Advents-Tour in Tirol
Leise Töne: In Stille genießen die Menschen in Rattenberg, der
kleinsten Stadt Österreichs, die Adventszeit. Sie treffen sich dazu
im Schein von Öllaternen, Fackeln und knisternden Feuerstellen.
Fernab von Trubel und Hektik in der Vorweihnachtszeit steht die Stadt Rattenberg in Tirol ganz im Geiste der Ursprünglichkeit, der Ruhe und der inneren Einkehr. Überall in den putzigen Fenstern der mittelalterlichen Giebelhäuser lodern Kerzen. Dieses natürliche Licht vermittelt den Besuchern ein wohltuendes Gefühl von Wärme und Geborgenheit. Und wenngleich sich jedes Jahr mehr Gäste davon anziehen lassen, bleibt es in den Gassen immer noch angenehm ruhig. Eingehüllt in dicke Wollmäntel, Mützen und Schals stehen die Menschen zusammen. Gemeinsam blicken sie in das offene Feuer, plauschen und nippen ein wenig am nach Holunderbeeren duftenden, dampfenden „Adventwein“ – auf keinen Fall zu verwechseln mit dem Glühwein, wie er landauf, landab zum Ausschank kommt; der ist bei den Rattenbergern verpönt. Der Mann am Kupferkessel trägt einen großen, breitkrempigen Hut und den „Wetterfleck“, einen traditionellen Hirtenmantel. Bevor er den Adventwein ins Glas gießt, rührt er ihn sorgsam um, als wollte er damit sagen: „Wir nehmen uns jede Menge Zeit, tun Sie es ebenfalls! Lassen Sie es Weihnachten werden!“ Und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind, sagt Lukas.
Man trifft sich an den vier Adventsamstagen jeweils um 14 Uhr. Dann stehen zum Beispiel für die kleinen Besucher Holzspiele oder Lebkuchenbacken auf dem Programm. Die sonst üblichen Fress- und Geschenkbuden sucht man hingegen vergeblich. Stattdessen bieten sogenannte Versorgungsstationen hiesige Spezialitäten an, wie etwa herzhafte, nach alten Rezepten gebackene, heiße Krapfen.
Ein Hauptprogramm mit einem Engel
An anderer Stelle zeigen geschickte Hände die breite Palette des Kunsthandwerks in der Region Alpbachtal. Um 17 Uhr schließlich beginnt das Hauptprogramm auf der Bühne vor dem hohen Christbaum. Örtliche Schülergruppen und Familienorchester singen da sanfte Lieder und musizieren fein. Mucksmäuschenstill wird’s im Publikum, wenn zum Finale eine als Engel verkleidete Sängerin von einer Himmelsschaukel herab ihr zauberhaftes „Ave Maria“ zum Besten gibt. „Sehr, sehr schade, sagen viele, wenn sich dann nach zwei Stunden schon wieder alles auflöst und die Stände schließen. Der Eintritt für Personen ab 14 Jahren beträgt 5 Euro. Der schmale Landflecken zwischen Innufer und Schlossberg verhindert seit jeher eine Ausweitung des Ortes, der 1399 die Stadtrechte erhielt. Kupfer- und Silberbergbau brachten einst großen Wohlstand, wovon prächtige Bauten zeugen. Die nur gut 400 Einwohner zählende Stadt ist die kleinste in der Alpenrepublik geblieben – wenn’s aber um das Besinnliche geht, dann ist sie gewiss die größte.