Wer den Honda Civic Type R abwertend als "Reiskocher"
verspottet, sollte lieber aufpassen. Der japanische Hot Hatch
trommelt zum Angriff auf die Kompaktwagenkonkurrenz. Ob das
gelingt, verrät der Supertest.
Genau jetzt beim Einbiegen in den Hatzenbach wünscht man sich
eigentlich dichten Verkehr wie bei den Touristenfahrten am
Karfreitag. Statt "auf Zeit" und "mutterseelenallein" über die
Nordschleife zu hetzen, will man eigentlich lieber jagen gehen.
Der Type R erinnert mit seinen Kotflügelverbreitungen, Schürzen,
Schwellern und dem monströsen Heckflügel fast an längst vergangene
Zeiten, als Homologationsmodelle à la Lancia Delta Integrale Evo
oder Audi Sport Quattro in den Straßenverkehr entlassen wurden.
Den Vierzylinder des aktuellen Civic Type R pusht ein
Monoscroll-Turbolader nun auf eine Nennleistung von 310 PS.
Ehrensache, dass auch das aktuelle Modell die bei Honda schon
legendäre VTEC-Technologie nutzt. Wie sich später zeigt, geht der
ganze Aufwand allerdings nicht ganz auf.
Speziell für den Type R entwickelt: der Conti SportContact 6.
Dabei handelt es sich jedoch noch um einen UHP-Reifen. Mit
Semislicks wäre der Civic querdynamisch noch eine Liga höher
angesiedelt.
Da der von uns genutzte Windkanal derzeit nicht funktioniert,
haben wir beim Hersteller die Aerodynamikwerte angefragt. Diese
waren bis Redaktionsschluss jedoch nicht rechtzeitig verfügbar.
Nicht nur optisch will der Type R seinem Motorsportvorbild
nacheifern. Das Fahrwerk mit adaptivem Dämpfersystem wirkt straffer
und kompromissloser auf Sport getrimmt als bei den meisten Gegnern
im Kompaktsegment.
Auch im Innenraum übt sich der Civic Type R nicht gerade in
Zurückhaltung. Der +R-Modus schärft unter anderem Fahrwerk und
Ansprechverhalten des Turbomotors.
...sondern auch in das knackige Sechsganggetriebe. Für den
Einsatz auf der Rennstrecke gab Honda dem Type-R-Getriebe auch
einen zusätzlichen Kühler mit auf den Weg, der im unteren Teil des
Getriebes sitzt.
Zum ehrlichen Charakter zählt auch ein mechanisches
Sperrdifferenzial, das den Punch von den in der Fronttrieblergilde
rekordverdächtigen 400 Nm maximalem Drehmoment ohne Mucken in
Traktion umsetzt.
Unter Last zieht sich der Civic sogar leicht in die Kurve rein –
beide Daumen hoch! Dabei reißt einem der Type R nicht mit
übertriebenen Antriebs-einflüssen das Lenkrad aus der Hand, was vor
allem Pluspunkte im Alltagsverkehr gibt.
Jetzt kommt allerdings die Krux: Mit nur 276 PS verfehlt der
Zweiliter-Turbo unseres Testwagens seine Nennleistung auf dem
Leistungsprüfstand deutlich. So fehlen dem Honda Civic Type R satte
34 PS.
Zwischen 2.800/min und 4.000/min liegen rund 440 Nm an, danach
fällt die Drehmomentkurve bis zum Drehzahlbegrenzer linear ab.
Abgesehen von der fehlenden Endleistung verläuft die Leistungskurve
sehr gleichmäßig.
Diesen Leistungsmangel spürten wir nicht nur bei den objektiven
Messwerten. Auch subjektiv fehlte auf der Nordschleife und in
Hockenheim der erwartete Punch.
Achsgeometrie: Vorn liegen die gemessenen Werte im vom
Hersteller vorgeschriebenen Toleranzbereich. Mit rund einem Grad
negativen Sturz und leichter Vorspur an beiden Achsen passt die
Einstellung für gelegentliche Rennstreckenbesuche ebenso wie für
den Alltag.
Bei einer Gewichtsverteilung von 65 zu 35 wiegt der Civic Type R
mit vollem Tank und ohne Fahrer 1.412 Kilogramm. Die Werksangabe
liegt bei 1.397 Kilogramm.
Was für eine Heckflügeltheke! Der Type R ist eine erfrischende
und vor allem noch recht preisgünstige Alternative zu anderen
Gegnern im Segment. Schade, dass er sich seinen eigentlich
gelungenen Auftritt im Supertest durch fehlende Motorleistung
selbst vermasselt.
Während der Rundenzeit in Hockenheim herrschten sehr hohe
Außentemperaturen. Zusammen mit der fehlenden Motorleistung wirkte
sich dies natürlich nachteilig auf die Rundenzeit aus. Der Civic
Type R könnte mit idealeren Voraussetzung sicherlich mehr.
Auf den kurvigen Streckenabschnitten der Nordschleife punktet
der Civic Type R mit seiner sportlichen und neutral ausgelegten
Fahrwerksabstimmung. Insgesamt wäre auch hier deutlich mehr möglich
gewesen, wenn der Type R seine offizielle Nennleistung erreicht
hätte.