Nicht nur was fürs Auge

Wer sich breitbeinig aufstellt, den haut so schnell nichts um. Spurverbreiterungen an Reisemobilen können einen ähnlichen Effekt haben.
Distanzscheiben werden zwischen Radträger und Rad geschraubt. Sie verbreitern die Spur und erhöhen damit die Sicherheit von Wohnmobilen. Außerdem optimieren sie oftmals auch die Optik des Reisemobils.
Mehr Fahrstabilität, geringere Seitenneigung und besseren Geradeauslauf versprechen die Vertreiber. Die Federung soll vom längeren Hebelarm profitieren und sanfter arbeiten. Dass ein breiter aufgestelltes Reisemobil auch deutlich besser aussieht, ist dann allenfalls noch ein willkommener Nebeneffekt.
Vorteile von Distanzscheiben
Distanzscheiben sind vergleichsweise günstig. Je nach verwendetem Material – Stahl oder Aluminium – bewegt sich die Preisspanne beispielsweise beim Ducato in der am häufigsten verwendeten 30-Millimeter-Stärke zwischen rund 150 und 200 Euro pro Paar. Mit etwas handwerklichem Geschick und einem Drehmomentschlüssel ist die Montage in Eigenregie machbar.
Vor- und Nachteile der Spurverbreiterung werden oft kontrovers diskutiert. Entscheidend bei der Betrachtung der Effekte ist der Schwerpunkt des Fahrzeugs. Je höher der liegt, desto stärker ist die Auslenkung des Aufbaus durch die Fliehkräfte bei Kurvenfahrt oder Seitenwind, das sogenannte Wanken. Durch eine breitere Spur ändert sich zwar nicht die Schwerpunktlage, der Abstand zwischen Schwerpunkt und den Kontaktpunkten zur Straße jedoch wächst und damit der wirksame Hebelarm.
Ein Fahrzeug kippt im Extremfall dann um, wenn die Auslenkung des Schwerpunktes so stark ist, dass er sich über den Aufstandspunkt hinaus bewegt. Kleinere Störeinflüsse wirken sich im Umkehrschluss um so geringer aus, je größer die Distanz zwischen Schwer- und Aufstandspunkt ist.
Der Kontakt zur Straße ist das eine, das andere sind die Verbindungspunkte des Fahrzeugrahmens mit der Achse, die sich durch eine breitere Spur ja nicht ändern. Da die Verbindung zwischen Rahmen und Achse oder Achsschenkel bei Einzelradaufhängung nicht starr, sondern durch die Federung in Maßen beweglich ausgeführt ist, sind hier letztlich zwei Systeme am Werk, die sich gegenseitig überlagern. Darum sind klare Voraussagen zur Wirkung einer Spurverbreiterung im konkreten Fall schwer zu treffen, was den kontroversen Diskurs zum Thema ein Stück weit erklärt.
Tiefrahmen für bessere Fahrstabilität
Die beste Ausgangssituation in Sachen Schwerpunktauslenkung und damit Fahrstabilität ist, wenn der Aufbau möglichst tief sitzt, der Rahmen sich breit auf der Achse abstützt und auf einer großzügigen Spurweite rollt. Das macht sich der Tiefrahmen der Firma Alko zunutze. "Im Verhältnis zum Original-Leiterrahmen beim Fiat Ducato montieren wir unser Chassis bis zu 220 Millimeter tiefer am Triebkopf des Basisfahrzeugs", sagt Michael Duckek, Verantwortlicher für Alkos Kundendienstcenter Süd. "Mit der Rahmenabsenkung rückt der Schwerpunkt ein ganzes Stück tiefer."
In Sachen Hinterachsspurweite lässt Alko den Aufbauherstellern innerhalb gewisser Grenzen freie Wahl. Beim Ducato beispielsweise mit seinem Originalwert von 1.790 mm variiert sie zwischen 1.717 und 2.100 mm. "Im Verhältnis zur Spurweite passen wir auch die Rahmenbreite an, also die Abstände zwischen den beiden Längsholmen, auf denen der Aufbau ruht", präzisiert Duckek. "Insgesamt erhöht all daszusammen die Fahrstabilität spürbar." Eine Aussage, die unsere Erfahrungswerte und der bald dreißigjährige Markterfolg dieses Chassiskonzepts klar untermauern.
Während der Stabilitätsgewinn beim breitspurigen Alko-Chassis durch die Schwerpunktsenkung relativ deutlich ausfällt, ist der Einfluss von Distanzscheiben geringer. "Die häufig genannten Wirkungen stimmen in der Theorie zwar, sind aber eher theoretischer Natur", sagt Michael Berberich, Entwicklungsleiter beim Fahrwerksspezialisten Goldschmitt. "Im Vergleich zum Stabilitätsplus durch den Alko-Tiefrahmen sind die Effekte eher marginal."
Liegen die Spurweiten an Vorder- und Hinterachse zu weit auseinander, könne das sogar zu Unruhen führen, besonders bei Spurrillen, die sich dann unterschiedlich auf die Achsen auswirkten. Bedenken, die höheren Kräfte durch die verlängerten Hebel der Distanzscheiben könnten zu erhöhtem Verschleiß an Fahrwerk und Lenkung führen, zerstreut der Fachmann: "In aller Regel treten keine Schäden auf, die Bauteile sind ab Werk ausreichend dimensioniert."
"An Grenzen kann man allerdings bei einer Auflastung stoßen", ergänzt Marc Guckenhan, bei Goldschmitt ebenfalls in der Entwicklung tätig: "Wenn dann die Radlasten steigen, muss man mit solchen Scheiben unter Umständen aufpassen, dass der Hebel nicht zu groß wird. Zwar sind immer hohe Reserven eingebaut, gewisse Grenzwerte dürfen aber nicht unterschritten werden."
Marc Berneburg, Kopf hinter dem Online-Felgenhändler Ramto, bestätigt den höheren Stress fürs Material: "Tatsächlich steigen die Belastungen mit der Verbreiterung an allen Bauteilen. Ich habe es jedoch noch nie erlebt, dass der Verschleiß dadurch nennenswert gestiegen wäre."
Zudem lägen den Distanzscheiben Teilegutachten über entsprechende Festigkeitsuntersuchungen an den Fahrwerken bei, auch die Materialtauglichkeit werde dort nachgewiesen. Dieses Teilegutachten muss der Prüforganisation vorgelegt werden, um die nötige Eintragung in die Fahrzeugpapiere zu erhalten.
Auch Berneburg verweist darauf, dass die Spurweiten vorn und hinten nicht zu stark differieren sollten. "In vielen Teilegutachten steht, dass Distanzscheiben auf der Vorderachse nur in Kombination mit entsprechenden Pendants auf der Hinterachse verwendet werden dürfen. Damit will man vermeiden, dass die vordere Spur breiter wird als hinten, was fahrdynamisch problematisch ist." Wer die Vorderachse optisch der ab Werk schon breiteren Hinterachse angleichen möchte, sollte deshalb vorab mit dem Sachverständigen die Eintragbarkeit prüfen.
Wie wirkt sich eine Spurverbreiterung per Distanzscheibe nun aufs Fahrverhalten aus?
Kommt drauf an, muss leider die Antwort lauten. Bevor man sich die Scheiben also auf Verdacht ans Mobil schraubt, sollte man sich zuvor von Fachleuten beraten lassen. "Fahrwerksprobleme werden von verschiedenen Fahrern oft völlig unterschiedlich wahrgenommen", sagt Marc Guckenhan. "In unseren Servicestützpunkten wird erst mal eine Probefahrt gemacht. Danach kann man Problemen ganz zielgerichtet auf den Grund gehen."
Distanzscheiben und Anbieter
Am häufigsten werden für den Fiat Ducato und die baugleichen Citroën Jumper und Peugeot Boxer Distanzscheiben in 30-Millimeter-Stärke verwendet, weshalb die meisten Hersteller auch keine anderen Maße anbieten. Von den Firmen in unserer Aufstellung bietet nur SCC Fahrzeugtechnik noch diverse weitere Maße an. Als Light-Version mit 15-Zoll-Felgen benötigt der Fiat Ducato Distanzscheiben für Lochkreis 5 x 118, als Maxi-Version mit 16-Zoll-Felgen für den Lochkreis 5 x 130. Goldschmitt hat für die Befestigung der Felgen am Lochkreis des jeweils anderen Modells auch Adapterplatten in 30-Millimeter-Stärke für 250 Euro das Paar im Angebot.
Caravantechnik
- Lochkreis 5x118: Aluminium, 169 Euro pro Paar
- Lochkreis 5x130: Aluminium, 169 Euro pro Paar
Goldschmitt
- Lochkreis 5x118: Aluminium, 215 Euro pro Paar
- Lochkreis 5x130: Aluminium, 215 Euro pro Paar
Ramto
- Lochkreis 5x118: Stahl oder Aluminium, ab 139 Euro pro Paar
- Lochkreis 5x130: Stahl oder Aluminium, ab 149 Euro pro Paar
Reimo
- Lochkreis 5x118: Aluminium, ab 191 Euro pro Paar
- Lochkreis 5x130: Aluminium, ab 191 Euro pro Paar
SCC Fahrzeugtechnik
- Lochkreis 5x118: Aluminium, 130 Euro pro Paar
- Lochkreis 5x130: Aluminium, 180 Euro pro Paar