Tischers erster Campingbus (1973)
Neuheiten erregen die größte Aufmerksamkeit. Doch dieser Camping-Oldtimer ist eine Ausnahme. Die Bulli-Wohnkabine fährt heute noch. Wir blicken mit Peter Tischer zurück auf 45 Jahre Firmengeschichte.
Es ist ein wahrer Glücksfall, dass die erste jemals gebaute Wohnkabine der Traditionsmarke Tischer überhaupt noch existiert, oft erlauben kaum mehr als vergilbte Fotos den Blick in die früheste Firmengeschichte. "Bei uns ist das anders. Die Kabine haben wir schon im Jahr 1973 verkauft, direkt auf unserer ersten Messe", erzählt Peter Tischer über seine Anfänge als Reisemobilhersteller. "Das war ein junges Paar, die wollten für sechs Monate nach Afrika. Was waren wir in Sorge, ob die Kabine das aushält, es war ja unsere allererste!" Die Sorgen waren freilich unbegründet, die Kabine hielt. Tischer nahm das Fahrzeug wieder in Zahlung, nutzte es mit der Familie zeitweilig selbst und verkaufte es später ein zweites Mal.
Der Firmenchef erinnert sich gut an den Werdegang der kürzlich restaurierten Preziose: "Die kam 1988 wieder zurück nach Kreuzwertheim. Und sie blieb dann bei uns." Das lag sicher auch am Fortschritt in der Welt der Wohnkabinen: Was heute aus modernsten Materialien besteht und mit gediegenen Rundungen daherkommt, das wurde vor knapp fünf Jahrzehnten noch rustikal aus einem Lattenkastenaufbau gezimmert, der beidseitig mit drei Millimeter starkem Sperrholz bezogen wurde. "Isoliert haben wir die Kabine mit Styropor, außen drauf haben wir dann Glasfasermatten verklebt, die für die Dichtigkeit sorgen."
Die Idee, die erste Kabine wieder aufzuhübschen, entstand bereits vor fünf Jahren: "Zu unserem 40. Firmenjubiläum haben wir uns um das Duo aus Bulli und Kabine erstmals wieder gekümmert", erklärt Peter Tischer, wobei er nicht verschweigt, dass der Zustand mehr als mäßig war; zeitweilig parkte das Gefährt unter freiem Himmel. Unter der GfK-Hülle begann das Sperrholz zu arbeiten, was schließlich zu Rissen in der Außenhaut führte.
Zunächst wurde indes der Bulli restauriert, bevor die ursprünglich in orange gewalzte Kabine an die Reihe kam, die heute wieder strahlt wie am ersten Tag. "Na ja, nicht ganz", schränkt Peter Tischer ein. "Immerhin war beispielsweise der Alkoven ganz zu Anfang noch gar nicht dran, der kam erst im Rahmen meiner Fahrt ans Nordkap anno 1974 ins Spiel." Der kuriose Vorbau sorgte vor allem für Stauraum, war aber nie isoliert. "Dafür sind es die Klappen, im Innenraum soll es ja gemütlich sein."
Alles drin im ersten Modell
Auch eine Gasheizung, ein Waschbecken, eine kleine Küche mit Spüle, Electrolux-Kühlschrank und Zweiflammherd waren damals schon am Start. Die Vierersitzgruppe ist leicht erhöht. Für Stehhöhe am Urlaubsort sorgt das ebenso schwere wie pfiffige Aufstelldach mit massiven Klappwänden. Das Dach anzuheben ist jedoch nicht gerade einfach; die Dachschale wiegt gut 25 Kilo und muss zudem schiebend nach oben gedrückt werden, bevor die Seitenwände einrasten. "Dafür kam das Dach immer ohne Fixierung aus. Der Deckel ist so schwer, der liegt einfach satt auf. Und gut", schmunzelt Tischer.
Einzig zwischen dem Führerhaus und der Kabine klafft ein Spalt: "Hier hat uns der Rost einen Streich gespielt", berichtet der Firmenchef. "Konstruiert haben wir die Kabine ursprünglich auf einer T1-Pritsche. Nur war es eben so, dass der Bulli das Zeitliche gesegnet hatte, als die Kabine endlich fertig war. Und als wir uns dann den T2 zugelegt hatten, erkannten wir, dass die Ladefläche ein Stück länger ist. Der Spalt ist aber perfekt geeignet, um den Grill und die Holzkohle zu transportieren. Die Klappstühle oder der Tisch reisten dann im Tresor mit", meint Peter Tischer, während er die seitliche Klappe ins Tiefgeschoss des VW öffnet.
Im Spätsommer 2018 stand der wiederbelebte Jubilar unversehens im Rampenlicht. Mit seiner Kabine und den 32 Prilblumen war er der Star auf dem Tischer-Stand des Caravan Salons in Düsseldorf. "Als wir nach dem Bulli auch die Kabine wieder in perfektem Zustand hatten, konnten wir das Duo endlich präsentieren", freut sich Peter Tischer, während er den Oldie nach einer ausgedehnten Fahrt mit geübter Hand wieder zurück auf das Werksgelände dirigiert. "In Düsseldorf war sozusagen die offizielle Premiere – und die Resonanz war wirklich gewaltig."
Das lag sicher auch am passend dekorierten Messestand: "Unter dem Motto ‚Pick-up the dream‘ konnten sich die Messebesucher in die 1970er Jahre zurückversetzen lassen, unser Stand in Halle 12 war somit fast ein bisschen wie eine Zeitmaschine", schmunzelt Peter Tischer, während er versonnen über die Flanke der Kabine streichelt. Und dann wird er plötzlich etwas ernst: "Ich hab selbst viel erlebt mit dieser Kabine und war auch viel mit ihr unterwegs. Da stecken jede Menge Emotionen drin", meint er nachdenklich. "Das ist mehr als nur Reisen oder Camping. Das ist Geschichte. Unsere Geschichte", erklärt er stolz. Schön, dass die so lebendig ist. In diesem Sinne: Alles Gute zum Geburtstag!