Nissan Qashqai gegen VW Tiguan und Kia Sportage
Der Qashqai ist Nissans Topseller in Deutschland und Zweiter im Segment der Kompakt-SUV – nach dem VW Tiguan. Ein Vergleich mit Tiguan und Kia Sportage zeigt, wie seine Chancen stehen.
Ob sie wohl je einen zu Gesicht bekommen haben? Jenes teppichknüpfende Nomadenvolk nahe dem iranischen Fars, das auf den Namen Kaschgai hört? Vermutlich nicht – denn auch wenn Nissans Qashqai, seit 2007 auf dem Markt, von Beginn an mit Allradantrieb verkauft wurde, ist der SUV wohl eher City-Nomade als knochentrockener Wüstengänger. Mehr als einen auf Tastendruck zuschaltbaren Hinterachsantrieb und 18,2 Zentimeter Bodenfreiheit kann der 4,38 Meter lange Crossover nicht bieten. Zu wenig, um zu den Nomaden am Zagros-Gebirge vorzudringen. Und zu teuer ist Nissans Neuauflage sowieso.
In der Tekna-Topversion und angetrieben von dem altbekannten 1.6 dCi mit 130 PS sind happige 33.450 Euro fällig. Für die ebenso wenig wüstentauglichen Allradler Kia Sportage 2.0 CRDi AWD und VW Tiguan 2.0 TDI 4Motion BMT gilt es mit 28.240 und 32.700 Euro deutlich weniger zu zahlen.
Nissan Qashqai mit vier Kameras
Wer Nissan kennt, weiß aber: Tekna steht für Vollausstattung. So sind beispielsweise nicht nur 19-Zoll-Räder, LED-Scheinwerfer, Klimaautomatik, Panoramadach, eine beheizbare Frontscheibe und Sitzheizung Serie. Auch das clevere Navi Connect samt DAB-Radio, ein Bündel an Assistenzsystemen inklusive Notbremse sowie den umsichtigen Around-View-Monitor gibt es ohne Zuschlag. Insbesondere letzterer ist wirklich gelungen. Mittels vier Kameras filmt der Nissan Qashqai sein Umfeld und gibt die Ansichten detailgetreu auf einem zweigeteilten Bildschirm wieder. Bordsteinnahes Rückwärtseinparken wird so zum Kinderspiel, und die mäßige Rundumsicht wird elektronisch entschärft.
Kritik kassiert dafür die holprige Fahrwerk.abstimmung – trotz ihrer großspurig titulierten aktiven Fahrkomfortregelung. Mittels fein dosierter Bremseinsätze soll der Nissan Qashqai störende Wankbewegungen selbstständig reduzieren – doch in der Realität verliert der Nissan auf Holperstrecken schnell die Ruhe, wippt deutlich nach und muss gezielt auf Spur gehalten werden. Zudem gelangen kurze Stöße kaum gefiltert zu den auf Teilledersesseln recht bequem reisenden Insassen. Sicherlich mit ein Grund: die dünnhäutigen 19-Zöller mit 225/45er-Bereifung. Wichtig für alle knausrigen Vielfahrer und Punktezähler: Da ein neuer Satz der mächtigen Pneus locker über 400 Euro mehr kostet als vergleichbare 17-Zöller, wirken sie sich zudem in der Kostenwertung negativ aus.
Wenig überzeugend auch die elektromechanische Lenkung: Zu indirekt und rückmeldungsarm, trübt sie auf flotten Überlandtouren das Fahrvergnügen des Nissan Qashqais. Wer es dennoch einmal sportlicher angehen lässt, den bestraft ein hart eingreifendes ESP mit massivem Geschwindigkeitsentzug.
Nissan Qashqai überzeugt mit sparsamen Verbrauch
Das wiederum ist doppelt bedauerlich, da es dem Schaltgetriebe an Präzision und dem kernigen 1,6-Liter-Diesel untenrum an Schubkraft fehlt. Auch wenn laut Datenblatt schon ab 1.750 Touren 320 Newtonmeter anstehen, richtig los geht es erst 400/min später. Dann aber, dank eines wirkungsvoll eingreifenden elektronischen Sperrdifferenzials, unter allen Umständen umso vehementer. 100 km/h sind nach immerhin 10,9 Sekunden erreicht. Letztlich ist der 1.590 Kilo schwere Nissan Qashqai so kaum langsamer als der spurtfreudigere Kia (10,3 Sekunden). Der Verbrauch? Bei Werten zwischen 5,4 und 9,4 l/100 km dürfte der Qashqai-Fahrer wohl meist eine Sechs auf seinem wunderbar klar darstellenden TFT-Display erblicken. Sparsamer ist in diesem Vergleich keiner.
Zappt der Fahrer mittels Lenkradwippe weiter durchs BC-Programm, bekommt er im Wechsel bis zu zwölf Infografiken serviert. Darunter auch per Kamera erkannte Verkehrszeichen, Navi-Pfeile oder Warnmeldungen der Assistenzsysteme. Beispielsweise der Bewegungserkennung, die mittels Sensoren und Kameras an Heck und Rückspiegel auf alles achtet, was hinter dem Nissan Qashqai so abgeht, und entsprechend Alarm schlägt.
Warum wir das so hervorheben? Nun – weil der Nissan der Einzige in dieser Klasse ist, der solche Systeme leicht verständlich und bezahlbar anbietet. Ohne Schnickschnack – einfach, klar und deutlich. Ebenso wie die gut ablesbaren Rundinstrumente und das schnell rechnende Navigationssystem. Klasse auch: Neben großen Ablagen in allen vier Türen offeriert der Japaner ein tiefes Fach unter der Armauflage inklusive USB- und 12-Volt-Dose sowie einer kleinen darin eingesetzten rutschfesten Schatulle für Handy oder Schlüssel. Durchdacht präsentiert sich zudem das regulär 430 Liter fassende Heckabteil. Ausstaffiert mit einem zweifach geteilten Ladeboden, dessen stabile Platten sich auch vertikal aufstellen lassen, ist der Nissan Qashqai für den rutschfreien Transport von Taschen und Wasserkisten bestens gerüstet. Steht ein größerer Transport an, findet zudem die Laderaumabdeckung im Unterboden Unterschlupf. Bis zu 1.585 Liter kann der Qashqai dann bei umgeklappter Rückbank einpacken – theoretisch. Denn dem im Test größten Gepäckraum steht mit 440 Kilo die geringste Zuladung entgegen.
Kia Sportage – Erwartung erfüllt
Da wirkt es fast wie Hohn, dass der sechs Zentimeter längere Kia nur 1.353 Liter an Gepäck, dafür aber 511 Kilo zuladen darf. Immerhin nimmt er standardmäßig 465 Liter mit, und unter dem massiven Ladeboden wartet ein vollwertiges 17-Zoll-Ersatzrad auf seinen Einsatz.
Überraschend geräumig geht es im Innenraum zu. Sowohl in der Breite als auch beim Normsitzraum liegt der kürzlich geliftete Kia mit vorne. Lediglich im Fond kann das Dach den Köpfen zu nahe kommen. Die Insassen machen es sich derweil auf weichen Sitzen bequem, die mehr Seitenhalt bieten als das Nissan-Qashqai-Mobiliar. Und wer den Sportage vor dem Facelift kennt, dürfte beim Anblick des nun hochwertigeren Cockpits zugeben: Ja, die Aufwertung hat was gebracht. Nur die zu klein geratenen Anzeigen für Radio und Bordcomputer könnten Fahrer mit Sehschwäche nach ihrer Brille tasten lassen.
Trotz seines sportlichen Auftritts ist der Allradler aber eines weiterhin nicht: ein heißer Dynamiker. Hierfür sorgen schon die leichtgängige, indirekte, aber im Vergleich zum Nissan Qashqai präzisere Lenkung sowie sein soft abgestimmtes Fahrwerk. Früh untersteuernd und mit deutlicher Seitenneigung, nimmt der 1,6 Tonnen schwere SUV daher flotte Kurvenfahrten lieber gemütlich in Kauf, federt und dämpft dafür sorgsam und lässt sein ESP im Ernstfall spät eingreifen.
Herbe Kritik fängt sich der Kia im Kapitel Sicherheit ein. Die Koreaner statten ihren Topseller weder mit Verkehrszeichenerkennung noch mit dem inzwischen klassenüblichen Spurwechselassistenten aus, vor allem aber sind die Bremswerte von über 40 Metern nicht akzeptabel. Schade – denn im Vergleich zum Nissan Qashqai wirkt die Antriebseinheit deutlich stimmiger. So legt der Diesel leise und ohne Anfahrschwäche kräftig los, das Schaltgetriebe erfreut mit Präzision, und im Zwischenspurt aus hohen Gängen können dem Sportage weder Nissan noch VW folgen. Das einzige Manko der gelungenen Kombination offenbart sich an der Tankstelle: Mit einem Testverbrauch von 7,6 l/100 km liegt der ohne Start-Stopp-System ausgerüstete Zweiliter-Diesel über seinen Konkurrenten, Nissan Qashqai und VW Tiguan.
Den Mehrverbrauch macht der Kia dagegen mit dem niedrigsten Einkaufspreis (28.240 Euro) und seiner siebenjährigen Garantie wieder wett. Allerdings – das sollte jeder beim Kauf bedenken: Extras wie Navi oder elektrisch verstellbare Sitze verknüpft Kia mit der 3.600 Euro teureren Ausstattungslinie Vision.
VW Tiguan – Sanftmütiges Fahrwerk und kräftige Bremse führen zum Sieg
Ach ja, der Tiguan. Oft schon hat sich Deutschlands beliebtester SUV zahlreicher Angriffe erwehren müssen. Doch bis auf seinen hohen Preis (32.700 Euro) und sein überteuertes Uralt-Navi (2.060 Euro), das weder mit klarer Kartendarstellung noch schneller Rechnerleistung glänzt, steht der hochbeinige Wolfsburger auch in diesem Vergleich gegenüber seinen Konkurrenten, Nissan Qashqai und Kia Sportage, wieder bestens da. Einfach einsteigen, wohlfühlen, losfahren. Vom kultivierten 140 PS starken Diesel ist ebenso wenig zu hören wie von Wind- oder Abrollgeräuschen. Der Spurt von null auf 100 km/h ist nach 10,4 Sekunden erledigt, und der Testverbrauch hält sich mit 7,4 l/100 km in Grenzen. Hier macht sich sein etwas unpräzises und Bluemotion-gemäß lang übersetztes Sechsganggetriebe durchaus bezahlt. Nachteil: Im Elastizitätsduell verliert der 1,7 Tonnen schwere Allradler mächtig Punkte.
Will man es fahrdynamisch mal wissen, unterstützt der gekonnt neutral abgestimmte Tiguan dies mit klasse Sportsitzen sowie einer präzisen, zielgenauen Lenkung. Das mit feinfühlig eingreifenden Adaptivdämpfern ausgerüstete Fahrwerk (1.115 Euro) fängt nahezu jegliche Unbill sauber ab und dürfte für gelassen dreinblickende Passagiere sorgen. Im Gegensatz zu den modisch gestylten SUV aus Asien, Nissan Qashqai und Kia Sportage können Mitfahrer im Tiguan auch wirklich was sehen und sich richtig ausbreiten. Die Fensterflächen sind groß, das Raumangebot üppig, und je nach Bedarf können die Fondinsassen die Neigung der um 16 Zentimeter längs verschiebbaren Rückbank verstellen. Zudem verfügt nur der Tiguan über zusätzliche Luftausströmer im Fond.
Hinter der straff gepolsterten Rückbank ist Platz für 470 Liter Gepäck. Da bis zu 577 Kilo zusätzlich mitreisen dürfen, lässt sich das Volumen im Gegensatz zum ähnlich geräumigen Nissan Qashqai auch tatsächlich nutzen. Eine hohe Innenkante stört allerdings die lockere Beladung. Abhilfe schafft ein Ladeboden, den sich VW, wie viele weitere Extras, bezahlen lässt (175 Euro).
Die magere Serienausstattung hindert den wie gewohnt sorgfältig verarbeiteten Tiguan dennoch nicht daran, diesen Vergleich mit reichlich Punkteabstand zu gewinnen. Dem clever auftretenden und deutlich verbesserten Nissan Qashqai fehlt noch ein sanftmütigeres Fahrwerk und dem günstigen Sportage eine kräftiger zupackende Bremsanlage und mehr Sicherheits-Features.
Nissan Qashqai - Viel Infotainmemt für wenig Aufpreis
Wow, da kann man nicht meckern: Gerade einmal 800 Euro verlangt Nissan für die neueste Generation der Navigation Connect, die mit Bluetooth- Freisprecheinrichtung, CD-Player, DAB-Radio und Rückfahrkamera üppig ausgestattet ist. Die Bedienung erfolgt im Nissan Qashqai über Direkttasten und einen etwas milchigen Touchscreen. In Listen wie Musikarchiven oder Telefonbüchern kann zudem per Drehregler gescrollt werden. Eine Spracheingabe fehlt hingegen. Dank großer Berührungsfelder und logischer Menüs klappte die Bedienung dennoch auf Anhieb. Ebenfalls problemlos ließen sich die Test- Handys von Apple und Samsung verbinden: So koppelte sich Connect binnen Sekunden, ohne dass Code-Nummern eingeben werden mussten.
Die im Smartphone gespeicherte Musik ließ sich via Bluetooth oder USB-Eingang abspielen, Album-Cover wurden jedoch nur bei einer Kabelanbindung übertragen. Darüber hinaus beeindruckte die Navigation mit übersichtlicher Kartengrafik, schneller Routenberechnung und präzisen Abbiegehinweisen samt Zusatzpfeilen zwischen den Instrumenten. Verkehrshinweise kommen jedoch vom lahmen TMC-Service, ein zeitgemäßer Live-Staumelder fehlt. Beim Thema Online-Anbindung gibt es ohnehin noch reichlich Luft nach oben. Um eine Connect-App, die auf dem Handy gespeichert wird, nutzen zu können, müssen sich Nissan-Qashqai-Besitzer erst durch eine zähe Anmeldeprozedur auf der Nissan-Homepage quälen. Als Lohn der Mühe winken dann derzeit ganze zwei Apps: Neben einem abgespeckten Facebook-Account gibt es lediglich eine Google-Suche.
Vernetzung ausbaufähig
Angesichts von Preis und Ausstattung lassen sich kleinere Schwächen wie die fehlende Sprachbedienung im Nissan Qashqai verschmerzen. Allerdings bleibt zu hoffen, dass Nissan die kargen Online-Funktionen bald um sinnvolle Apps erweitert.