VW Golf V aus auto motor und sport 21/2003
Größere Karosserie, neue Hinterachse: Der Golf 5 im alten Test. Zur Premiere des neuen Golf zeigen wir die vorigen Generationen. Lesen Sie hier den Test des VW Golf 5 1.9 TDI aus auto motor und sport 21/2003.
Nicht nur der neue Golf 5 bietet mehr Raum als der Vorgänger. Auch auto motor und sport räumt dem neuen Kompakten viel Platz ein: Der erste Test in auto motor und sport 23/2003 geht über sieben Seiten. Der Autor, Götz Leyrer, bemerkt dazu, dass sieben Zeilen genügen würden, „um zu beschreiben, dass der neuerliche Modellwechsel dem Kunden genau das Gleiche beschert wie diejenigen in der Vergangenheit.“ Er nimmt sich dann doch ein paar Zeilen mehr, um den Golf ausführlich zu beschreiben.
Golf V mit mehr Platz und größerer Karosserie
Der Golf ist gegenüber seinem Vorgänger größer und geräumiger geworden. Er bietet mehr Komfort und Fahrsicherheit. Sein Motor ist umweltfreundlicher, seine Crashsicherheit liegt auf höherem Niveau. Doch wir schauen natürlich genauer hin. Ein Auto, das zum Symbol einer ganzen Klasse geworden ist und von dem Wohl und Wehe des größten deutschen Automobilherstellers abhängen, muss schließlich beweisen, dass es den Maßstab in seinem Segment setzt. Weniger wäre einfach nicht genug.
Der Reihe nach. Größer stimmt wie immer. 55 Millimeter mehr Länge, 24 Millimeter mehr Breite, 41 Millimeter mehr Höhe. Das Ganze basiert auf einer Bodengruppe, die als wichtigstes Maß für das Platzangebot einen um 67 Millimeter längeren Radstand aufweist. Golf Nummer fünf ist damit größer als die erste VW Passat-Generation der 70er-Jahre.
Mehr Kofferraum und Kniefreiheit
Aus dem neuen Format resultiert unter anderem ein um 20 auf 350 Liter gewachsener Kofferraum, dessen glattflächige Form die Nutzung erleichtert. Dass zur Erweiterung nur noch die Lehne der Rücksitzbank, nicht aber die Sitzfläche umgeklappt werden kann, macht die Bedienung einfacher, weil die Kopfstützen an ihrem Platz bleiben können. Allerdings entsteht so keine ganz ebene Ladefläche. Eine der fundamentalen Schwächen des Vorgänger., das knappe Platzangebot im Fond, ist angesichts des Wachstums kein Thema mehr. Die Beinfreiheit hat spürbar zugenommen. Wer hinten sitzt, ist nicht mehr auf das Entgegenkommen der vorderen Passagiere angewiesen. Die knappe Sitztiefe der rückwärtigen Bank und deren wenig konturierte Polsterung verhindern jedoch eine Bestnote, was den Sitzkomfort im Fond angeht.
Bequeme Sitze, schlechte Übersicht
Wer vorne Platz nehmen darf, ist bestens bedient. Die neu konstruierten Sitze sind von bemerkenswerter Bequemlichkeit, sie geben dem Körper festen Halt und verfügen über einen großen Verstellbereich. Erstklassig auch die Sitzposition – etwas tiefer und sportlicher als bisher. Sie sorgt aber zusammen mit der stark abfallenden Motorhaube dafür, dass die Übersichtlichkeit nach vorn bescheiden ist. Durchschnittlich groß gewachsene Fahrer sehen vom Vorbau gar nichts, womit der Golf im Kreis der modernen Kompakten nicht allein dasteht.
Übersichtliches Cockpit mit viel Hartplastik
Was man sieht, nämlich das Cockpit, ruft nicht einhellige Begeisterung hervor. Die reichliche Verwendung von Hartplastik lässt den Rotstift erkennen. Das ist insofern enttäuschend, als Volkswagen im Bereich der optischen und haptischen Qualität bisher konsequent um Bestleistungen bemüht war. Die Funktionalität der Gestaltung freilich liegt auf höchstem Niveau. Sehr gut ablesbare Instrumente tragen dazu ebenso bei wie die zahlreichen geräumigen Ablagen und die Anordnung und Gestaltung der Bedienungselemente. Da gibt es kein Rätselraten. Auch wer zum ersten Mal in einen Golf steigt, fühlt sich auf Anhieb zu Hause.
Einmal in Fahrt, wird die hohe Qualität der Karosseriestruktur fühlbar. Selbst auf sehr schlechten Straßen bleibt der Aufbau ruhig wie ein Grab. VW beziffert die Erhöhung der statischen Steifigkeit gegenüber dem Vorgänger mit 80 Prozent. Da glaubt man gern, dass der Insassenschutz im Falle eines Crashs erheblich besser geworden ist. Zumal an passiver und aktiver Sicherheitsausstattung alles an Bord ist, was heute den Stand der Technik präsentiert. Nicht zuletzt sehr wirksame und standfeste Bremsen.
Neue Hinterachse./strong>
Die solide Karosseriestruktur bietet gleichzeitig beste Voraussetzungen für ein präzises Fahrverhalten. Dem gleichen Zweck dienen eine modifizierte Federbein-Vorderachse sowie eine völlig neue Hinterachse. Statt der Verbundlenker-Konstruktion kommt nun eine unabhängige Radaufhängung mit vier Lenkern zum Einsatz. Tatsächlich erscheinen die Fahrwerkseigenschaften als bedeutendste Verbesserung gegen über dem alten Golf. Die Federung ist straff abgestimmt, was die Bewegungen der Karosserie beim Kurvenfahren und Bremsen minimiert.
Trotzdem geht die Orientierung an bestmöglicher Fahrdynamik nicht auf Kosten des Federungskomforts. Bodenwellen werden so sauber absorbiert, dass von einem optimalen Kompromiss gesprochen werden darf: gutes Gefühl für die Straße, aber keine Belästigung der Insassen durch kurze Stöße oder langhubige Vertikalbewegungen.
Gutmütiges Fahrverhalten, hervorragendes Handling
Dabei liegt der Golf, als Testwagen ausgerüstet mit der optionalen 16-Zoll-Bereifung, wie das sprichwörtliche Brett. Die Neigung der Karosserie bei hoher Querbeschleunigung wird im Innenraum kaum spürbar, das Fahrverhalten ist so neutral, wie es bei einem Fronttriebler nur sein kann. Wer eine Kurve bewusst sehr schnell angeht, wird entdecken, dass immer noch Reserven bleiben. Das ESP zum Eingreifen zu veranlassen, erfordert ein sehr provokatives Verhalten – etwa plötzliches Gaswegnehmen bei hohem Kurventempo. Dann schwenkt das Heck leicht nach außen, gerade genug, um auf dem gewünschten Kurs zu bleiben. Ein kaum merklicher Bremseneingriff des ESP bereinigt die Sache.
Präzise Lenkung, erstmals elektrisch unterstützt
Wichtiger noch, da sich das Leben nicht im Grenzbereich abspielt: das hervorragende Handling. Es macht das Fahren leicht und vergnüglich, weil der Golf so feinfühlig und millimetergenau zu dirigieren ist. Die Lenkung verfügt über eine elektrische Unterstützung. Das verheißt nach bisheriger Erfahrung nicht unbedingt Gutes.
Die Golf-Lenkung allerdings zeigt, was machbar ist: ein präziser Fahrbahnkontakt vor allem auch um die Mittellage, dazu ein perfekt abgestimmtes Rückstellmoment in Kurven. Da nimmt man gern in Kauf, dass die Lenkkraft-Unterstützung nicht stark genug ist, um mit einem Finger einzuparken.
Auf der Autobahn zeigt der Golf einen sehr stabilen Geradeauslauf sowie geringe Abroll- und Windgeräusche. Angenehme Ruhe also, wäre da nicht der Dieselmotor, der bei hoher Drehzahl kräftig brummt und Vibrationen entwickelt. Und drehen muss er, denn er wurde mit einer kurzen Übersetzung kombiniert. Bei Höchstgeschwindigkeit bedeutet dies mehr als 4.000 Umdrehungen im fünften Gang des leicht und exakt schaltbaren Getriebes. Da wünscht man sich das Sechsganggetriebe, das ab Anfang 2004 lieferbar ist.
Kräftiger Motor, kurze Übersetzung, kein Rußfilter
Die Auslegung der Übersetzung unterstützt auf der anderen Seite vorteilhaft die Leistungscharakteristik des Motors. Er spricht schon im untersten Drehzahlbereich kräftig an und legt unmittelbar zu ohne Verzögerung bis zum Aufbau des vollen Ladedrucks. Damit ermöglicht er eine höchst gelassene und schaltarme Fahrweise.Die wiederum kommt dem Verbrauch zugute. 6,8 Liter auf 100 Kilometer sind es im Testdurchschnitt. Da kann man angesichts der guten Fahrleistungen wahrhaftig nicht meckern. Eher schon darüber, dass ein Rußpartikelfilter erst ab Ende 2004 und dann für den deftigen Aufpreis von 562 Euro liefebar sein wird. Umweltfreundlicher als sein Vorgänger ist der 1.9-TDI-Motor aber schon jetzt. Er erfüllt die Euro-4-Norm.