Hyundai Genesis 3.8 V6 GDI im Fahrbericht
Mit der Genesis Sportlimousine meldet sich Hyundai zurück in der gehobenen Mittelklasse. Zumindest ein bisschen. Denn: Setup und Design sind speziell. Und trotz Luxus-Ausstattung vermeiden die Koreaner den Begriff „Premium“ wie der Teufel das Weihwasser. Warum? Das klärt der Fahrbericht von auto-motor-und-sport.de.
Ja doch, an das putzige Flügel-Emblem über XXL-Kühler muss man sich als Europäer wirklich gewöhnen. Dreist bei Aston Martin kopiert? Eher nicht. Denn zumindest international fahren diverse Genesis-Generationen mit Flügel-Schmuck durch die Gegend. Das kann einem gefallen, muss aber nicht. Auffällig bleibt: Dieser Hyundai will sich nicht verstecken. Wozu auch. Denn das Angebot ist bestechend. 65.000 Euro verlangen die Koreaner für die Sportlimousine, die sie formal in die erweiterte obere Mittelklasse einsortieren. Viel Geld. Und doch auch wieder nicht. Denn: Aufpreispflichtige Extras gibt es nicht. Allrad-Antrieb, Achtgang-Automatik, V6-Benziner, Lederausstattung, Sonnendach, Radar-Abstands-Tempomat, Notbrems-Assistent, Surround-Sound, klimatisierte Sitze vorn und hinten, elektrische Dämpfer. Der Genesis ist ein Rundum-Sorglos-Paket. Wunschfarbe auswählen, bestellen, bezahlen. Fertig. Alles drin, alles dran, alles super?
Hyundai Genesis mit Komplettausstattung
Fast. Schwächen leistet sich der große Hyundai nämlich erstmal nicht. Beispiel Einstieg. Es reicht, die Türen sanft anzulehnen. Den Rest besorgt ein Elektromotor. Das gibt’s bei der Konkurrenz nur in der Oberklasse. Vor derlei Vergleichen müssen sich auch die verbauten Materialien im Cockpit nicht scheuen. Leder, Alcantara, Echtholz. Das wirkt schon extrem hochwertig. Kleine Patzer findet nur, wer gezielt danach sucht. An den Kleiderhaken im Fond zum Beispiel. Geschenkt. Dafür gibt’s das volle Luxus- und Entertainment-Programm. Die mehr als überzeugenden Ledersitze sind natürlich elektrisch einstellbar, belüftet und beheizt. Vorne UND hinten. Kennt man alles. Aber eben nicht unbedingt aus der gehobenen Mittelklasse. Multimediasystem-, Navi und Bordsysteme sind im zentralen Display über der Mittelkonsole zusammengefasst. Die Bedienung erfolgt optional per zentralem Dreh-Drück-Knubbel, Touchscreen oder über klassische Tasten auf der Mittelkonsole. Abgesehen vom zentralen Bedienelement, das sich so als MMI fast 1:1 in den meisten Audis findet, ein ergonomisch extrem gelungenes Gesamtkonzept. Ein zweites großes Farbdisplay zwischen Drehzahlmesser und Tacho komplettiert den souveränen Cockpit-Aufbau.
Fahrwerk ist sportlicher Gangart nicht gewachsen
Ab auf die Piste. Fühlt sich ein bisschen an, wie ein Business-Class-Flug. Sind die Türen zu, hat die Umwelt Sendepause. Lediglich der 3,8 Liter große Sechszylinder macht hin und wieder dezent auf sich aufmerksam. Das ist keine große Überraschung, immerhin führt der V6 noch ein zweites Leben als Herz des ungleich dynamischeren Genesis Coupé – dort allerdings mit 347 PS. In der Sportlimousine müssen 315 PS reichen. Grundsätzlich kein Problem. Wenn man sich mit entspanntem Kilometerfressen auf der Autobahn zufrieden gibt. Abseits breiter Asphaltbänder zeigt der große Koreaner Schwächen. Zwar wurde das Fahrwerk an europäische Anforderungen angepasst, auf verwinkelten Landstraßen zeigt sich schnell, dass der Genesis eigentlich auf amerikanischen Highways zu Hause ist. Radikal untersteuernd quält sich die Fuhre durch die Kurven. Da hilft dann auch der Allradantrieb nichts mehr. Was an Fahrdynamik übrig ist, versumpft in der Achtgang-Automatik. Kurz: Sportlich ist an der Sportlimousine lediglich der Knopf der Fahrdynamik-Einstellung.
Schlimm? Auf keinen Fall. Aber der Grund dafür, dass man bei Hyundai den Begriff Premium nicht in den Mund nimmt. Trotz der extrem luxuriösen Ausstattung. Premium, da sind sich die Koreaner sicher, dazu gehört eben nicht nur eine Top-Ausstattung, eine Top-Verarbeitung und jede Menge Hightech, sondern eben auch ein überdurchschnittliches Fahrverhalten. Von einer entsprechenden Vielfalt an Motoren und Ausstattungen ganz zu schweigen. Da kann der Genesis mit keinem seiner europäischen Konkurrenten mithalten. Entsprechend zurückhaltend fallen die Verkaufserwartungen aus. Niedrige dreistellige Verkaufszahlen erhofft man sich im ersten Verkaufsjahr. Das könnte klappen.
Fazit
Mut zum Exot! Die Genesis Sportlimousine ist alles, nur nicht sportlich. Aber herrlich liebenswert und eine willkommene Abwechslung im Standard-Segment der oberen Mittelklasse. Wer auf Diesel, Dynamik und Markenimage verzichten kann, findet im Genesis ein unschlagbares Angebot.