Mercedes Neuheiten
Mercedes erfindet sich neu. Die C-Klasse-Familie wird größer, die Sechszylinder werden zu sparsamen Reihenmotoren, und die vier neu geplanten Elektroautos bekommen eine eigene Plattform.
Es gibt immer wieder Wendepunkte im Leben – bei Menschen, aber auch bei Unternehmen. Die trockene Mitteilung, dass Mercedes jetzt Autos auch im Internet verkauft stellt so einen Punkt dar. Vor einigen Jahren, als Verkaufsräume noch wichtige Statussymbole waren und wie luxuriöse Paläste gestaltet wurden, wäre es undenkbar gewesen, den Verkauf eines Premium-Produkts einfach so ins Netz zu verlagern. Aber das Netz wird immer dichter, und es verfangen sich immer mehr Menschen darin.
Klar, Mercedes muss auf diesen Zug aufspringen. Nicht nur im Vertrieb, den ab Januar 2017 mit Britta Seeger (bislang Vertriebschefin Busse und Lkw in der Türkei) erstmals eine Frau führt. Sondern auch in der Entwicklung, die dann von Seegers Vorgänger Ola Källenius geleitet wird. Der gebürtige Schwede übernimmt dieses Vorstandsressort von Thomas Weber, der in den Ruhestand tritt.
In den Entwicklungslaboren arbeitet man mit Blick auf die nächste S-Klasse-Generation so auch bereits an Themen wie der künstlichen Intelligenz, weil die Technologie selbstlernender Computer mit Blick auf autonom fahrende Autos immer wichtiger wird. Sonst können die vielen Daten, die Kameras und Sensoren registrieren, nicht so blitzschnell ausgewertet werden, wie es notwendig wäre. Auch das Trendthema Gesundheit will die Marke bereits im nächsten Jahr mit der Modellpflege der S-Klasse intensiver besetzen als bislang. Sitze messen dann beispielsweise die Blutzirkulation der Passagiere und stellen die Polster entsprechend darauf ein.
Hohe Investitionen in grüne Technologien
Diese kleinen Schlaglichter zeigen, dass Mercedes sich zu einem Hightech-Unternehmen weiterentwickelt, das die Spielregeln moderner Motorentechnologien genauso beherrschen muss wie die Grundlagen neuronaler Netze. 14,5 Milliarden Euro werden in den nächsten zwei Jahren in Forschung und Entwicklung investiert, davon 5,4 Milliarden allein in die sogenannten „grünen Technologien“ mit alternativen Antrieben. Davon profitieren alle Modelle – bis hin zu ganz neuen Varianten wie dem viertürigen C-Coupé, das ab 2019/20 das Programm ergänzt, wenn der Vorstand für diese Variante grünes Licht gibt. Logisch wäre dieser Schritt, denn das Modell mit nach hinten stark abfallendem Dach schließt die Lücke zwischen dem frontgetriebenen CLA auf Basis der Kompaktklasse und dem CLS auf E-Klasse-Plattform.
Ebenfalls in der Planung: ein C-Klasse T-Modell All Terrain als Zwitter aus Kombi und Geländewagen mit höhergesetzter Karosserie, Unterbodenschutz, speziellen Beplankungen und serienmäßigem Allradantrieb. Von der E-Klasse wird es bereits ab 2017 eine entsprechende Variante geben, um dem Audi A6 Allroad Konkurrenz zu machen.
Von der übernehmen CLC und der Offroad-Kombi auch das große Cockpit mit den zwei gestochen scharfen Bildschirmen und die neuen Reihensechszylinder (M 256), die nächstes Jahr zunächst in der S-Klasse an den Start gehen. Die neue Verbrennergeneration basiert als Diesel und Benziner auf einem gemeinsamen Baukasten, der die V6-Motoren ablöst. Für beide Typen wird es Partikelfilter geben, also auch für die Benziner. Warum? Weil Ottomotoren mit Direkteinspritzung im Zuge der neuen Abgasnorm 6c ab 2017 nur noch ein Zehntel des derzeitigen Rußpartikelausstoßes gestattet ist.
Ab Frühjahr kommt das Reinigungssystem zum Einsatz, das zuvor zwei Jahre in einem S 500 erprobt wurde. Danach soll der Filter in weitere Motorvarianten eingebaut werden, in einem nächsten Schritt dann auch bei aktuellen Baureihen.
Neue E-Autos in der Planung
Wichtiger Bestandteil der Mercedes-Strategie ist natürlich der Ausbau der Elektromobilität. Schon in diesem Herbst geht es los: Smart Fortwo, Smart Fortwo Cabrio und der viersitzige Forfour rollen in den E-Varianten an. Die kleine Marke darf sich dann stolz als einziger Hersteller der Welt bezeichnen, der für alle Varianten sowohl Verbrenner als auch E-Alternativen anbietet.
2017 geht es weiter mit dem GLC F-Cell. Basierend auf dem aktuellen Geländegänger, sorgt bei ihm eine wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle für genügend Reichweite, während im Stadtverkehr ein E-Motor den Antrieb übernimmt, der nach maximal 50 Kilometern wieder an der Steckdose aufgeladen werden muss. Das entzerrt die Suche nach einer Wasserstoff-Tankstelle. Insgesamt läuft dieses Auto über eine Distanz von rund 500 km. Der Brennstoffzellen-Version folgt dann noch ein reines E-Auto auf GLC-Basis, das per Schnellladung innerhalb von fünf Minuten Strom für die nächsten 100 Kilometer auflädt. Die komplette Reichweite: auch hier 500 km.
Für die nächste Generation der batterieelektrischen Fahrzeuge entwickelt Mercedes eine neue Fahrzeugarchitektur, kurz EVA genannt, um die intern lange gerungen wurde. Zunächst wollte man die bekannten Plattformen nutzen, doch der Umbau des konventionellen GLC zum Brennstoffzellen- bzw. reinen Elektroauto hat gezeigt: Wirtschaftlich macht das keinen Sinn. Am Ende gibt es nur noch rund 20 Prozent Gleichteile.
Vier E-Limousinen und E-SUV
Auf der neuen modellübergreifenden EVA-Plattform basieren zunächst ein SUV in der Größenordnung eines GLC, ein Geländegänger mit den Abmessungen des GLS sowie elektrisch betriebene Limousinen in der Größenordnung der E- und der S-Klasse. Damit hat Mercedes endlich ein Produktportfolio, das es auch mit dem Modellprogramm von Tesla aufnehmen kann. Das erste Modell soll 2019 mit der Lithium-Ionen-Batterie der Daimler-Tochter Deutsche Accumotive starten, die anderen Varianten folgen 2020/21 – und zwar in einer Optik, die sich an der Studie F 015 orientiert, die 2015 erstmals vorgestellt wurde. Allerdings in einer abgemilderten Form.
Wichtig zu wissen: Im Gegensatz zu den Kleinwagen gibt es diese Strommodelle in unterschiedlichen Leistungsstufen. Das erwarteten die Kunden im Segment der S-Klasse, so die Elektroauto-Spezialisten der Marke. Das Problem langer Ladezeiten halten sie bis dahin auch hier für gelöst: Ab 2020/21 wird es Schnellladestationen geben, die auch lange Strecken überwindbar machen. Für die Strecke Stuttgart–B erlin beläuft sich die Ladedauer dann auf gerade einmal noch 15 Minuten.
Langstreckenfahrern empfiehlt Mercedes ohnehin die Brennstoffzelle als Alternative zum E-Auto: Die Zahl der Wasserstoff-Tankstellen soll bis 2023 von aktuell 50 auf 400 erhöht werden, um den Bedarf vor allem an den Hauptverkehrsachsen abzudecken. Hohe Erwartungen gibt es, was diese Antriebsform angeht, auch im Busgeschäft: Im Jahr 2030 sollen nach Daimler-Prognosen 70 Prozent aller neu angeschafften Citaro lokal emissionsfrei fahren.
Mercedes mit eigener E-Auto-Marke
Analog zu BMW i wird Mercedes seine alternativen Antriebskonzepte unter einer neuen Submarke ordnen, die Ende September auf dem Pariser Autosalon vorgestellt wird. Bei der Bezeichnung soll es sich dem Vernehmen nach um einen schlichten Buchstaben handeln und nicht um einen historischen Namen aus der Firmengeschichte – wie damals im Fall von Maybach als Symbol der Luxuswagen- Strategie. In Paris wird eine SUV-Studie zusätzlich einen konkreten Ausblick auf die Elektroauto-Visionen von Mercedes geben.
Fest steht: Mit einem Absatzrekord im ersten Halbjahr 2016 und einer Rendite von zehn Prozent im zweiten Quartal geht es bei Mercedes im Moment zügig stromaufwärts und keinesfalls abwärts. Hoffentlich können die vielen neuen E-Mobile bei diesem Marschtempo mithalten.
Daimler 4.0 schwärmt aus
Trotz Absatzrekord bei Daimler im ersten Halbjahr ist es gut zu wissen, dass sich der Konzern nicht auf seinen Lorbeeren ausruht und neue Geschäftsfelder sucht. Bis 2020 wollte Chef Dieter Zetsche eine Milliarde Euro Umsatz mit Mobilitätsdienstleistungen generieren, aktuell sind es gerade einmal 150 Millionen. Ein Gewinn ist noch gar nicht in Sicht. Es bleibt also viel zu tun, um die Marke fit für die Zukunft zu machen. Gut, dass es endlich eine richtige E-Auto- und Brennstoffzellen-Strategie gibt, die nun schnell umgesetzt werden muss. Toyota und Hyundai zeigen mit Mirai und ix35, dass die Wasserstofftechnik beherrschbar ist und sich damit auch Absatz machen lässt. Es gibt also keinen Grund, bei Daimler das Tempo der Veränderung zu drosseln.