Kommentar zur Neudefinition von Dynamik bei BMW

Jens Dralle hört auf, sich über die Neuausrichtung von BMW Sorgen zu machen. Es hat keinen Zweck. Stattdessen ist es nun an der Zeit, das Positive im Neuen zu sehen: Denn das Alte gewinnt an Individualität.
Ein sehr erfreulicher Tag endete kürzlich bei Weißbier und Wurstsalat, irgendwo im Osten von München. Frühmorgens brachen wir von hier auf, im BMW M3 CSL, auf Umwegen nach Hinterriß, Tirol. Am Steuer: Jakob Polschak, seit 33 Jahren in Diensten der BMW M GmbH. Er leitet dort Werkstatt und Prototypenbau. Polschak teilt gerne seine Erlebnisse aus drei Jahrzehnten, etwa, wie dem Vorstand Mitte der 80er-Jahre das erste M3 Cabrio untergejubelt wurde.
Ohne SUV und Vans wäre BMW vielleicht sogar schon Vergangenheit
Oder der Z3 M Roadster. Selbst Polschaks Lieblings-M3 (der CSL), aber auch der GTS mussten gegen heftige interne Widerstände durchgeboxt werden. Doch ein eigener Sportwagen wie der M1, der kam nie wieder.
Weder von Kuenheim noch Milberg oder Reithofer ließen sich davon überzeugen. Und der aktuelle Vorstandsvorsitzende Harald Krüger? Muss aufpassen, dass er bei der Elektromobilität am Ball bleibt. Nachdem BMW die neue Motorsportstrategie – die unter anderem einen Einstieg in die Formel E vorsieht – verkündet hatte, war klar, was passiert: Die Gerüchteküche kochte einen neuen Straßensportwagen mit kraftvollem Elektroantrieb auf, vielleicht sogar als M-Modell. Letzteres, liebe Fans, vergesst sicherheitshalber gleich wieder.
Also wieder etwas, was die BMW-Fans verkraften müssten. Etwas, was die Markenwerte infrage stellt, für die sie BMW lieben: maßvoll gewichtige, fein ausbalancierte, mit emotionalen Triebwerken ausgerüstete Automobile. Bei allen anderen, die sich bislang an diesem Spagat versuchten, knackten die Knochen furchterregend. Aber, Freunde, geben wir uns keiner Illusion hin: Ohne SUV und Vans wäre die Marke vielleicht sogar schon Vergangenheit. Eine schöne zwar, aber Vergangenheit. Von der auch Polschak gerne erzählt, jetzt im Biergarten, am Ende unseres gemeinsamen Ausflugs.
BMW gibt Alleinstellungsmerkmale auf
Ob es denn nichts gibt, was ihn an der Gegenwart fasziniert? „ Wir bauen immer noch großartige Autos“, entgegnet er. Nur der Weg dorthin sei viel komplizierter geworden. Tatsächlich verdichtet sich die Marke besonders eindrucksvoll in einem M3 Competition oder einem M2. Unser Dauertest-M235i fehlt mir ebenfalls sehr. Damit solche Modelle gebaut werden können, müssen die X5 und Zweier Active Tourer jedoch das Geld verdienen. Akzeptiert, da komme ich mit klar, solange ich sie nicht kaufen muss. Ich glaube BMW sogar, dass mit kleinvolumigen aufgeladenen Reihensechszylindern künftige Emissionsvorgaben nicht zu schaffen sind.
Eine frühe Testfahrt im neuen Fünfer zeigt auch: Sie können in München immer noch ganz fantastische Fahrwerke konstruieren. Steifer und leichter soll die Limousine zudem geworden sein, Hoffnung auf einen tollen M5 keimt auf. Auf der anderen Seite: Der Einser bekommt Frontantrieb, und da ein quer eingebauter Reihensechser noch unwahrscheinlicher ist als ein neuer M1, gibt BMW eben wieder ein Alleinstellungsmerkmal auf. Dann kommt eben noch ein allradgetriebener Kompaktwagen mit Hochleistungs-Vierzylindermotor. Vielleicht sogar mit 48-Volt-Hybridtechnologie, wie aus M-Kreisen zu hören ist.
Es ist ermüdend. Jedes Mal, wenn du glaubst, jetzt rücken sie da in München das Bild wieder gerade, denken sie sich neuen Unfug aus. Baut doch, was ihr wollt. Erschreckenderweise gibt euch der Erfolg ja recht. Ich erwarte einfach nichts mehr – und beobachte stattdessen gespannt, wie Mercedes-AMG nach dem GT nun das Thema Supersportwagen angeht. Und ob Alfa Romeo in der Lage ist, euch mittelfristig mit euren eigenen Waffen (Giulia QV) zu schlagen. Und ich freue mich, wenn wieder ein M2, M3 oder M4 in unserer Testwagengarage parkt. Den Zeitpunkt allerdings, einen CSL zu kaufen, habe ich verpasst. Jakob Polschak übrigens auch. Da bin ich beruhigt.