ok
Für die Langstrecke ist der Enyaq gut gerüstet, eine integrierte Ladeplanung – eine von der schlaueren Sorte – und die automatische Vorkonditionierung des Akkus für möglichst kurze Stopps am DC-Lader sind mit an Bord. Der Plattformbruder steht dem Skoda hier in nichts nach. In gut einer halben Stunde sind beide Stromer von zehn auf 80 Prozent geladen. Das ist nicht rekordverdächtig, aber okay für die meisten Fahrprofile.
Am Ende macht der Skoda mehr aus der MEB-Technik; Komfort, Platz und Qualität sprechen für ihn. Der Explorer punktet mit seiner Effizienz, wirkt insgesamt aber einfacher gemacht – ohne dass es sich auf den Basispreis positiv auswirken würde. Dank attraktiver Leasingraten und Rabatte ist der solide Ford dennoch eine gute Wahl. Für die große Fiesta ist es aber noch ein wenig zu früh.