Alte gegen neue Ducato-Generation

Der Fiat Ducato bekommt neue Motoren. Was die taugen, machen wir auf einer ersten Testfahrt im Vergleich mit alten Bestsellern aus. Die neuen 120 und 140 treten gegen 130 und 150 Multijet an.
Dass Italiener brillante Motorenkonstrukteure sind, ist allgemein bekannt. Nicht nur so atemberaubend unvernünftige Zwölfzylinder-Benziner von Ferrari Daytona bis 812 Superfast belegen das, sondern auch ganz bodenständig profane Nutzdiesel für Pkw und Transporter. Auch wenn der sparsame Diesel oft als irgendwie deutsche Spezialität angesehen wird, darf Italien doch auch als Pionier des modernen Selbstzünders gelten. Der erste großserienreife Dieselmotor mit Common-Rail-Einspritzung verrichtete ab 1997 im Alfa Romeo 156 seinen Dienst. Das Prinzip der effizienten, wirtschaftlichen und laufruhigen Kraftstoffeinspritzung über ein gemeinsames Verteilerrohr hat sich durchgesetzt und ist noch immer Stand der Dinge.
Der brave 2,3-Liter des Fiat Ducato ist natürlich auch so ein Fall. Dank Turboaufladung und entsprechender Kennfeldsteuerung schafft er über vier Leistungsstufen hinweg einen erstaunlichen Spagat vom milden Multijet 115 bis zum wilden 180. Solide, zuverlässige Arbeitstiere für alle Lebenslagen von Handwerk bis Fernreise, von Campingbus bis Dreiachs-Integrierter. Zum Spätsommer steht beim Ducato ein pflichtbewusster Wechsel an, bei dem es nicht um mehr Leistung oder Laufkultur geht, sondern vor allem um sauberere Emissionen. Ab September müssen sämtliche Nutzfahrzeuge die Euro-Norm 6d-Temp erfüllen. Fiat stellt dazu – als letzter Transporterhersteller – auf die Abgasreinigung via SCR-Kat und Zugabe von Ad-Blue um.
Die neue Generation Fiat Ducato ab 2020
Doch konzentrieren wir uns auf das Wesentliche. Der Hubraum des Multijet bleibt unverändert bei 2,3 Litern. Mit der Umstellung auf Euro 6d-Temp bekommt der Ducato allerdings neue Leistungsstufen. Der 115- PS-Diesel, bisher Standard in Campingbussen, erstarkt auf 120 PS. Bei aufgebauten Reisemobilen löst der neue 120er den bisherigen 130er als Basismotorisierung ab; die Minderleistung von 10 PS gegenüber dem Multijet 130 will Fiat durch ein gleich großes Drehmoment von immerhin 320 Newtonmetern wettmachen. Möglich wird dies unter anderem durch einen neuen Turbolader mit variabler Schaufelgeometrie, der für ein besseres Ansprechen sorgt. Schon bei niedrigeren Drehzahlen kann die Turbine so den entsprechenden Ladedruck aufbauen. Wer bisher größeren Leistungshunger stillen wollte, griff in der Regel zum Multijet 150. Künftig dürfte der neue Multijet 140 in die engere Auswahl rücken, der mit 350 Nm zumindest auf dem Papier ähnlich kräftig antritt.
Der Vergleich
Das ist also die spannende Konstellation des promobil-Vergleichstests: die alten Bestseller (130 und 150) gegen die neuen Basisdiesel (120 und 140). Doch sind die Jungen wirklich genauso gut, gar besser oder sparsamer als die Alten? Wir checken das auf einer ausgedehnten Vergleichsfahrt durchs Oberrheintal, das Breisgau und den Schwarzwald und treffen uns anschließend zum Kräftemessen auf der Teststrecke. Bürstner stellt Multijet 120, 130 und 140, als 150 muss unser Dauertest-Malibu herhalten. Alle vier sind annähernd gleich große, typische Teilintegrierte, die wir der Vergleichbarkeit wegen auf dasselbe Kampfgewicht bringen: 3200 Kilo zuzüglich Fahrer.
1. Fiat Ducato Multijet mit 120 PS (neu)
Endlich geht’s los, und der neue 120 überrascht schon auf den ersten Metern mit seinem lebhaften Temperament. Drehfreudig schiebt er bis Landstraßentempo, auf der Autobahn hält der kleinste Diesel bis 110, 120 km/h gut mit. Große Sprünge darüber hinaus sind nicht drin; passt schon. Dabei röhrt er kernig und untermalt – akustisch präsenter als die anderen – seine Ambitionen.
Erst die kurvigen Bergaufpassagen im Schwarzwald offenbaren das Leistungsdefizit gegenüber den stärkeren 140 und 150. Anstiege muss er sich erarbeiten, der Kleine will bei Laune, sprich Drehzahl gehalten werden, was über Berg und Tal viel Schalterei bedeutet. Irgendwann geht ihm dann einfach die Puste aus: Im dritten Gang schleppt er sich über den letzten Pass.
Die Messwerte belegen den Eindruck weitestgehend. Der Rückstand auf den 130 ist untenrum minimal, wird erst bei höherem Tempo größer; beim Zwischenspurt im fünften Gang, einer typischen Überholsituation, liegt der drehfreudige Kleine mit seiner ausgeprägteren Turbocharakteristik sogar einen Wimpernschlag vorn.
2. Fiat Ducato Multijet mit 130 PS (alt)
Wie ein guter alter Bekannter fährt der 130, ein Kumpel, der nach jahrelanger Freundschaft nichts mehr beweisen muss: ein brauchbarer Motor für leichtere bis mittelgroße TIs, der aber ein wenig müde und phlegmatisch wirkt; nicht angestrengt, eher gelangweilt, was mit daran liegt, dass die Leistungsentfaltung anders als beim 120 gleichmäßiger erfolgt. Subjektiv macht das weniger Spaß, begrüßenswert ist aber die angenehme Laufruhe. Die Fahrleistungsdaten sind solide: 25,8 Sekunden braucht der 130 aus dem Stand bis Tempo 100. Das sind fast 20 Sekunden mehr als der Ferrari 812, klar, aber sorry, natürlich reicht das für ein Reisemobil, das ja kein Rennwagen ist.
3. Fiat Ducato Multijet mit 140 PS (neu)
Überraschenderweise enttäuscht uns der 140 bei dieser ersten Vergleichsfahrt – zunächst. Mit nur wenigen Kilometern auf dem Tacho gibt er sich auf dem ersten Abschnitt lustlos. Mit zunehmender Fahrleistung schwimmt er sich jedoch spürbar frei.
Behalten Sie’s im Hinterkopf, wenn Ihr fabrikneuer Wagen nicht ziehen will: Als eingefahren gilt ein Ducato erst mit 500 Kilometern. Tatsächlich fängt sich der 140 schließlich, und man spürt, dass unten im Kurbelwellentrieb immerhin 350 Newtonmeter schlummern. Doch die sprechen noch etwas zu zögerlich an, um die Schwarzwaldpassagen wirklich cool zu rocken. Auf der Teststrecke ist er auf den Punkt immerhin fit genug, um dem 130 beim Sprint auf 100 km/h drei Sekunden abzunehmen.
4. Fiat Ducato Multijet mit 150 PS (alt)
Der 150 ist ein Kraftpaket, der sein Drehmoment jederzeit willig zur Verfügung stellt. Im bloßen Vertrauen auf füllige 380 Newtonmeter verlangt die Schaltempfehlungsanzeige im Kombiinstrument schon kurz vor dem Ortsende nach dem fünften Gang, lässt sich ab 70 den sechsten servieren. Über Land dreht der 150 bei Tempo 100 mit ruhigen 1800 Touren und spricht spontan auf Gasbefehle an, wenn man mehr Leistung fordert, etwa zum Überholen. Bei Bedarf holt er das Mobil aus dem Drehzahlkeller von 1000 Touren bis weit – sehr weit – über die Autobahnrichtgeschwindigkeit. 150km/h und mehrschüttelt sich der bestens eingefahrene Dauertestwagen völlig unangestrengt aus dem Ärmel.
Zwischen 1500 und 2300 Touren fühlen sich Auto und Pilot rundum wohl. Dann cruist man entspannt und schaltfaul dahin, nimmt sogar leichte Steigungen ohne Zurückschalten, kommt in den Flow. Folgerichtig beeindruckt auf der Teststrecke die in diesem Vergleich überragende Elastizität viel mehr als die ja eigentlich unrealistische Beschleunigung auf 100 km/h.
Die Gretchenfrage: Welcher Motor ist der richtige für wen?
Der 120 ist ein lebendiger Motor, der als Basis für ausgebaute Kastenwagen und leichte Teilintegrierte ebenso gut taugt wie der alte 130; so richtig kann man dem alten Standarddiesel nur wenig mehr vorwerfen als sein ausgeprägtes Phlegma.
Bei aller Vergleichbarkeit macht der neue 120-PS-Ducato auf Kurztrips im Flachland aber eindeutig mehr Spaß. Wer regelmäßig die Alpen überquert, und das auch mal abseits des Brenners, entscheidet sich jedoch besser für ein stärkeres Aggregat. Eines wie den neuen 140? Wirklich entscheidend kann er sich nicht von den schwächeren Dieseln absetzen. Deshalb gilt hier die Empfehlung für Campingbusse und maximal mittelgroße Teilintegrierte bis etwa sieben Meter Länge.
Für längere, schwerere Modelle, auch wenig windschlüpfrige wie Alkovenmobile und Integrierte sollten es 150 PS beziehungsweise 380 Newtonmeter schon sein, um Motor und Fahrer nicht zu überfordern und auch auf bergigen Strecken entspannt unterwegs zu sein.
Epilog und Ausblick
Der alte 150 erweist sich im Test noch einmal als souveränes Kraftpaket, dem man auch Fahrzeuge über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht zutrauen kann. Ein wenig muss man ihm nachtrauern. Es besteht aber berechtigter Anlass zu der Hoffnung, dass sich der neue 160 mindestens ebenso gut schlägt. Seine 400 Newtonmeter gibt Fiat jedoch nur in Verbindung mit dem neuen Automatikgetriebe frei. Wie viel weniger mit Schaltgetriebe anliegen, ist noch nicht bekannt.
Und dann wäre da noch der neue 180, der gegenüber dem alten um drei PS auf jetzt exakt 180 erstarkt. Ein Wert macht extrem neugierig. Mit Automatik lässt der Ducato 450 Nm Drehmoment auf die Vorderräder los, statt 400 mit Schalter wie bisher schon. Das hört sich nach der richtigen Kombination für große, dreiachsige Integrierte an. Wir bleiben dran.
Automatik und E-Antrieb
Außer neuen Motoren gönnt Fiat dem Ducato eine weitere Aktualisierung, unter anderem die Einführung des neuen Automatikgetriebes. Anders als die bisherige Comfortmatic wird das Drehmoment nicht mittels konventioneller Kupplung, sondern über einen hydraulischen Wandler übertragen. Zugkraftunterbrechungen fallen dadurch systembedingt weg. Neun Stufen sprechen für eine verbrauchsgünstig weite Spreizung der Übersetzung. Verfügbar ist die Automatik mit 140, 160 und 180 PS. Stickoxide im Abgas reduziert zur Erfüllung der Euro-6d-Temp-Norm nun ein SCR-System. 15 Liter fasst der dazugehörige Ad-Blue-Tank. Er und der zweite Auspufftopf reduzieren die Größe des Standarddieseltanks auf 75 Liter; 90 Liter gibt es optional, der 120-Liter-Tank passt nicht mehr.
Zusätzlich zum Multijet-Diesel und der Erdgasvariante mit 136 PS kommt 2020 der Ducato Electric, der zunächst mit Großkunden getestet wird. Nur unwesentlich entwickeln sich die Fahrassistenzsysteme weiter. Verfügbar sind unter anderem Spurverlassenswarner und Verkehrszeichenerkennung; ein Abstandsregeltempomat wird nicht angeboten. Darüber hinaus hält Fiat es für angemessen, sowohl das Außendesign als auch die 13 Jahre alte Cockpitgestaltung vollkommen unberührt zu lassen. Das Infotainment-Angebot soll jedoch schrittweise erweitert werden. Ein neues Navi mit 7-Zoll-Touchscreen berücksichtigt bei der Routenführung spezifische Fahrzeugdaten wie Abmessungen und Gewicht.
Update für Citroën/Peugeot, Ford und Renault
Citroën Jumper/Peugeot Boxer
Auch die Halbgeschwister des Fiat Ducato kommen in diesem Jahr als neue Versionen, insbesondere mit Euro-6d-Temp-konformen Motoren. Die mit Start-Stop-Automatik ausgerüsteten Aggregate stehen nun in den Leistungsstufen 120, 140 und 165 PS zur Verfügung. Eine Alternative zum Sechs-Gang-Schaltgetriebe ist aber weiterhin nicht in Sicht. Bei den elektronischen Assistenzsystemen für den Fahrer stehen aber nun zusätzliche Hilfen bereit: ein Spurverlassenswarner mit Verkehrszeichenerkennung und Fernlichtautomatik etwa, eine Fußgängererkennung und ein Toter-Winkel-Assistent, der alle Objekte rechts und links des Kastenwagens in einer Entfernung bis zu 50 Meter erkennt und davor warnt. Außerdem unterstützt dieses System beim sicheren Rückwärtsrangieren, um etwa einen Anhänger anzukuppeln.
Außerdem werden die Transporter der beiden PSA-Marken ab September auch in einer Variante mit vollelektrischem Antrieb auf den Markt kommen. Dabei versprechen die Elektrikversionen in den Längen L1 und L2 bis zu 225 Kilometer Reichweite, die beiden längsten Kastenwagen sogar 270 Kilometer. Ansonsten bleiben Jumper und Boxer aber weitgehend die alten. Weder außen noch innen ist die aktuelle Neuauflage direkt erkennbar. Lediglich die Innenverkleidung der Fahrerhaustüren wurde neu gestaltet und bietet nun ein Fach für 1,5-Liter-Flaschen.
Ford Transit
Um den neuen Transit von außen zu erkennen, muss man schon etwas genauer hinschauen. Der Kühlergrill hat eine andere Form bekommen, die Scheinwerfer ein markantes LED-Tagfahrlicht. Die Nebelscheinwerfer in der Stoßstange sind – soweit vorhanden – nun rund statt eckig. Augenfälliger ist die Veränderung im Innern des Transporter-Fahrerhauses. Das neugestaltete Armaturenbrett wirkt nun deutlich aufgeräumter als beim etwas verspielten Vorgänger. Auf dem Lenkrad, das zuvor mit Tasten überladen war, findet man sich nun viel leichter zurecht. Der Touchscreen des neuen optionalen Multimedia-Navis ragt aus dem Armaturenbrett empor und ist gut einsehbar. Auch bei den Assistenzsystemen zeigt sich Ford auf der Höhe der Zeit in Sachen Sicherheit wie Komfort: Ein Abstandsregeltempomat ist ebenso erhältlich wie ein Toter-Winkel- und ein Parkassistent.
Bei den auf Euro 6d-Temp umgestellten Motoren bleibt es bei den Leistungsstufen 105, 130 und 170 PS. Hinzu kommt aber noch ein neues Topaggregat mit 185 PS und strammen 418 Nm Drehmoment. Für die Frontantriebsvarianten gibt es weiterhin als Alternative zum Schaltgetriebe eine Sechs-Gang-Wandlerautomatik. Für den heckgetriebenen Transit soll ab Frühjahr 2020 optional eine Zehn-Gang-Wandlerautomatik kommen. Außerdem gibt es erstmals eine – auch für Reisemobile interessante – Mild-Hybrid-Version.
Renault Master
Der französische Hersteller hat seinen großen Transporter sichtbar überarbeitet. Grill und Scheinwerfer passen nun zum Hausdesign, das von den Pkw bekannt ist. Dazu gehören auch serienmäßige LED-Tagfahrlichter in C-Form. Das Armaturenbrett wurde komplett erneuert mit einer Vielzahl von offenen und geschlossenen Ablagen sowie einem neuen Kombiinstrument mit Fünf-Zoll-Display. Die Motoren werden auf den Euro-6d-Temp-Standard beziehungsweise Euro VI D für die schwereren Versionen umgestellt. Die leichteren Frontantriebsvarianten gibt es in drei Leistungsstufen mit 135, 150 und 180 PS, die wahlweise mit dem automatisierten Schaltgetriebe Quickshift kombinierbar sind.
Gegenüber den Vorgängerversionen konnten die Motoren, die sämtlich mit Twinturboladern ausgestattet sind, das Drehmoment um bis zu 40 Nm steigern. Die schwereren Heckantriebsversionen treten mit 131, 145 und 163 PS an. Außerdem legt Renault bei den Fahrhilfen nach. Neben den Assistenten für Seitenwind, Fernlicht und Spurhaltung gibt es einen elektronischen Helfer für Notbremsungen, Anhängerstabilisierung und für die Kastenwagen einen Toter-Winkel-Warner sowie einen Rear-View-Assistenten, der den rückwärtigen Verkehr beobachtet.