Kompakt ist die Zukunft
Nach vielen Stationen in der Campingbranche machte sich der Designer Swen Dluzak als Händler selbstständig. Bald kam die eigene Marke Rocket Camper dazu. promobil führt Gespräch mit ihm ein Gespräch über heute und morgen und die Zukunft des Wohnmobils.
Herr Dluzak, ich habe mir letztens eine neue Gitarre gekauft, der Laden hat mir null Euro Nachlass oder irgendwas obendrauf gegeben. Verstehen Sie das?
Warum sollte er auch? Nachlässe bedeuten doch, dass ich vorher einkalkuliere, was ich offensichtlich nicht benötige. Das finde ich unaufrichtig dem Kunden gegenüber. Wer auf seinen fairen Lohn verzichtet, befindet sich in einer Notlage oder er setzt auf Massenware bei geringem Service. Beides ist nicht gut für die Kunden. Unsere Rockets sind Manufakturprodukte. Unser Ziel war es, hochwertige, robuste und funktionale Fahrzeuge zu kreieren, in denen man sich wohlfühlt. Die Akzeptanz eines höheren Preises ist Wertschätzung für unsere Arbeit. Klar, die Leute sehen, was für Preise bei anderen Herstellern möglich sind. Da drängen Firmen in Segmente ein, zu denen sie keinerlei Leidenschaft mitbringen, und das funktioniert dann nicht im Alltag, nur günstig bringt den Kunden auch nichts.
Sind die guten Verkaufszahlen von Kastenwagen ein Hype oder geht das weiter?
Der kompakte Camper ist die Zukunft. Die Kunden wollen agile und kompakte Fahrzeuge. Das ermöglicht die Nutzung des Fahrzeugs für Alltag und Freizeit. Kompakte Fahrzeuge sind ressourcenschonender. Sie wiegen weniger und haben einen deutlich besseren Luftwiderstand. Das hilft Kraftstoff zu sparen und reduziert den Schadstoffausstoß. Elektroantriebe benötigen schwere Batterien. Dieses Mehrgewicht muss an anderer Stelle eingespart werden. Der Camper der Zukunft muss nachhaltiger werden und in das ökologisch-soziale Bild passen. Dafür braucht es Lösungen.
Hat das Reisen in dieser Form damit überhaupt noch eine Zukunft?
Ja, das steckt in uns Menschen, das Nomadentum ist uns immer noch mitgegeben. Wir können doch gar nicht anders, als unsere Welt zu erkunden.
Kommen wir also wieder zu den Lösungen für die Zukunft.
Wenn man sehr kompakt baut, braucht man erweiterbare Räume. Wo man das schön sieht, ist beim Trend zum Dachzelt. Kleine Autos, urbane Flitzer, oft nicht schnell, und dann das Schlafzimmer aus Stoff auf dem Dach. Ein flaches Auto mit Dachkabine habe ich schon vor Jahren gebaut. Da gibt es dann auch einen Durchgang von innen hoch in die Koje.
Sie sprechen das Dachzelt an. Müssen wir frieren in Zukunft?
Textilien haben noch ein riesiges Potenzial. Sie sind faltbar und leicht, was für die E-Mobilität eine Voraussetzung ist. Und haben so ein kleines Packmaß. Bereits seit 2016 erforscht man, ob Module für die Raumstation ISS auch aus Textil gefertigt werden können. Oder denken Sie an den mehrlagigen Schutzschild des neuen James-Webb-Teleskops. In der Campingwelt sind Luftzelte schon weit verbreitet und erste Ideen mit Wänden aus textilen Isolierkammern sogar schon zu kaufen. Auch die ganze Outdoorbekleidung kann Inspiration sein. Ein atmungsaktiver Van wäre doch eine schöne Sache.
Sie arbeiten seit Langem als Fahrzeugentwickler und das auch in unserer Branche. Sie waren beim IDC, dem Hymer Innovation und Design Center, das Sie später auch geleitet haben. Dort hatten Sie auch viel mit Erwin Hymer zu tun, wie hat er sie geprägt?
Er hatte eine integrative Denke. Er hat die Kreativität und das Unternehmertum zusammengebracht. Wenn wir Showcars gebaut haben, fragte er: Wie kann man das später in Serie bauen? Und wir: Das ist zunächst mal eine Idee, Herr Hymer. Und er: Was bringt es dann? Aber auch konstruktiv hat er uns immer angetrieben. Wenn man es mal geschafft hatte, eine konstruktive Lösung zu finden, die ihm gefiel, war seine nächste Frage: Geht das nicht auch noch einfacher? Sein Unternehmergeist war auch schon immer nachhaltig. Beispiel: Ist irgendwo Beschnitt angefallen, hat er gefragt: Was machen wir jetzt mit dem Brettle, kann man das irgendwo gebrauchen?
Die Hymer AG hat mit dem Vanlife Vision Venture letztens ein sehr futuristisches Showcar gezeigt. Wie fanden Sie das?
Ein gutes Beispiel. Schöne Ideen, aber Erwin Hymer hätte gefragt, warum man die Fenster mit der modernen Form nicht öffnen kann, sie nicht isoliert sind, keine Verdunklung und Insektenschutz vorhanden sind, warum das Fahrzeug nur zwei Sitze hat und keinen großen Stauraum und wie denn das mit der Dusche gehen soll. Sprich: So ein Showcar ist wichtig, richtig und toll, am Ende ist die Praktikabilität trotzdem entscheidend.
Wie geht das zusammen?
Man braucht beides, einerseits kreatives Spinnen und auf der anderen Seite handfeste Entwicklungsarbeit in der Realität. Bei Rocket Camper entstehen die neuen Ideen aus der eigenen Nutzung unserer Fahrzeuge und den täglichen Kundengesprächen im Handelsbetrieb. Daneben haben wir aber auch aktuell ein Projekt mit der Hochschule Reutlingen im Fachbereich Automotive Interiordesign am Laufen. Junge, kreative Menschen arbeiten hier gerade an ihren Ideen zum Campervan der Zukunft. Dabei entstehen gerade sehr spannende Sachen.
Sie haben ein selbst entwickeltes Aufstelldach auf Ihren Vans. Und das als vermeintlich kleiner Ausbauer. Warum? Und wie ist das gelungen?
Mit Aufstelldächern beschäftige ich mich schon seit 20 Jahren. Auch hier habe ich die ersten Kniffe von Herrn Hymer gelernt. In der Zeit im Hymer IDC haben wir den Eriba Touring mehrfach neugestaltet. Auch das aktuelle Dach dieser Caravan-Legende haben wir seinerzeit konstruiert. Das Aufstelldach ist der Schlüssel dazu, Kastenwagen auch familientauglich zu machen, und ein absoluter Trend. Als wir mit der Entwicklung unseres eigenen Daches begannen, gab es eigentlich nur ein, zwei Hersteller, die derartige Dächer im Angebot hatten, und auf die musste man monatelang warten. Ich wollte ein leichteres Dach, stabil und multifunktional sollte es sein. Zusammen mit Partnern haben wir uns dann einfach daran gewagt und ein eigenes Dach entwickelt. Heute sind wir sehr froh, Partner aus der Region gefunden zu haben. Die Transportwege sind kurz und man kann schnell mal vorbeischauen, um den Fertigungsprozess zu überwachen. Gerade die aktuellen Probleme mit den Lieferketten in unserer Branche haben uns sehr deutlich gezeigt, wie wichtig das sein kann.
Sprechen wir noch über die Marke Rocket Camper. Wie kam es dazu, diese andersartigen Vans zu bauen?
Ich war Fahrzeugentwickler bei Hymer und Smart, habe für Knaus-Tabbert gearbeitet und war in den Designprozess von Vantourer involviert. Schon länger reifte in mir der Wunsch, selbst unternehmerisch tätig zu werden. Zunächst in den mir vertrauten Themen Fahrzeugentwicklung und Design. Dann kam mir irgendwann der Gedanke, dass, wenn ich wirklich neue Produkte an den Markt bringen wollte, ich den direkten Kontakt zu den Endkunden haben musste. Mein Wissen über die Konstruktion und den Bau der Fahrzeuge müsste für Endkunden sehr nützlich sein und für mich war der Input aus den direkten Kundengesprächen unschätzbare Inspirationsquelle für neue Fahrzeugentwicklungen.
Und so stürzte ich mich ziemlich unbedarft in das Abenteuer Wohnmobil-Händler. Ich wurde Vantourer-Händler und der Laden heißt jetzt Rocket Camper. Ideen, einen eignen Van zu bauen, habe ich natürlich schon lange und viele.
Was war die Initialzündung, dies zu verwirklichen?
Eines Tages kam Stefanie Schweizer zu mir. Sie war über einen promobil-Artikel auf uns aufmerksam geworden und hatte Ideen zu einem neuartigen Grundriss, der es endlich ermöglichte, auch mit fünf Personen im Kastenwagen unterwegs zu sein. Wir hatten bis dahin auch schon für Kunden einen fünften Sitzplatz realisiert und sahen hier tatsächlich einen Bedarf. Einige Jahre zuvor hatte ich an einem ähnlichen Layout gearbeitet. Dabei ging es aber im Wesentlichen um das wichtige Thema Modularisierung. Es war eine kongeniale Zusammenarbeit mit Stefanie. In ihr hatte ich die begeisterte Camperin gefunden, die sich mit großer Leidenschaft für ein neues Produkt einsetzte. In kurzer Zeit entstand der Rocket-One-Prototyp. Das war die Grundlage für unser patentiertes Modularisierungs-Konzept, welches es uns überhaupt erst ermöglicht, Fahrzeuge zu wettbewerbsfähigen Preisen zu bauen. Der Mehrpreis im Vergleich zu Großserien-Produkten resultiert aus den deutlich höherwertigen Materialien und besonderen Funktionalitäten, wie zum Beispiel unseren herausnehmbaren Sitzen. Und natürlich kaufen die großen Konzerne deutlich günstiger ihre Komponenten ein.
Okay, letzte Frage zu Corona: Wie erlebt ihr die Zeit?
Auch für uns ist die Situation sehr belastend. Die Ursachen für den Boom der Branche sehe ich in grundsätzlichen gesellschaftlichen Trends, weniger in Corona. Die Menschen leben immer digitaler, immer mehr in Städten, und am Wochenende wollen sie raus in die Natur, ihren Sport machen, sich bewegen. Dazu sind unsere Fahrzeuge ideale Begleiter.