So verhindern Sie Pendeln und Schlingern

Anhänger und ihre Fahrphysik folgen besonderen Gesetzen. Jeder hat schon mal vom berüchtigten Pendeln oder Schlingern gehört. Doch woher kommt es? Und was hilft dagegen? Wir erklären es.
Auf einer Bergab-Etappe der Autobahn setzt das Gespann zum Überholen eines Lkw an. In den Luftverwirbelungen neben dem Lastzug beginnt der Caravan unruhig zu werden, tänzelt, schaukelt, beginnt zu pendeln. Ein Effekt, der sich beim Passieren des Fahrerhauses noch verstärkt. Verzweifelt beschleunigt die FahrerIn, um den Laster hintersich zu lassen, versuchtgegenzulenken. Zu spät: Vier, fünf Mal schwingt der Caravan immer weiter von links nach rechts und zurück, bevor er zuletzt mit der Seite in die Leitplanke kracht.
Anhänger sind Pendel
Außer einem demolierten Wohnwagen gab es in diesem Szenario glücklicherweise keine nennenswerten Schäden. Unfallursache war das gefährliche Aufschaukeln, Pendeln oder auch Schlingern genannt. Doch woher kommt diese kritische Eigendynamik von Anhängern, und was kann man dagegen tun?
Stark vereinfacht verhält sich ein gezogener Anhänger – übrigens können auch Tandemachser betroffen sein – wie das Pendel einer Kuckucksuhr: Einmal angeregt, würde es im luftleeren Raum ohne Lagerreibung quasi unendlich lange hin- und herschwingen.
Damit Uhren in unseren Wohnzimmern nicht stehen bleiben, genügt eine minimale wechselseitig wirkende Kraft, um Luftwiderstand und Reibung zu überwinden und das gleichförmige Pendeln zu erhalten. Während bei Uhren das gleichmäßige Pendeln die Ganggenauigkeit sichert, ist es bei Anhängern unerwünscht. Denn im Gegensatz zu unserer Uhr verstärkt sich mit dem Maß des Pendelausschlags die einwirkende Rückstellkraft gleich mehrfach.
Speziell bei Caravans mit ihren großflächigen Seitenwänden und langen Überhängen setzt sich die Rückstellkraft aus der Seitenkraftkomponente des Reifens, die versucht, den Anhänger wieder hinter das Zugfahrzeug zurückzuführen, und der des Luftdrucks, der ebenso verstärkt auf die im Pendelfall schräg stehende Seitenwand drückt, zusammen.
Ist die anregende Energie nun größer als die bremsenden Reibeffekte um den Drehpunkt herum, wird das Pendeln zunehmen – so lange, bis die Reifen keine weitere Seitenkraft mehr übertragen können und bestenfalls wegrutschen: Das Gespann kommt ins Schleudern. Rutschen die Reifen nicht, kippt der Anhänger um – meist mit verhängnisvolleren Folgen.
Was aber können wir dagegen unternehmen?
Betrachten wir’s physikalisch: In jedem Pendeln steckt Energie. Je länger und schwerer das Pendel oder auch je weiter es ausschwingt, desto mehr Energie ist vorhanden. Und die gilt es zu bändigen.
Die kritische Geschwindigkeit
In der Regel sollte ein durch einen Querimpuls im unteren Geschwindigkeitsbereich initiiertes Auspendeln des Anhängers von ganz alleine wieder abklingen – je rascher dies erfolgt, desto fahrstabiler und fahrsicherer fährt sich ein Gespann. Mit steigendem Tempo – das kann unter Umständen bereits bei Tempo 80 der Fall sein – wird schließlich der Bereich der kritischen Geschwindigkeit (vkrit) erreicht, in dem die Pendelschwingungen nicht mehr von alleine abklingen.
Diese kritische Geschwindigkeit ist direkt abhängig unter anderem von der Aufbauform des Anhängers, seiner Lastverteilung, der Stützlast, seiner Masse, der Deichsellänge und natürlich auch vom Überhang, der Achssteifigkeit und der Masse des Zugfahrzeugs.
Grundsätzlich gilt, dass eine im Vergleich zum Anhänger hohe Zugfahrzeugmasse, eine möglichsthohe Stützlast und ein kurzer Hecküberhang am ziehenden Fahrzeug die kritische Geschwindigkeit nach oben aus dem zulässigen Bereich herausschieben. Am Anhänger selbst haben ein tiefer, über der Achse sitzender Lastschwerpunkt sowie etwa die Verwendung einer Tandemachse ebenso positive, sicherheitsbringende Effekte. Die kritische Geschwindigkeit selbst ist durch konstantes, weder zu- noch abnehmendes Schlingern über den gesamten Messzeitraum definiert.
Das hilft gegen Pendeln
Gerät der Anhänger deutlich im überkritischen Geschwindigkeitsbereich ins Pendeln, hilft nur noch eins: Bremsen! Und zwar beherzt. Je schneller das Fahrzeug den instabilen überkritischen Geschwindigkeitsbereich verlässt, desto besser.
Doch es gibt Möglichkeiten, bereits vor Fahrtantritt die kritische Geschwindigkeit zu beeinflussen. Angesetzt werden kann an drei Punkten. Erstens: wirksame Pendellänge verkürzen – das bedeutet, das Gewicht keinesfalls im Heck des Hängers, sondern möglichst nach vorn, tief und unter Einhaltung der Stützlast nahe der Achse verstauen.
Die zweite Empfehlung lautet: Gewicht reduzieren, also schwere Dinge werden möglichst im Zugfahrzeug statt im Anhänger transportiert, und drittens: die Fahrgeschwindigkeit anpassen. Auch dadurch werden die Kräfte, die den Hänger zum Schwingen bringen können, deutlich reduziert.
Maßnahmen zur Schwingungsdämpfung
Über die bereits oben erwähnten Maßnahmen hinaus helfen diverse mechanische Geräte, die eingeleitete Energie zu vernichten. Das können hydraulische Stoßdämpfer an der oder den Achsen sein. Sie dämpfen neben den Vertikalbewegungen das Wanken des Anhängers und reduzieren so auch die Pendelneigung.
Gleiches gilt für Anhängersicherheitskupplungen mit integrierten Reibbelägen, wie etwa die Alko AKS 3004, Winterhoff WS 3000 oder Knott KS 25. Ihre Reibbeläge werden beim Schließen der Sicherheitskupplung an den (ungefetteten, entlackten!) Kugelkopf angepresst und nehmen durch Reibarbeit bei Relativbewegungen zwischen Zugfahrzeug und Anhänger bis zu bestimmten Grenzen Energie auf.
Und weiter? Jetzt ist konventionelle Mechanik am Ende. Mehr Sicherheit lässt sich nur noch durch den kombinierten Einsatz intelligenter Elektronik mit standfester Fahrwerks- und Bremstechnologie erreichen.
ESP mit und ohne Anhängerüberwachung
Die in vielen Autos bereits in den elektronischen Fahrdynamikregler ESP integrierte Anhängerüberwachung, die bei Werksanhängervorrichtungen an Bord ist, bei nachträglicher Montage einer Anhängerkupplung aber nicht immer aktiviert werden kann, sorgt durch kontrollierte Bremseingriffe für eine zielgerichtete und schnelle Stabilisierung pendelnder Anhänger.
Ist der Anhänger angekuppelt und die elektrische Verbindung hergestellt, wacht die vorhandene ESP-Sensorik auch über die Bewegungen des Trailers. Dessen Schwingungen übertragen sich über die Anhängerkupplung auf das ziehende Fahrzeug. Registriert der Gierratensensor des ESP Pendelbewegungen, obwohl der Fahrer das Lenkrad stur geradeaus hält, schließt das System auf einen schlingernden Anhänger und greift ein.
Während frühe Zugfahrzeug-ESP-Systeme durch Verzögern aller Räder das Gespann aus der Gefahrenzone führten, konnte das bei Mercedes TSA (Trailer Stability Assist) genannte System den Anhänger mit kurzen wechselseitigen Bremseingriffen an den Vorderrädern stabilisieren.
Mit diesen kurzen Bremsungen werden am Zugwagen Momente erzeugt, die exakt den Bewegungen des Anhängers entgegenwirken. So wird erreicht, dass sich das Gespann stabilisiert, ohne dass die Geschwindigkeit nennenswert abfällt und ohne dass sich daraus eine Gefahr für nachfolgende Fahrzeuge ableiten lässt. Dieses System hat sich inzwischen herstellerübergreifend etabliert.
Auch Hersteller von Anhängerchassis haben sich des Problems angenommen und eigene elektronische Stabilisierungssysteme entwickelt. Zu diesen zählen die Alko Trailer Control (ATC), das ETS Plus von Knott und das Leas von BL-Trading.