Tracktest - Suzuki Swift Super 1600
In der Junior Rallye WM bringt der Suzuki Swift Super 1600 die Konkurrenz zum Weinen und schreit selbst wie am Spieß. Ein Tracktest zeigt, was der in Deutschland von Juniorenhand bewegte Rallye-Floh zu bieten hat.
Für unerschrockene Profis mag der Boden bespielbar sein, für herkömmliche Rallye-Touristen wirkt das dargebotene Geläuf schlichtweg wie ein Schlachtfeld – bis auf Radnabenhöhe aufgewülter Sand, nicht minder tief ausgefräste Spurrillen. Der auserwählte Rundkurs gleicht mehr einem Bild der Verwüstung als einem passend präparierten Spielfeld für einen Suzuki Swift.
Ein SUV wäre wohl geeigneter
Ein allradgetriebener SUV scheint für derartige Platzverhältnisse die wirksamere Alternative für eine flotte Fortbewegung zu sein. Aber die Verantwortlichen werden wohl wissen, was sie tun. Suzuki-Teamchef Niki Schelle, in diesem Jahr bei der Rallye Deutschland im Swift Super 1600 auch höchstpersönlich aktiv, bleibt gelassen und empfiehlt: „Wir fahren die Strecke erstmal mit dem Straßenauto ab, damit du dir ein Bild davon machen kannst.“Der Trainings-Opel quält sich auf der Suche nach einem Fleckchen festem Untergrund über den von Testfahrten durchgequirlten Boden. Auf der langen Geraden hinein in den Wald wird der Feldweg griffiger, nun aber gilt es Aufsetzer zu vermeiden und große Bögen um stattliche Löcher zu ziehen. Ein kurzes Stück Asphalt, eine verwüstete Schikane, und am Ende der schier endlos langen Geraden zurück zum Serviceplatz warten noch zwei hundsgemeine Sprungkuppen. Die Landschaft in der Lausitz kann so reizvoll sein ...
Das gemeinsame Aufwärmprogramm für Mann und Material beginnt zunächst mit Asphaltbereifung auf festem Untergrund. Der ersten Kontaktaufnahme entgegnet der gerademal 1,6 Liter große Vierzylinder des Suzuki Swift Super 1600 alles andere als harmonisch. Oder wie es Suzuki-Junior Udo Schütt auszudrücken pflegt: „Klingt im Leerlauf halt erstmal wie ein Sack Nüsse.“
Stimmt. Bei identischem Hubraum, aber im Vergleich zur Serie immerhin 100 PS mehr Leistung, sei dem Rallye-Floh eine gewisse Disharmonie im Leerlaufverhalten zugestanden. Und mit zunehmender Drehzahl wendet sich das Blatt dann schließlich auch. Das anfängliche Rattern weicht einem herzhaften Gurgeln und steigert sich in ein hochfrequentes Schreien. Beim Drehzahllimit von 9.000 Touren schließlich scheint sich der kleine Sauger seine 16 Ventile einzeln aus dem Zylinderkopf zu brüllen.
Das Kreischen hat Methode
Das Messsystem attestiert durchaus erstaunliche Werte. Bei den Elastizitätsprüfungen deklassiert der Kleine einen ausgewachsenen Porsche GT3 um Welten und sprintet – obwohl das perfekte Anfahren mit den notwendigen hohen Drehzahlen nur schwer zu bewerkstelligen ist – auch sonst wie ein Großer. Zugegeben nicht sehr weit, da die aus den drei erlaubten Möglichkeiten gewählte Übersetzung dem Treiben bei knapp 170 km/h ein Ende bereitet.
Bis dahin geht’s jedenfalls ohne Verschnaufpause – in sechs Stufen, ohne vom Gas zu gehen und ohne Kupplung. Schaltprügel anstatt Lenkstockhebel, wobei ein kurzer Zug genügt, um die nächste Welle im geradeverzahnten Getriebe zu verankern. Wie aus einem Revolver werden die Gänge hoch oder runtergeschossen. Das Anfreunden geht doch schneller als erwartet. Also dann: Ab zum Service, vier Mal grobstolliger Schotter- Gummi bitte – und rein in den Dreck.
Der Kleine läuft zu großer Form auf
Ob fest oder lose, beim Haken schlagen spielt die Beschaffenheit des Untergrund. eine untergeordnete Rolle. Einmal in Schwung, macht der Super 1600er keine Gefangenen. Vierte Welle – bang – fünfte Welle. Der rote Swift hisst hinter Stummelheck und Dachflügel die große Staubfahne und stürzt sich auf Schotter und Geröll wagemutig durch den Wald. Das gegenseitige Vertrauen wächst, vor allem, wenn der linke Fuß peu à peu mit dem Bremspedal zu kommunizieren versteht. Denn durch das beidfüßige Dribbling ist die brüllende Schuhschachtel bestens zu besänftigen, zumindest was die Stabilität auf kurvigem Geläuf betrifft.
Jeder Kilometer kostet über 100 Euro
Was die Bremse tatsächlich zu leisten vermag, erschließt sich jedoch erst nach mehreren Kilometern, wo jeder Einzelne übrigens hochgerechnet deutlich über 100 Euro kostet. Schließlich wird der Motor alle 1.200 Kilometer revidiert. Das Getriebe verlangt alle 500 Kilometer einen kleinen Kundendienst. Wer das eine oder andere technische Herzstück irgendwann doch mal himmelt, berappt 25.000 Euro für das Triebwerk, beziehungsweise 15.000 für die Sechsgangbox. Der komplette pausbackige Geselle kostet konkurrenzfähig hochgerüstet gut und gern an die 150.000 Euro. Aber er ist sein Geld wert – zählt er doch zu den Besten in der Junior WM und verfehlte mit Urmo Aava am Steuer nur um einen Punkt den Titel.
Den monetären Wert vor Augen, blutet einem das Herz bei all den Schlägen am Unterboden und den wie Maschinengewehrsalven in den Radhäusern trommelnden Steinen. „Macht nichts, der kann das locker ab“, beruhigt Niki Schelle beim Tankstopp. Und gibt noch etwas Leine nach: „Ein paar Runden halten die Reifen noch aus.“
Nichts lieber als das: Vierter, bang, Fünfter, und bang – nach der Vertrauensfindung geht’s auch im Sechsten. Eintauchen in die schmale Schneise zwischen mannsdicken Tannen, die nahende Schikane im Visier. In Sekundenbruchteilen wieder runter von sechs auf zwei. Es manifestiert sich die Erkenntnis, dass der Kleine auf der Bremse zu den ganz Großen gehört.
Jetzt nur nicht den Schwung verlieren
Ein leichter Zug am ellenlangen Handbremshebel wirft das Heck auf Kurs. Tapfer drauf aufs Gas, dank Sperrdifferenzial zieht sich der Fronttriebler überraschend engagiert aus den Ecken und brüllt auf die letzte ausstehende Herausforderung zu – den Sprung. Und der zeigt ein weiteres Mal eindrucksvoll auf, welche weit reichenden Ressourcen das aufwendige Fahrwerk des Rallye-Swift tatsächlich zu bieten hat. Abspringen, das Terrain kurz von oben betrachten, wie in Watte getaucht wieder zurück auf den Boden der Tatsachen.
Die Tiefe des Geläufs spielt im Swift Super 1600 also nicht die entscheidende Rolle, sondern vielmehr die Tiefe des Vertrauens in seine faszinierenden Qualitäten.