Mercedes A 45 AMG im Supertest
Ob es bei AMG Schmerzen bereitet hat, in die Welt banaler
Vierzylinder-Technik hinabzutauchen, ist nicht überliefert. Das
Resultat beweist aber: Wer mit Zwölfzylindern groß geworden ist,
hat auch ein gutes Händchen für kleine Gebinde, wie der Mercedes A
45 AMG beweist.
Habe ich das richtig verstanden? Ich soll aufgrund meiner frühen Geburt nicht mehr zur Zielgruppe des Mercedes A 45 AMG gehören? Okay, der Altersgruppe „zwischen 30 und Mitte 40“, die AMG als vornehmliche Ansprechpartner für ihr neuestes Produkt auserkoren hat, bin ich sichtbar entwachsen. Dafür erfülle ich aber mindestens drei von vier weiteren Kriterien, die das AMG-Marketing gewissermaßen als Voraussetzung für den Kauf des neuen Mercedes A 45 AMG formuliert hat: Erstens: „Beruflich erfolgreich und unabhängig“ – das Finanzamt wird das in meinem Fall hoffentlich bestätigen können.
Mercedes A 45 AMG ab 50.000 Euro
Zweitens: Als jemand auf der Suche nach einem „dynamischen und individuellen“ Fahrzeug würde ich bei Vorlage meiner Vita doch sicher als ernsthafter Anwärter auf einen Mercedes A 45 AMG Anerkennung finden.
Drittens: Einen „style- und trendorientierten Lebensstil“, so wie ihn die AMG-Experten ihrem avisierten Kundenkreis unterstellt, pflege ich laut meiner Kinder zwar nicht. Aber dafür habe ich meinen Lebensmittelpunkt dort, wo AMG die Kernklientel ausgemacht hat: im „urbanen Umfeld“ nämlich. Na also, wo bleibt mein Kaufvertrag? Was die AMG-Leute in ihrer Auflistung geflissentlich unerwähnt lassen: Die finanzielle Ausstattung des in den Fokus gerückten Interessentenkreises sollte buchstäblich nicht von schlechten Eltern sein.
Der neue Mercedes A 45 AMG, mit dem die hundertprozentige Mercedes-Tochter sich erstmals in ihrer über 45-jährigen Unternehmensgeschichte in die „Niederungen“ der Vierzylinder-Antriebe begibt, fängt preislich bei 50.000 Euro an und endet – wie der Supertest beweist – als Vollsortimenter bei über 70.000 Euro. Alle Achtung: Mit dreißig Lenzen wäre ich in dieser Preisliga garantiert nicht unterwegs gewesen – nicht einmal gedanklich …
Ein Vierzylinder, der es in sich hat
Aber gibt es wirklich stichhaltige Gründe, die Altersstruktur der Kundschaft per se so weit einzuengen? Zumal mit dem Stichwort Downsizing nicht zwangsläufig gemeint ist, den Gürtel enger zu schnallen und auf etwas verzichten zu müssen.
Es bedeutet vor allem, aus neuen Erkenntnissen oder anderen Lebensumständen heraus neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen zu sein. Schließlich wird heutzutage sogar in der Formel 1 „ downgesized“. Die Faszination Sportwagen wird entgegen vorherrschender Gefühlslage auch weniger über äußere Größe generiert, als vielmehr über subtilere Begeisterungspotenziale, oft auch solche, die im Detail versteckt sind.
Nehmen wir als Beispiel den neu entwickelten Motor des Mercedes A 45 AMG, der nebenbei bemerkt technisch mit dem viertürigen Kompakt-Coupé CLA 45 AMG und dem just vorgestellten Kompakt-SUV GLA 45 AMG identisch ist: „nur“ ein Vierzylinder, aber einer, der es sprichwörtlich in sich hat.
Laut AMG inspiriert von der Technologie der jüngsten Acht- und Zwölfzylinder-Biturbo-Aggregate vom Typ M 157 und M 279 führt diese intern M 133 genannte Neukonstruktion tatsächlich Großes im Schilde. Bei dem langhubig ausgelegten, von einem Twinscroll-Turbolader unter Druck gesetzten Zweiliter-Vierzylinder handelt es sich um den stärksten Serien-Vierzylindermotor der Welt, und das als Erstlingswerk einer Marke, die bisher mit weniger als sechs Zylindern noch nichts am Hut hatte – und schon gar nicht mit kleinen Motoren der Zweiliter-Hubraum-Klasse.
Mercedes A 45 AMG mit Literleistung von 181 PS
Mit einer Literleistung von 181 PS rangiert der kompakt bauende, vorn im Motorraum quer installierte Vierventiler auf dem Niveau der stärksten Supersportwagen. In Summe sind es stramme 360 PS und ein Drehmoment von bärigen 450 Newtonmetern, die über ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe an die vier angetriebenen Räder des Mercedes A 45 AMG übertragen werden.
Ob hier tatsächlich von einem permanenten Allradantrieb gesprochen werden kann, hängt von der Betrachtungsweise ab, denn bei normaler Geradeausfahrt sind erst einmal nur die Vorderräder angetrieben. Das laut Hersteller „Performance-orientierte“ Antriebskonzept des Mercedes A 45 AMG mit vorn quer eingebautem Antrieb und voll variabel gemanagtem Kraftfluss an alle vier Räder weckt in seiner kompakten Anordnung und seiner effizienzbetonten Bauweise aber zu Recht große Erwartungen.
Doch zunächst einmal zum Motor selbst: Als Mitglied der sogenannten BlueDIRECT-Motorenfamilie verfügt der mit einem maximalen Ladedruck von immerhin 1,8 bar operierende Vierzylinder-Turbo des Mercedes A 45 AMG genau wie seine großen Brüder über eine strahlgeführte Direkteinspritzung mit zentral in den vier Brennräumen platzierten Piezo-Injektoren und 200 bar Einspritzdruck.
Die Kombination aus Mehrfacheinspritzung und Mehrfachfunkenzündung soll die Kraftstoffausnutzung verbessern und den Wirkungsgrad deutlich steigern helfen. Immerhin unterschreitet der Motor schon jetzt die 2017 in Kraft tretende zweite Stufe der Euro-6-Abgasnorm. So weit die Theorie.
Durchschnittsverbrauch des A 45 AMG im Supertest bei 14 Liter
Der Umstand, dass es uns im Supertest auch bei diesem, vor Übermut geradezu schäumenden Typ nicht gelungen ist, den vom Hersteller kühn versprochenen Durchschnittsverbrauch (6,9 Liter Superkraftstoff nach NEFZ-Norm) nachzuvollziehen, kann zwei Ursachen haben: Entweder ist die Norm nichts wert, oder wir sind zu oft und zu lang den motorischen Verlockungen des Triebwerks des Mercedes A 45 AMG erlegen. Das ist jedenfalls zwischen Leerlaufdrehzahl und rotem Drehzahlbereich dazu angetan, jeden Gedanken an Verbrauchsoptimierung und Emissionsreduktion im Keim zu ersticken. Wahrscheinlich sind beide Vermutungen richtig.
Fakt ist, dass der Downsizing-Effekt angesichts der launigen Motorcharakteristik zumindest verbrauchstechnisch nicht so vollumfänglich zur Geltung kommt wie erhofft. Der Durchschnittsverbrauch des Mercedes A 45 AMG liegt im Supertest-Mittel bei 14,0 Liter. Das sind immerhin 1,5 Liter weniger, als der E 63 AMG S 4Matic (Heft 9/2013) reklamierte und sogar rund drei Liter weniger, als das C 63 AMG Coupé (Heft 3/2013) für sich beansprucht hat – letzterer mit dem neuen Biturbo-V8-Motor, das C-Klasse Coupé mit dem 6,2-Liter V8-Saugmotor.
Auch wenn der kompakte, in der „Edition 1“-Ausführung kaum zu übersehende Mercedes A 45 AMG mit seinem Leistungsgewicht von 4,4 Kilogramm pro PS nicht an die entsprechenden Werte der großen Achtzylinder-Brüder heranreicht, so ist fahrdynamisch doch ein ähnlicher Unterhaltungswert geboten – selbstverständlich auch unter Bereitstellung der von AMG gewohnten, anregenden Klangerlebnisse.
Vierzylinder-Sound at its best im Mercedes A 45 AMG
Analog zu den AMG-Achtzylindern gilt auch hier: Vierzylinder-Sound at its best. Je nach Stimmungslage des Fahrers, sprich: Abhängig von Lastzustand und Motordrehzahl, wird eine Klappe im Abgassystem automatisch so gesteuert, dass der Sound situationsabhängig modelliert wird. Von dezent-zurückhaltend bis aufdringlich-laut ist so gut wie jede Tonlage mit dem Mercedes A 45 AMG abrufbar.
Kernige und Gänsehaut erzeugende Zwischengassalven beim Herunterschalten runden den Eindruck von einem in jeder Hinsicht begeisternden Turbomotor ab. Gut, dass der Mercedes A 45 AMG seine sportlichen Gene auch im stressigen Alltag ganz zivilisiert umzusetzen weiß. Die Laufkultur überzeugt: Von divenhaftem Benehmen oder ungehörigem Verhalten nicht die Spur. Mit anderen Worten: Man kann mit dem Mercedes A 45 AMG die Sau rauslassen – muss es aber nicht.
Dem Vernehmen nach ist das viertürige „High Performance-Coupé“ CLA 45 AMG akustisch etwas zurückhaltender unterwegs – ohne dass spürbare Einbußen im Temperament hingenommen werden müssen. Womit wir bei den harten Fakten wären. Der Sprint im Supertest aus dem Stand auf 100 km/h ist in 4,6 Sekunden so schnell, geschmeidig und eindrucksvoll erledigt, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt. Traktion ist dank des intelligenten Allradantriebs nie ein Thema.
Reise im Grenzbereich ohne elektronisches Netz
Den Leistungsabzweig in Richtung der nach hinten führenden Gelenkwelle übernimmt eine im Getriebegehäuse integrierte sogenannte Power Take-off Unit (PTU). Eine mit dem Hinterachs-Differenzial verblockte Lamellenkupplung wird von einer Elektrohydraulik zusammengedrückt, sobald auch nur der geringste Schlupf von einem der Vorderräder gemeldet wird.
Außer, dass es bei keinem noch so ernsthaften oder gefahrvoll erscheinenden Anlass Gelegenheit gibt, den Glauben an ein gesichertes Vorwärtskommen im Mercedes A 45 AMG zu verlieren, merkt man diesem Allradsystem die selektiven Zuweisungsmechanismen nicht im Geringsten an – weder bei rutschigen Straßenverhältnissen, noch im beherzt angegangen Kurvengrenzbereich. Die Sensorik des Dreistufen-Stabilitätsprogramms leistet vorbildliche Arbeit, was sich unterm Strich in nahezu bestmöglicher Regelgüte äußert.
So ist es – na ja fast – egal, ob die schnelle Rundreise um den abgeschlossenen Kurs mit Unterstützung des ESP im dafür vorgesehenen „SPORT Handling Mode“ gefahren wird oder im „ESP off“ -Modus, der die Reise im Grenzbereich ohne elektronisches Netz und doppelten Boden möglich macht.
Der Profi am Volant des Mercedes A 45 AMG wird es sich trotzdem nicht nehmen lassen, dem gedrungen erscheinenden und zugleich bärenstarken Allradler bei entsprechender Gelegenheit auch ohne Redundanzsystem auf den Zahn zu fühlen. Auch das bleibt weitgehend ohne negative Folgen.
Mercedes A 45 AMG schiebt sanft gen Kurvenaußenrand
Bei zügig vorgetragenem Anlauf in Richtung Kurvenscheitelpunkt legt der 1.585 Kilogramm schwere AMG-Neuling eine tendenzielle Untersteuerneigung an den Tag – der Mercedes A 45 AMG schiebt also eher sanft und sicherheitsbetont in Richtung Kurvenaußenrand, als dass er einen Heckschwung wagt. Selbst gegenüber Lastwechseln zeigt er sich, einmal in die Kurve gezwungen, weitgehend unbeeindruckt.
Wer allerdings den Kurveneingang im Mercedes A 45 AMG etwas zackiger als üblich angeht, die anstehende Biegung mit beherztem Anpendler in Angriff nimmt, wird mit einem launigen Heckschwung belohnt, der es erlaubt, den weiteren Kurvenverlauf in sehr konstruktive Bahnen zu leiten. Selbst angesichts solch kühn vorgetragener Tricks zeigt der Kompakt-Sportler eine abgeklärte Coolness: Selbst bei deaktiviertem ESP ist er kaum jemals geneigt, in bösartiger Kontermanier die Fahrzeugbesatzung zu erschrecken.
Ungeachtet der frontlastigen Gewichtsverteilung darf dem Mercedes A 45 AMG damit ein professionell ausbalanciertes Fahrverhalten attestiert werden. Die gewinnbringende, weil vertrauenerweckende Art macht ihn unterm Strich schneller als erwartet. Die Rundenzeiten belegen das in ihrer klaren Sprache wieder einmal sehr eindrucksvoll: Mit 1.14,9 Minuten ist er in Hockenheim im Reigen der Klassenschnellsten ganz vorn mit dabei.
In 8.10 Minuten über die Nordschleife
Im Wissen, dass auf dem Kleinen Kurs die Reifen – in diesem Fall Dunlop SportMaxx RT in der Größe 235/35 ZR 19 – eine maßgeblichere Rolle spielen als auf der raumgreifenden Nordschleife, richten wir gespannt den Blick auf die fahrwerkstechnisch deutlich anspruchsvollere Berg-und-Tal-Bahn, deren Status als perfektes Testumfeld mittlerweile nahezu sämtliche Fahrzeughersteller auf den Plan gerufen hat.
Die Rundenzeiten vom Ring gelten inzwischen weltweit zu Recht als die härteste Währung überhaupt. Aber auch auf der Nordschleife lässt sich bei angestrengtem Bemühen kein negativer Befund feststellen.
Mit einer Rundenzeit von 8.10 Minuten für die 20,6 Kilometer lange Strecke reiht sich der leicht zu handhabende, begeisternd agil zu fahrende und zur Not auch mal grobe Schnitzer verzeihende Mercedes A 45 AMG in die Phalanx derjenigen Ring-Koryphäen ein, die preislich und leistungsmäßig noch nicht die Stufe der Abgehobenheit erreicht haben.
Alle Supertest-Rundenzeiten auf dem Nürburgring haben wir hier für Sie zusammengetragen.