Durchgeboxstert
Der Porsche Boxster hat einen wahren Siegeszug gefeiert. Und das trotz eines – unter sportlichen Gesichtspunkten betrachtet – eher durchwachsenen Einstands
Da haben wir es doch: Auch die sonst so performancehungrige Porsche-Kundschaft steht gelegentlich auf Nettigkeiten. Der Beweis? Die exzellenten Verkaufszahlen des Porsche Boxster. Wenn es beim Porsche fahren sonst um mühsam kultiviertes Testosteron geht, um das kraftstrotzende Reinhalten und Vollstrecken, um ein blutiges Sparring mit der Power-Sau, ums Verprügeltwerden vom legendärsten Sechszylinder-Boxer aller Zeiten (egal ob nun luft- oder wassergekühlt...) – dann ist der Boxster weitaus femininer, zierlicher, graziler. Und wir reden hier nicht nur von seiner schlanken Linie. Definitiv nicht.
Während ein Neunelfer immer aus der prickelnd-kranken Balance des Heckmotors lebt, strahlt der Boxster nichts als die reine Eleganz des Mittelmotorprinzips aus. Da haben wir also den 911-Krafthammer, der bärbeißig aus der Hüfte schiebt. Und auf der anderen Seite die Boxster-Ballerina – federleicht, ausgeglichen, anmutig.
Wer den Boxster nun aber in die Mädchen-Ecke schiebt, hat nichts begriffen: Genau genommen hat schließlich James Dean die ganze Boxster-Nummer durchbeschleunigt, das Bild mit der lässigen Sonnenbrille und dem silbernen 550 Spyder ist uns allen ins Gedächtnis gebrannt. Und vor allem die Mädels erliegen dem jungenhaften Charme des schlanken Mittelmotor-Roadsters.
Um es auf einen kurzen Nenner zu bringen: Der Elfer ist die raue Legende für den einsamen Wolf, der Boxster die sexy Maschine für das Leben zwischen Sommerwiese und Grenzbereich.
Und ganz nebenbei: Offen hat der Neun- elfer in Sachen Street Credibility sowieso nichts zu melden. Er ist ein Cabrio. Der Boxster hingegen ein Roadster. Da kehrt sich die geschlechterspezifische Einordnung sowieso um. Denn Cabrio. sind etwas für Leute, die schnell frieren und empfindliche Frisuren haben, Roadster wiederum gehen geradewegs ins Herz der Windgesichter. Mehr muss man hier zu diesem Thema jetzt nicht sagen.
All diese Charaktermerkmale hat der erste Porsche Boxster bei seinem Erscheinen im Jahr 1997 allerdings nur erahnen lassen. Im Rückblick kommt man dem 97er-Boxster wohl nur mit einem Urteil nahe: Er ist ein ebenso großer, wie reifungsfähiger Wurf.
Für einen wirklich scharfen Roadster war der Ur-Boxster zu sehr mit Kompromissen behaftet, zu kultiviert und vor allem zu leistungsschwach. Sein 204 PS starker, zweieinhalb Liter großer Sechszylinder war kein souveräner Gegner für das ausgewachsene Leergewicht von 1325 Kilogramm. Zwar konnte der neu konstruierte kleine Boxer durch perfekte Laufruhe und eine beinahe überlegen gleichmäßige Leistungskurve auftrumpfen. In allen sportrelevanten Disziplinen musste sich die motorische Zukunftshoffnung aber enttäuschende Dinge nachsagen lassen.
So stellt der sport auto-Supertest in Ausgabe 4/1997 nüchtern fest, dass „die 204 PS angesichts des technischen Aufwands keine sonderlich beeindruckende Ausbeute“ darstellen. Und: „Der Vierventiler outet sich weder als Drehzahlwunder noch als Kraftprotz in der Durchzugsdisziplin.“
Ein beinahe vernichtendes Urteil fällt folgender Absatz: „Dass der niedrig drehende Motor Mühe mit der Fahrzeugmasse hat, spürt der Kenner im Ansatz. Die leichte Anfahrschwäche lässt sich mit Hilfe der leichtgängigen Kupplung noch kaschieren. Die Durchzugswerte sind aber nicht anders zu interpretieren: Dem Boxster fehlt es an Biss und Durchzugskraft.“
Schon bald scheint aber das Essenziell-Muntere des Mittelmotor-Systems durch. Besonders bei den Handling-Prüfungen legt der Boxster ein gutes Wort in eigener Sache ein. Er unterstützt im Supertest die „fahrdynamischen Aspekte durch seine ausgewiesene Agilität“.
Im Slalom nähert sich der Boxster dem etwas kleineren und wesentlich stärkeren 911 Cabrio bis auf 0,7 Sekunden, den „ gefürchteten Ausweichtest absolviert der Boxster sogar mit einem atemberaubenden Tempo von 138 km/h und damit schneller als der Carrera (136 km/h).“
Doch die nächste Einschränkung folgt bereits. „Seine begeisternde Handlichkeit – kombiniert mit einem gut kontrollierbaren Grenzbereich – kann der Boxster nur bis ungefähr 150 km/h vorführen. In den Geschwindigkeitsbereichen darüber verschwimmt das glasklare Bild vom messerscharfen Linien-Jäger.“
Hier wird die Fahrt zur wenig lustvollen Herausforderung: „Die sensible Lenkung verstärkt bei hohem Tempo auf der Rennstrecke die Boxster-Eigenart, um die Hochachse zu tänzeln.“ Und als Credo meldet sport auto-Redakteur Horst von Saurma illusionslos: „ Der Boxster gerät gegenüber dem Carrera klar ins Hintertreffen, was ursächlich nichts mit der geringeren Leistung zu tun hat. Im Lastenheft des Boxster steht folgerichtig vermerkt: Zum Rennfahren nicht geschaffen!“
Befreit von diesem Leistungsdruck kann der Porsche Boxster dann sein eigentliches emotionales Potenzial ausspielen. Er holt sich seine Fans nicht im Lager der beinharten Pisten-Fexe, sondern unter den hemmungslosen Hedonisten: Die zeitlos gelungene Karosserie knüpft ein schwingendes Band in die Vergangenheit, hin zu den grazilen Fahrmaschinen der Porsche-Vergangenheit, der linear antretende Motor wirkt für Einsteiger kräftig genug, und die frei konsumierbare Low-Speed-Handlichkeit taugt wie die Faust aufs Auge zu den unverkrampften Ansprüchen der Fahrspaß-Kundschaft.
Jenseits der 150 km/h will hier eh niemand mehr spüren, wie es einem die feuerfesten Socken auf Bodenwellen selbsttätig hinunterkrempelt, darunter ist der Boxster mit gewaltiger Emotion in seinem Element
DER Boxster im Supertest
„Dem Boxster fehlt es an Biss und Durchzugskraft... Er ist kein Rennwagen und wird es auch nicht werden. Wer hochgeschraubte Leistungsansprüche an den Mittelklasse-Sportler stellt, wird enttäuscht werden.“
Was uns aufgefallen ist
Lifestyle kann auch stillos sein – Die Material- und Formenmixtur im Boxster-Cockpit ist nicht jedermanns Geschmack, über die sicht- und fühlbare Qualität kann demnach auch hervorragend gestritten werden. Ebenso zwiespältig ist das digitale Mäusekino, das den analogen Tachometer in Sachen Anzeige-genauigkeit unterstützen soll.
Roadster wollen offen gefahren werden – Nur so hören Fahrer und Beifahrer das exquisite Sechszylinder-Konzert aus dem Motorenabteil: Fauchen, Sägen, Raspeln – und das mit wunderbar heiserer Klangnote. Sobald allerdings das Dach drauf ist, bleibt vom Boxer-Sound nur noch ein hochfrequentes Pfeifen. Das unter Umständen sogar et-was nerven kann.
Funktion folgt Form – Und das muss in diesem Fall kein Vorwurf sein. Immerhin ist der Mittelmotor-Roadster eine derart spezielle Konstruktion, dass man sich als Boxster-Fan eben mit den Besonderheiten arrangieren muss. Als da wären: zwei Kofferräume – einer vorn, einer hinten. Und obendrein mit sehr skurriler Formgebung. Besonders das vordere Staufach ist relativ geräumig, mit seiner überraschend tiefen Ausbuchtung aber sehr speziell zu beladen. Irgendwie wundert man sich aber trotzdem immer wieder, was alles reinpasst. Ebenso eigen ist der vollständig verkapselte Motor: Lediglich ein Öleinfüllstutzen und Ölmesstab deuten auf den Motor hin. Wer die Maschine sehen will, muss die verschraubte Service-Luke öffnen.
Im Rückblick lieber als S – Traurig, das sagen zu müssen: Jetzt, wo wir die Boxster-Geschichte kennen, ist das 1999 erschienene, stärkere S-Modell wesentlich empfehlenswerter. Ehr- lich gesagt müsste ein Standard-Boxster von 1997 bis 1999 schon zu einem sehr attraktiven Preis verkauft werden, um zum ersten Objekt der Begierde zu werden. Besser ist auch der 2,7-Liter-Boxs-ter ab 2000.