Gelungenes Campingbus-Debüt mit kleinen Haken

Eine Camper-Vermietung betritt neues Terrain und drängt als Hersteller auf den Markt. Der Anspruch ist klar: Hochwertig, stylish und schnell verfügbar sollen sie sein.
Vertraut und doch irgendwie anders. So fühlt es sich an, wenn man den Großen Hannes von Hannes Camper betritt. Der Grundriss mit Längsbett im Heck unterscheidet sich kaum von anderen ausgebauten Kastenwagen der 6,4-Meter-Klasse. Allerdings wirkt der Wohnraum ungewohnt leicht und licht. Dazu trägt unter anderem die Kombination aus offenen und geschlossenen Staufächern bei. Ziel des Herstellers aus dem niedersächsischen Oberg war es, eine ähnliche Atmosphäre wie in einem Boutique-Hotel zu schaffen.
Zwar erst wenige Monate auf dem Markt, kann Hannes Camper trotzdem einiges an Erfahrung mit Campingbussen dieser Klasse vorweisen. Seit mehr als fünf Jahren ist das Unternehmen als Vermieter von Campingbussen bekannt. Nun präsentiert sich Hannes Camper erstmals auch als Hersteller und startet mit zwei Modellen. Der sechs Meter lange "Hannes" mit Quer-Doppelbett und der knapp 40 Zentimeter längere "Große Hannes", der zum promobil-Test antritt.
Großer Hannes
- Grundpreis ab: 78.900 Euro
- Länge/Breite/Höhe: 6,36/2,05/2,93 m
- Zul. GesamtgewichT: 3.500 kg
- Gurte/Schlafplätze: 4/2–4
Den Ausbau übernimmt der slowenische Hersteller Robeta, der schon seit 2018 Busse auf Citroën anbietet und jüngst sogar auf Mercedes-Basis. Technisch gleicht der Möbelbau des Testwagens damit den Robeta-Modellen. Zur Möbelherstellung wird recyceltes PET-Material verwendet, das beidseitig mit HPL-Schichtstoff bezogen wird. Somit verspricht es nicht nur sehr leicht, sondern besonders widerstandsfähig und wasserfest zu sein. Deswegen verzichtet Hannes Camper im Bad auf jegliche Duschabtrennung. Dazu später mehr.
In der Sitzgruppe überrascht der Tisch. Die Platte ist zwar ungewöhnlich dünn, dennoch stabil. Dank der Erweiterung können hier bis zu vier Personen gemeinsam frühstücken. Zum Vier-Personen-Van taugt der Große Hannes eigentlich nur dann, wenn das Aufstelldach dazu geordert wird. Es gehört zu den drei Extras, die auf der kurzen Liste der Sonderausstattung stehen. Dann wären da noch ein TV-Paket mit automatischer SAT-Antenne und 22-Zoll-TV sowie ein Solar- und Elektrikpaket.
Ewiges Wälzen langer Aufpreislisten gibt es also nicht. Da quasi jedes Fahrzeug die Produktionshalle mit derselben Konfiguration verlässt, ermöglicht das All-in-Konzept eine schnellere Fertigung und kürzere Auslieferungszeiten. Sechs Monate nach der Bestellung soll der Kunde seinen Hannes auf Basis des Citroën Jumper entgegennehmen können. Ein großes Versprechen in Zeiten, in denen andere Wartezeiten von einem Jahr und mehr aufrufen. Allerdings gibt es keine Möglichkeiten, seinen Hannes Camper zu individualisieren. Selbst die Farben der Möbelfronten und Polsterstoffe sind nicht veränderbar.
Schlafen
Das Bett im Aufstelldach ist mit Maßen von 2,0 mal 1,30 Metern für Kinder wie Erwachsene geeignet. Mit vier USB-Anschlüssen, Ablagenetzen und im Himmel integrierten Touch-LED-Spots macht das Übernachten umso mehr Spaß. Für Komfort sorgt eine zehn Zentimeter dicke Kaltschaummatratze – eine Unterfederung oder wenigstens eine Gewirkematte zur Unterlüftung fehlt allerdings.
Beim Auf- und Absteigen über die separate Leiter ist Vorsicht geboten. Wie man die teleskopierbare Aufstiegshilfe auch platziert, sie steht zu steil und droht beim Erklimmen zu kippen. Auf Anfrage von promobil versicherte Hannes Camper, dass das Sicherheitsmanko bekannt sei und die Konstrukteure in Slowenien bereits an einer geeigneten Lösung arbeiteten. Gefahrlos gelangt man dagegen in das bequeme Doppelbett im Heck des Großen Hannes. Auf der nahezu quadratischen Liegefläche hat man die Wahl, quer oder längs zu schlafen. Gedacht ist Letzteres.
Angesichts der Liegelänge von nur 1,80 Meter werden Großgewachsene allerdings so oder so nicht glücklich. Daran kann auch die raffinierte Lounge-Funktion wenig ändern. Indem ein Teil der Liegefläche aufgestellt wird, entsteht eine gemütliche Sitzmöglichkeit mit Blick nach vorn oder nach hinten. So lässt es sich mit geöffneten Hecktüren bei herrlichem Ausblick lümmeln.
Küche und Badezimmer
Wenig zu beanstanden gibt es in der Küche. Die Spüle ist groß genug, um auch mal eine Pfanne darin abzuspülen. Die mattschwarze Armatur von Grohe ist schicker als so manche zu Hause und auf dem Zweiflammkocher finden Pasta- und Soßentopf gleichzeitig Platz. Wünschenswert wäre noch eine elektrische Zündung für den Herd. Der Kompressorkühlschrank mit beidseitig angeschlagener Tür fasst 70 Liter und ist an der Stirnseite des Küchenblocks eingebaut. So ist der Inhalt von drinnen und draußen greifbar.
Lagerfähige Vorräte und Geschirr kommen in zwei großen Hängeschränken und zwei Schubladen unter. Die Besteckschublade versteckt sich hinter einer Schranktür unterhalb der Spüle. Weiterer Stauraum kommt hier zum Vorschein, der aber nur tief gebückt erreichbar ist. Schubladen wären an dieser Stelle bequemer. An Arbeitsfläche mangelt es nicht. Selbst ohne die stabile Verlängerungsplatte ist genug Platz zum Schnibbeln und Vorbereiten.
Das Bad verbirgt sich hinter einer platzsparenden Lamellen-Schiebetür. Sofort fallen das aufgesetzte Waschbecken aus Echtglas und der mattschwarze Einhebelmischer ins Auge. Für die Dusche gibt es eine separate Armatur, ebenso in Mattschwarz. Auf eine Duschabtrennung oder einen Vorhang zum Schutz der Möbel vor Spritzwasser verzichtet der Hannes. Beim Duschen wird also alles nass. Dem Material soll das zwar nicht schaden, wer aber nicht auf tropfnasse Wände steht, dem bleibt das Nachwischen nicht erspart.
Dass sich im Bad fast nur offene Ablagen finden, ist in diesem Zusammenhang auch wenig praktisch. Für Gegenstände, die nicht nass werden dürfen, gibt es lediglich ein kleines Hängeschränkchen. Unwahrscheinlich ist auch, dass das Handtuch trocken bleibt, wenn es während des Duschens auf der vorgesehenen Stange hängt. Spiegelfläche ist dagegen reichlich vorhanden. Eine Druckpumpe fördert das Wasser aus dem 112 Liter großen Frischwassertank durch die Leitungen. Äußerst komfortabel gestaltet sich die Entleerung des frostgeschützten Abwassertanks. Dank elektrischem Ventil gelingt dies per Knopfdruck im Fahrerhaus.
Technik
Die technische Ausstattung im Großen Hannes lässt ohnehin kaum Wünsche offen. USB- und 230-Volt-Steckdosen sind ausreichend vorhanden und von überall erreichbar. Ein Ladebooster ist ebenfalls an Bord. Praktisch ist der Trennschalter, mit dem sich die Bordbatterie während längerer Standzeiten vom Bordnetz abkoppeln lässt. Die dieselbetriebene Truma Combi 4 reicht aus, um den Wohnraum schnell auf Temperatur zu bringen. Gas wird somit nur zum Kochen benötigt. Entsprechend klein fällt der Gaskasten samt Crashsensor aus, der sich links im Heck befindet. Steht ein Flaschenwechsel an, müssen Lattenrost und Matratze zur Seite geräumt werden. Nur so gelangt man an die ovale Öffnung darunter, durch die die Elf-Kilo-Flasche mühsam gehievt werden muss.
Nicht optimal gelöst ist auch die Erweiterungsmöglichkeit des Heckstauraums, um beispielsweise Fahrräder transportieren zu können. Der Mittelteil des Bettrosts, der nur lose auf dem Unterbau liegt, kann zwar hochgeklappt werden, eine Arretierung gibt es aber nicht. Wenn sperriges Gepäck mitfahren soll, muss zuvor die rechte Betthälfte abgebaut werden – aber wohin damit während der Reise? Plant man, zu viert im Großen Hannes mit Aufstelldach auf Tour zu gehen, ist es jedoch schon wegen der knappen Zuladungsreserven kaum möglich, Räder mitzunehmen. Immerhin: Eine Auflastung ab Werk ist auf Anfrage möglich.
Schon bei der ersten Probefahrt fällt die angenehm zurückhaltende Akustik positiv auf. Weder Quietschen noch Knarzen ist vom Möbelbau zu hören – das spricht für eine solide Verarbeitung des Ausbaus. Trotz des Aufstelldachs bleibt der Geräuschpegel auch bei Tempo 140 so niedrig, dass Fahrer und Beifahrer sich noch entspannt unterhalten können.
Hannes Camper liefert den Citroën Jumper serienmäßig mit 165-PS-Motor und Sechsgang-Schaltgetriebe. Wer sich eine Automatik wünscht, kann auch auf den Fiat Ducato mit 180-PS-Aggregat wechseln. Dann steigt der Preis für den Großen Hannes auf 87.200 Euro und die Lieferfrist verlängert sich. Das Preisniveau ist insgesamt hoch, das Preis-Leistungs-Verhältnis dennoch gut.
Daten und Messwerte
- Auf- und Ausbau: Kastenwagen mit Blechhochdach, GfK-Aufstelldach, außen Stahl, innen textilverkleidet, Isoliermaterial Wand/Dach/Boden Armaflex EPE, Wandstärke Wand/Dach/Boden 25 mm, 6 Kunststoff-Isolierfenster mit Privacy-Verglasung und Aluminium-Rahmen, Dachfenster (Schlafen).
- Bordtechnik: Kraftstoff-Gebläseheizung/Boiler, Truma D 4, 4 Ausströmer (2 x Sitzgruppe, Heckbett, Bad), Wasseranlage: Frischwasserschläuche, Abwasserrohre, Druckpumpe.
- Basisfahrzeug: Citroën Jumper 2,2l Blue Hdi 165 Heavy/Maxi, Kastenwagen, Vorderradantrieb, Vierzylinder-Turbodiesel, Hubraum 2.179 cm3, Leistung 121 kW/165 PS bei 3.750/min, Drehmoment 370 Nm bei 1.750/min, Sechsgang-Schaltgetriebe, Anhängerkupplung.
Fahrleistungen
Beschleunigung: 0–50/80/100 km/h 5,8/12,3/20,1 sElastizität: 60–80/100 km/h (4.//5. Gang) 4,7/12,3//8,1/16,5 sTestverbrauch: 10,9 L/100 km.
Preise und Ausstattung
Grundpreis: 78.900 Euro (Citroën Jumper 35 H, Motor 121 kW/165 PS) ohne TÜV und Zulassungsbescheinigung II
Testwagenpreis: 89.450 Euro
- ✘ 165-PS-Motor/3,5 t Heavy/Maxi: ✔ Serie
- ✘ Chassispaket: Beifahrerairbag, Tempomat, Klimaanlage, LED-Tagfahrlicht u. a.: ✔ Serie
- ✘ Plus-Paket: Fliegenschutztür, Fahrerhausverdunkelung, Dieselheizung Truma Combi 4, Truma iNet X u. a.: ✔ Serie
- ✘ Naviceiver, Mediacenter & Rückfahrkamera: ✔ Serie
- ✘ Aufstelldach (95 kg): 6.900 Euro
- ✘ TV-Paket (19 kg): 2.900 Euro
- Solar- und Elektrikpaket (12 kg): 2.900 Euro
✘im Testwagen enthalten; ✔empfehlenswert
Das fiel uns auf
(+) Weniger Kunststoff, mehr Stil: Die soliden, mattschwarzen Grohe-Armaturen vermitteln ein Gefühl wie zu Hause.(+) Ein Lob verdient auch der wertige Möbelbau. Vom Spaltmaß bis zum Aufsteller – alles ist gut verarbeitet.(+) Wie vieles am Großen Hannes gehört sogar auch eine Anhängekupplung zur Serienausstattung.(+) Vorbildlich abgedichteter Toilettenschacht. Bei defekter Kassette läuft nichts in offene Ritzen.
(-) Der Lattenrost liegt nur oben auf, und um die Gasflasche darunter zu wechseln, muss alles aus dem Weg. (-) Ohne Gewirk oder Ähnliches kann sich Feuchtigkeit unter der Matratze sammeln. Eine Absturzsicherung fehlt ebenfalls.
Wertung