2 Luxus-Flaggschiffe im direkten Duell

Schiffe unter sich: Der Frachter Wilhelm Hubele trifft bei der Neckarschleuse Poppenweiler auf Hymer, Bürstner und Grabner.
Fast neun Meter lange Tandemachs-Integrierte sind praktisch die Krönung dessen, was auf Basis des frontgetriebenen Mercedes Sprinter möglich ist. Test der Flaggschiffe von Bürstner und Hymer.
Die MS Wilhelm Hubele blickt bereits auf eine bewegte, über 100-jährige Geschichte zurück. 1908 in den Niederlanden gebaut, transportiert das Frachtschiff heute vor allem Kies und Sand aus dem Elsass über Rhein und Neckar in die Region Stuttgart. Im Laufe ihres Lebens wurde die Wilhelm Hubele bereits einmal von ursprünglich 83,5 Meter auf 105 Meter verlängert, später aber wieder auf 86 Meter verkürzt.
Ganz so lang strecken sich die beiden Integrierten, die dem Binnenfrachter hier am Neckar-Ufer zufällig begegnen, natürlich nicht. Aber mit rund neun Metern Länge sind es für Reisemobilverhältnisse auch ganz schön stattliche Schiffe, die manchem Fahrer durchaus Respekt einflößen. Worin liegt ihr besonderer Reiz?
Hymer B-Klasse ML I 880
Gurt-/Schlafplätze: 4/4 Zul. Gesamtgewicht: 5500 kg Länge: 8,99 m Preis: ab 118.990 Euro
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Bürstner Elegance I 910 G
Gurt-/Schlafplätze: 4/4 Zul. Gesamtgewicht: 5500 kg Länge: 8,91 m Preis: ab 116.990 Euro
Wohnen
Üppige Platzverhältnisse sind natürlich das große Plus der Top-Modelle der beiden Marken aus der Erwin-Hymer-Group. Beide verbindet außerdem, dass es jeweils noch eine längengleiche Grundrissalternative mit Queensbett gibt. Und beide bauen auf dem Hymer.exklusiven SLC-Tiefrahmenchassis auf – der Elegance I als bislang einziges Nicht-Hymer-Modell. Trotz ähnlicher Voraussetzungen interpretieren beide Marken das Thema aber deutlich unterschiedlich.
Das wird gleich beim Eintreten klar. Während Hymer seine aus anderen Modellen der Marke bekannte L-Sitzgruppe, hier zwar mit einer relativ breiten Seitenbank gegenüber, aber im Grundzug unverändert lässt, setzt Bürstner auf eine große, trendige Längsbanksitzgruppe mit offenem Zuschnitt, die gut zwei Gäste mehr empfangen kann. Natürlich veredelt auch Hymer sein Wohnzimmer im Topmodell noch mit feinen Accessoires wie hellen, fluffigen Lederbezügen und stilvollen Lampen. Die Großzügigkeit, die die Bürstner.Sitzgruppe mit dem tafelartigen Tisch mit mittig teilbarer Platte ausstrahlt, erreicht der Hymer aber nicht. Die Möbel strahlen hier wie da mit viel Weiß und dunkelbraunen Kontrasten. Im Bürstner regiert fast überall der rechte Winkel, während sich Hymer zu mehr Rundungen hinreißen lässt.
Vorteil der Hymer.Eckbank: Der Tresen hinter der Rücklehne ist nicht nur optische Trennung zur Küche, sondern birgt darin auch einen optionalen, elegant elektrisch ausfahrenden 32-Zoll-Fernseher. Bürstner lässt sich aber auch nicht lumpen, platziert ein TV-Gerät mit gleichlanger Diagonale in Hochkant-Parkposition direkt neben dem Einstieg.
Die Bürstner. Küche lehnt ihren hervorspringenden Schenkel an die Duschwand an. Hier entspringt auch der wandständige Wasserhahn, tummeln sich ringsum Regalnischen und Fächer, eins davon mit Steckdose, passend für eine kleine Espressomaschine – und selbst die Hängeschränke erstrecken sich bis um die Ecke. Die Arbeitsfläche ist aus Mineralwerkstoff inklusive dem eingeformten Spülbecken mit guter Größe. Der Platz in der Ecke ist dank eingefräster Rinnen auch als Abtropffläche nutzbar. Den Längsteil der Küchenzeile beherrscht der Kombikocher mit zwei Gasflammen und einem Induktionskochfeld. Daneben bleibt bis zur Sitzgruppe nur noch ein schmaler Streifen, der als Abstell-, aber kaum als Arbeitsfläche genutzt werden kann. Da es auch für das Spülbecken keine Abdeckung gibt, ist das der größte Mangel der Bürstner.Kombüse.
Das macht die Hymer.Pantry deutlich besser. Zwischen Kocher und Spüle gibt es zwar auch nur wenig echte Arbeitsfläche, aber auf der bündig eingelegten Spülenabdeckung, die auf der Rückseite auch ein Schneidebrett bietet, lässt sich sehr gut arbeiten und schnippeln, zumal es noch ein zweites kleines Becken gibt, an dem man parallel Wasser zapfen oder ausgießen kann. Auch hier ist die Ecke der Mineralwerkstoffplatte als Abtropffläche ausgeführt. Der Kocher hat zwei Gas- und ein Induktionskochfeld, allerdings in etwas anderer Anordnung als im Bürstner. Die angrenzende Duschenwand dient hier lediglich als Träger zweier Haken. Ablagen für Gewürze & Co. sind Mangelware.
Hänge- und Unterschränke nebst Apothekerauszügen halten jeweils mehr als reichlich Stauraum bereit – wer will, findet auch für seinen Thermomix ein Plätzchen. Rund um die großzügigen Kühlschränke gegenüber bieten sich noch weitere Stauräume an, und wem das noch nicht reicht, bunkert die Vorräte im großen Doppelbodenfach. Aus praktischer Sicht zu kritisieren ist nur die Bürstner.Besteckschublade, die sich hinter der Frontblende der darunterliegenden Schublade versteckt. Um ans Koch- und Esswerkzeug zu gelangen, müssen stets zwei Schubladen nacheinander aufgezogen und wieder geschlossen werden.
Im Anschluss an die Küche folgt das große Raumbad, mit Duschkabine links und Toilettenraum rechts, dessen Tür auch über den Gang hinweg schließt – da sind sich beide einig. Kleiderschrank und offener Waschtisch stehen sich dagegen jeweils spiegelverkehrt vor dem Schlafzimmer gegenüber. Mehr noch als das bestimmt aber die größere Offenheit und Helligkeit im Bürstner.Bad den Raumeindruck. Dass der Waschtisch des Hymer etwas finster wirkt, ist aber teils auch dadurch bedingt, dass im Testwagen eine optionale Klimaanlage die zentrale Dachhaube ersetzt.
Beide Bäder bestechen durch viel Platz, Stauraum und Accessoires. Die Toilettenräume lassen sich jeweils auch bei geschlossener Tür gut nutzen. Der Bürstner will mit seiner neuartigen Indus-Toilette mit 50-Liter-Festtank punkten, der Hymer mit einem Fenster und Sprossenheizkörper im WC-Raum. Letzterer bewährt sich natürlich besonders bei Wintereinsätzen, etwa zum Trocknen von Handschuhen. Ähnlich praktisch ist auch die abnehmbare Kleiderstange in der Duschkabine, die im Bürstner fehlt. Dessen Duschraum ist dafür etwas größer und schicker, und der Absatz in der Bodenwanne stört hier kaum, anders als im Hymer.
Das Bürstner. Schlafzimmer ist etwas feiner und fantasievoller eingerichtet. Die Hymer.Einzelbetten überzeugen dagegen mit ihrer stattlichen Länge von 2,15 Meter – rechts wie links. Außerdem lassen sich die beiden Matratzen gut zu einer großen Liegefläche verbinden, dann kann in der Mitte noch ein Kind schlafen oder ein Paar bequem quer. Der Bürstner bietet diese Möglichkeit nicht. Ansonsten fehlt es nicht an nützlichen Accessoires, Ambiente-, wie Lesebeleuchtung, Ablagen und verschiedenen Stromanschlüssen. Eleganter sind die Hängeschränke an den Seitenwänden im Bürstner gestaltet.
Bleiben noch die Hubbetten im Fahrerhaus, die sich bei beiden elektrisch bewegen. Ungewöhnlich beim Bürstner. Ringsum spannt sich dabei kein Stoffbalg auf – als Sichtschutz ist also stets die Fahrerhaus-Faltverdunkelung vorzuziehen. Dafür gibt es Ablagen an drei Seiten. Der Hymer kontert mit zwei schubladenartigen Auszügen, die aus dem Doppelquer-, zwei Längseinzelbetten machen. Ablagen und USB-Buchsen fehlen hier allerdings.
Beladen
Die Schränke und Staufächer der beiden Lulatsche sind so zahlreich und vielfältig, dass weder für zwei- noch vierköpfige Besatzungen ein Mangel zu erwarten ist. Auf die Spitze treibt Hymer die Staukapazitäten mit gleich vier Kleiderschränken. Der erste neben dem Kühlschrank ist schmal, aber ideal, wenn man schnell mal raus und sich kurz die "Allround-Jacke" greifen will.
Im Raumbad gibt es rechts einen breiten Kleiderschrank in Augenhöhe mit Oberfach und zwei Schubladen darunter. Daneben steht noch ein schlanker, raumhoher Schrank, der mit Hilfe von Zwischenböden und Kleiderstangen ganz flexibel in Hänge- und Wäschefächer konfiguriert werden kann. Und schließlich findet sich unter dem rechten Heckbett noch ein sehr großer Kleiderschrank mit Tür und Klappdeckel. Etwas bescheidener bestückt ist da im Vergleich der Bürstner mit einem raumhohen Schrank links im Bad, mit Hängefach in Augenhöhe und Wäscheschrank darunter.
Unter dem linken Einzelbett dienen sich hier zwei Schubladen für Unterwäsche an und rechts ein Unterschrank mit zwei großen Fächern für Ersatzbettwäsche oder Strandhandtücher. So einen Unterschrank hat auch der Hymer noch, aber auf der gegenüberliegenden Seite.
Mit neun zu sechs liegt der Bürstner bei den Hängeschränken vorn. Während der Hymer eine Schuhschublade aus der Querbank ausfahren lässt, kontert der Bürstner mit einem ausklappbaren Fach für Schuhe am Einstieg plus einem Auszug für fünf Weinflaschen. Die Seitenbanktruhe rechts ist im Hymer als Staumöglichkeit nutzbar. Im Bürstner nehmen die Klappfahrsitze die Längsbanktruhen weitgehend ein. Wenn man auf sie verzichten kann, lässt man sie zu Hause und gewinnt einiges an Stauraum.
Ein Doppelbodenfach unter dem Bad und ein Durchladefach unter der Küche bieten beide. Bei den hier wie da üppigen Heckgaragen hat der Hymer mit 400 Liter mehr Volumen und 350 Kilo Nutzlast, mehr Zurrschienen und optionaler Bodenheizung die Nase vorn.
Die Zuladung insgesamt ist mit rund 600 Kilo okay, aber auch nicht so üppig, wie man es sich vielleicht von einem 5,5-Tonner erhofft. Sehr knapp ist bei den Testwagen allerdings die Vorderachszuladung, besonders beim Hymer.
Technik
Die Aufbaukonstruktionen sind hier wie da hochwertig ausgeführt. Während Hymer typischerweise auf PU-Schaum als Dämmung in Dach und Wänden baut und auch die Innenseite der Sandwichplatten mit Alu belegt, nimmt Bürstner rundum gleichwertiges Styrofoam als Dämmstoff, belässt es auf der Innenseite jedoch bei foliertem Sperrholz. Die Unterböden sind hier wie da in GfK gehüllt, die Dächer ebenfalls, wobei Hymer die hagelresistentere Kunststoffschicht zusätzlich auf die Alubahn klebt.
GfK ist auch das Material der Wahl für die Frontmaske. Während sie beim Bürstner an den A-Säulen angesetzt ist, reicht sie beim Hymer um die Ecken herum bis hinter die vorderen Radläufe. Das ermöglicht eine leicht spitz zulaufende, gefälligere Frontgestaltung. Ähnliches gilt für die Heckwand. Beim Bürstner eine plane Sandwichplatte, verabschiedet sich der Hymer mit einem aufwendig dreidimensional geformten Kunststoffhinterteil.
Die Optik ist das eine, in der Praxis sind es dann aber oft Kleinigkeiten, die nerven. Beispiel Schürzenklappen, die seitlich Zugang zu Stauraum und Bordtechnik im Doppelboden schaffen.
Hier wie da aus Alu-Strangpressprofilen gefertigt, schlägt man sich beim Hymer mit hakeligen, mechanischen Aufstellern herum, während Bürstner das mit Gasdruckfedern deutlich komfortabler löst. Praktisch auch: Die Schlösser der Garagentüren sind hier in die Funkzentralverriegelung eingebunden. Weniger gut: Sie öffnen nur bis etwa 90 Grad und stehen damit teils im Weg beim Beladen. Fenster und Türen zeigen sich bei beiden qualitativ hochwertig – die Eingangspforten messen jeweils über 60 Zentimeter lichte Breite.
Bei der Bordtechnik kann sich der Hymer durch üppigere Wassertanks und die großzügigeren Stromreserven absetzen. Allerdings sind die zwei Lithium-Batterien, die zusätzlich zum AGM-Bord-Akku an Bord sind, Teil des umfangreichen Autark-Pakets, das auch noch einen Wechselrichter umfasst. Weitere Besonderheit ist die Steuerung der Bordtechnik per Smartphone-App. Eine feine Sache, per Handy die Tankfüllstände abzufragen oder die Heizung zu regulieren – perfekt wäre es allerdings, wenn sich die gleiche Funktionalität nochmal auf einem Touchscreen über dem Einstieg finden würde und nicht so ein primitives Basiskontrollpanel.
Besonderheit des Bürstner ist die bislang für dieses Modell exklusive Thetford-Indus-Toilette mit 50-Liter-Festtank. Nur in Bürstner.Modellen zu finden sind zudem die pfiffigen Akkulampen, die an verschiedenen Stellen im Ausbau magnetisch angedockt und geladen werden können. Eine stimmungsvolle Ambientebeleuchtung gibt es aber hier wie da.
Für den Winter sind beide mit frostsicherer Bordtechnik und aufwendigen Warmwasserheizungen sehr gut gerüstet. Mit dem Arktis-Paket kommen beim Hymer noch Wärmetauscher, Garagenbodenheizung und Dämmmatten hinzu. Das Bürstner.Winterpaket umfasst eine Fahrerhaus-Fußbodenheizung, Wärmetauscher und Sitzheizungen im Cockpit.
Fahren
Gleiche Basis, ähnliche Abmessungen und Modellkonzept sorgen für ein fast identisches Fahrverhalten. Klar machen die schiere Länge und 4,80 Meter Radstand einige Mühe, sobald eines der Neun-Meter-Schiffe rangiert oder abgestellt werden muss. Doch im normalen Verkehr, zumal auf der Autobahn, ist der Unterschied zu einem Sieben-Meter-Integrierten kleiner als gedacht – Breite, Höhe und Fahreindruck sind fast identisch. Ein Liner mit großer, steiler Frontscheibe fühlt sich, bei gleicher Länge, wuchtiger und unhandlicher an.
Die Tandemhinterachse hat dabei die angenehme Eigenschaft, das Fahrzeug zu stabilisieren und weniger stark in Schlaglöcher zu fallen – was man von der Vorderachse allerdings nicht behaupten kann.
Dabei regen sich im Bürstner im Vergleich etwas lautere Geräusche aus dem Ausbau. Gravierender als dieser kleine Komfortnachteil ist allerdings die schlechtere Übersichtlichkeit an Kreuzungen und in Kurven. Die A-Säulen sind sichtlich breiter als beim Hymer und stehen näher an den Außenspiegeln, sodass sie zu großen blinden Flecken verwachsen. Während man im Bürstner den Kopf weit hin- und herbewegen muss, linst man im Hymer zwischendurch – auch ein Verdienst des vorn schmaler werdenden Bugs. Mit der Dynamik des 170-PS-Motors ist es angesichts dieser Kaliber allerdings nicht mehr so weit her.
Preis & Service
Preise jenseits der 100.000-Euro-Marke sind in dieser Klasse normal. Allerdings auch, dass man für zwei, drei quasi obligatorische Pakete, die Posten wie den einfachen Tempomat oder die elektrische Parkbremse enthalten, noch einige Tausender mehr auf den Grundpreis draufrechnen muss.
Darüber hinaus gibt es noch viele feine Annehmlichkeiten, mit denen man die beiden Schiffe ausrüsten kann. Audiophilen sei das Soundsystem mit Subwoofer im Bürstner empfohlen. Der Klang im Hymer B-ML I ist zwar besser als im B-MC I, kommt aber lange nicht an den Bürstner heran.
Für den Wintereinsatz sind beide schon ab Werk sehr gut ausgestattet. Mit den empfehlenswerten Winterpaketen lassen sie sich noch weiter optimieren. Der Hymer lockt mit dem, allerdings 5490 Euro teuren Autark-Paket. Der Bürstner gewährt zehn statt sechs Jahren Dichtigkeitsgarantie.
Bewertung
(maximal 5 Punkte möglich)
Bürstner Elegance I 910 G
- Wohnen: 4,0 Punkte
- Beladen: 3,5 Punkte
- Technik: 4,0 Punkte
- Fahren: 3,0 Punkte
- Preis & Service: 3,0 Punkte
Hymer B-Klasse ML I 880
- Wohnen: 4,0 Punkte
- Beladen: 4,0 Punkte
- Technik: 4,0 Punkte
- Fahren: 3,5 Punkte
- Preis & Service: 3,5 Punkte