Die Preise für Camper steigen 2022 stark an

So wie das gesamte produzierende Gewerbe ächzt auch die Reisemobilbranche unter gestörten Lieferketten und Materialmangel. Die steigenden Kosten werden an die KundInnen weitergereicht.
Wer dieser Tage die Reisemobilpreislisten fürs Modelljahr 2022 neben die der vergangenen Saison legt, dem stockt bisweilen der Atem. Fünf Prozent Preissteigerung sind da kaum noch erwähnenswert, manche Modelle reißen mit ihrer nominalen Teuerung gar die Zehn-Prozent-Marke.
Auch wenn derlei Fälle nicht die Regel sind und sich hinter den Steigerungen bisweilen auch reale Modellaufwertungen oder Mehrausstattung verstecken, so ist eines doch unübersehbar: Die Preise sind auf breiter Front gestiegen, und zwar in einem bisher kaum gekannten Maß.
So viel teurer sind Wohnmobile und Campingbusse
Um einen Überblick zu gewinnen, haben wir für alle vier Aufbauformen jeweils fünf beliebte Modelle verschiedener großer Marken herausgegriffen und deren Preisentwicklung über die letzten fünf Jahre recherchiert. Die resultierenden Diagramme stützen die Beobachtung. Die 2018 bis 2020 meist milde steigenden Kurven verzeichnen spätestens fürs Modelljahr 2022 fast alle einen deutlichen Knick nach oben.
Für die ausgewählte Stichprobe ergibt sich über alle Modelle hinweg im Schnitt ein Preisanstieg für 2022 gegenüber dem Vorjahr von rund sechs Prozent. Von den lange gewohnten, mäßigen jährlichen Preiserhöhungsschritten haben sich die Hersteller also in der Breite verabschiedet – verabschieden müssen.
Gründe für den Preisanstieg
Was sind die Gründe? Allein die Inflationsrate – im November lag sie bei 5,2 Prozent, fürs Gesamtjahr erwarten die Wirtschaftsinstitute 2,4 Prozent – ist heuer ein ordentlicher Schlag ins Kontor. Doch mit der momentanen Gemengelage an den Märkten ist die Lage noch weitaus komplizierter. Sie ist geprägt von Mangel, immensen Kostensteigerungen und überbordender Nachfrage.
Ausgelöst wird die Nachfrage unter anderem durch einen ungeheuren Bauboom in China und den Aufschwung der Unterhaltungsindustrie. Zusätzlich befeuert die Corona-Krise die Situation, nicht zuletzt durch die teils dramatisch verengten Flaschenhälse der weltweiten Logistik. Containermangel, pandemiebedingte Schließung von Häfen und Einzelereignisse wie Unwetter, der Brand eines großen Halbleiterwerks in Asien oder die Havarie des Containerfrachters Ever Given, der eine Woche lang den Suezkanal und damit Lieferketten weltweit blockierte, haben auch die Frachtkosten in neue Sphären getrieben. Kosteten Container aus China vorher 1.500 bis 2.000 Dollar, sind dafür nun bis zu 10.000 Dollar zu berappen – termingerechte Verladung aufs Schiff noch mal extra. Und weil Corona auch dem weltweiten Luftverkehr einen heftigen Dämpfer verpasste, steigen die Preise für Luftfracht ebenso – denn die wird oft in Passagiermaschinen mit um die Welt geschickt.
In den Fertigungshallen – ganz gleich ob von Zubehör- oder Reisemobilherstellern – macht sich das immer stärker bemerkbar. Ob Grundstoffe wie Stahl, Kunststoff und Holz, chemische Produkte, Schrauben, Kabel oder so hochdifferenzierte Erzeugnisse wie Halbleiterchips: Es fehlt an allem (siehe unten). Dementsprechend instabil ist die Lage auf den Märkten.
Lange schon kennen die weltweiten Rohstoffpreise nur noch eine Richtung: nach oben. Für Stahl beispielsweise sind sie von rund 650 Euro die Tonne Anfang des Jahres auf 1.200 Euro gestiegen. Die Preise von Holz und Kunststoffen stiegen gar auf mehr als das Doppelte. Schon ist in den Medien von der größten Rohstoffkrise seit dem Zweiten Weltkrieg die Rede, und tatsächlich hat die momentane Situation das Zeug dazu, die produzierende Wirtschaft nachhaltig zu erschüttern. Da stehen ganze Automobilwerke aus Mangel an Halbleitern wochenweise still, die Materialkosten für Häuslebauer explodieren und manch ein Bauunternehmer nimmt lieber Konventionalstrafen in Kauf, als Verträge einzuhalten.
Stimmen aus der Branche
Vor diesem Hintergrund auf seriöse Weise Preise zu kalkulieren, ähnelt der Quadratur des Kreises. "Von Herstellern und Lieferanten hören wir: ‚Wir wissen noch nicht, ob und was wir morgen liefern können'. Eines aber ist schon heute sicher: Es wird teurer‘", sagt Stefan Diehl, Pressesprecher der Knaus-Tabbert-Gruppe.
Kurzfristiges Stopfen von Löchern statt langfristiger Bedarfsplanung wird immer mehr zur Normalität in den Unternehmen. "Wir müssen tatsächlich einen signifikanten Teil unseres Stahlbedarfs über den Spotmarkt decken", bestätigt Dr. Timo Schwickart, Senior Vice President Sales und Marketing beim Chassishersteller Alko. Längst geht es nicht mehr darum, die Kosten möglichst weit zu drücken, sondern die Fertigung überhaupt noch aufrechterhalten zu können. "Da stellt sich dann die Frage: Wollen wir diesen Container zu diesem Preis haben? Sagt man Nein, dann fertigt man nicht mehr", erklärt Hans Frindte, Geschäftsführer des Caravan-Herstellers Fendt, der mit identischen Problemen kämpft, schließlich braucht man für den Bau von Wohnwagen die gleichen Materialien.
Kostspielige Basisfahrzeuge
Reisemobilhersteller kämpfen aber mit einem zusätzlichen Problem: Auch die Basisfahrzeuge werden teurer, denn auch deren Fabrikanten wollen nicht auf den gestiegenen Kosten sitzenbleiben.
Beim stückzahlenmäßigen Flaggschiff unter den Basisfahrzeugen, dem Fiat Ducato, kommt aktuell noch der Modellwechsel auf die Generation acht hinzu. Allein für das erneuerte Chassis müssen die Aufbauhersteller zwischen elf und 13 Prozent tiefer in die Tasche greifen. Immerhin lässt sich dieser Aufschlag mit neuen Motoren und einer besseren Serienausstattung ein Stück weit verargumentieren.
Ausstattungsbereinigt bleiben aber immer noch rund acht Prozent Teuerung. "Ich hoffe, dass wir nicht während der laufenden Saison gezwungen sein werden, die Preise zu erhöhen", sagt Bernd Wachtel, Leiter des Bereichs Aufbauhersteller bei FCA Germany.
Mittlerweile haben viele Kunden von der schwierigen Lage am Rohstoffmarkt gehört und bringen deshalb ein Stück weit Verständnis für die Aufschläge mit, das haben viele Gespräche auf dem Caravan Salon offenbar gezeigt. "Ich war fast froh, dass auch ein VW-Werk in Wolfsburg in dieser Situation mal stillsteht. Spätestens dann nämlich verstehen die Menschen, dass wir oder auch die Leute bei Fiat keine Doofies sind", zeigt sich Dr. Holger Siebert, Geschäftsführer von Eura Mobil, geradezu erleichtert.
Im italienischen Werk Sevel des Stellantis-Konzerns, wo neben dem Ducato auch Peugeot Boxer und Citroën Jumper gebaut werden, ruhten die Bänder im September für mehr als drei Wochen. Elektronik-Bauteile fehlten. Und damit türmen sich in einem Werk, das im Normalfall sieben Tage die Woche rund um die Uhr an der Kapazitätsgrenze produziert, jetzt schon wieder die Lieferverzögerungen der kommenden Saison auf. "Weder was die Preise noch was die Produzierbarkeit angeht, gibt es momentan Garantien", konstatiert Bernd Wachtel.
Neue Lager- und Logistik-Strategien
Auch in den nach wie vor von viel Handarbeit geprägten Fertigungsstraßen der Reisemobilfabriken läuft die Produktion alles andere als rund. Fehlender Nachschub führt zu Unterbrechungen und zwingt zum Umplanen der Produktion. Riesige Ausweichflächen sind von halbfertigen Mobilen belegt, deren Käufer schon händeringend auf sie warten. Auch dieser Zusatzaufwand in der Logistik wirkt sich auf die Kalkulationen aus.
Was die Lagerhaltung angeht, hat das Umdenken bei vielen Herstellern schon begonnen. "Wir gehen gerade ein Stück weit weg vom ‚just-in-time‘ und erhöhen unsere Lagerkapazitäten, wo immer es geht", sagt Stefan Diehl, und auch der Geschäftsführer von Hobby, Holger Schulz, bestätigt: "Die Mengen, die wir brauchen, können wir zwar gar nicht vorhalten und auch nicht alle Materialien vertragen eine Lagerung. In einigen Bereichen aber legen wir uns natürlich schon größere Sicherheiten an." "Das Hochfahren der Bestände kostet dann natürlich zusätzlich und ist ein weiterer Preistreiber", gibt Alexander Leopold, Geschäftsführer bei Dethleffs, zu bedenken. Und weil das gesamte fabrizierende Gewerbe inklusive der großen Konzerne mehr oder weniger das gleiche Problem hat, ist auch das Angebot an Lagerfläche mittlerweile knapp.
Wo auch immer die Verzögerungen im Produktionsablauf auftreten: Verschobene Liefertermine können die Fahrzeuge für die Kunden zusätzlich verteuern, denn kaum ein Hersteller kann weitere Preiserhöhungen für die laufende Saison ausschließen.
Preisliste und hohe Nachfrage
Meist garantieren die Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Preise nur vier Monate. Liegt der Liefertermin später, darf er bei veränderten Grundlagen – beispielsweise höheren Löhnen oder Materialkosten – angepasst werden. Die Kunden der Hersteller sind in der Regel die Händler. Wie die das dann im Einzelnen mit den Endkunden abrechnen, bleibt ihnen überlassen. "Auch wir als Händler müssen in dieser Situation Preisanpassungsklauseln in die Verträge schreiben", bestätigt Kai Dhonau, der Präsident des Händlerverbands DCHV. "Ob das tatsächlich alle machen, kann ich nicht sagen."
Fakt ist aber auch, dass sich wegen der starken Nachfrage die höheren Listenpreise beim Endkunden gerade leichter durchsetzen lassen als früher. Preisnachlässe gibt aktuell kaum noch ein Händler. Und so merkt Carthago-Geschäftsführer Bernd Wuschack an: "Tatsächlich ist neben der Rohstoffknappheit auch das gigantische Wachstum unserer Branche ein weiterer Preistreiber."
In dieser Situation gibt es für die Anbieter preispolitisch nur zwei Möglichkeiten: das Einkalkulieren eines gewissen Sicherheitspuffers oder aber die Weitergabe von höheren Preisen während der laufenden Saison.
Von allen Herstellern, mit denen wir gesprochen haben, legt sich nur der Hobby-Geschäftsführer Holger Schulz fest: "Wir sind der Meinung, dass eine Preisliste für die Saison Bestand haben sollte. Daran versuchen wir uns auch zu halten und haben deshalb keine Anpassung mehr vorgesehen."
Bernd Wuschack von Carthago hingegen sagt: "Wir kalkulieren so, dass die Kostensteigerungen gedeckt werden und unter dem Strich die gleiche Marge bleibt. Unvorhergesehene Preissteigerungen werden wir an die Händlerschaft beziehungsweise den Kunden weitergeben. Das schreiben wir auch so in die Verträge hinein."
"Totale Sicherheit einzuplanen und gleich um 20 Prozent zu erhöhen, das geht nicht", meint Dr. Holger Siebert, Geschäftsführer bei Eura Mobil. "Wir haben für alle Auslieferungen bis zum Ende des Jahres sieben bis acht Prozent Preiserhöhung eingeplant. Für danach haben wir folgenden Weg gefunden: Wir nehmen die Aufträge an, bestätigen sie aber vorerst nicht. Alle späteren Auftragsbestätigungen werden dann mit angepassten Preisen gemacht. So federn wir das Risiko ab, dass die Preise weiter durch die Decke gehen. Sollten sich die Preise künftig deutlich entspannen, sind theoretisch auch Preissenkungen möglich."
Auf Nachfrage bei Hymer erhielt die promobil-Redaktion während der Recherchen zu diesem Artikel keine Antwort.
Wird es wieder Preissenkungen geben?
Preissenkungen? Damit rechnet momentan und auch längerfristig in der Branche allerdings niemand ernsthaft, auch wenn in den letzten Wochen die Kurven mancher Rohstoffpreise wieder einen leichten Knick nach unten verzeichnet haben. Bei vielen Lieferanten sind die Vorlaufzeiten allerdings inzwischen so lang, dass sich fallende Preise erst einmal kaum dämpfend auswirken werden, wie Hans Frindte verdeutlicht: "Ich habe bei manchen Lieferanten mittlerweile 42 Wochen Vorlauf, das ist fast ein ganzes Jahr. Da sind Preissenkungen sicher bis auf weiteres kein Thema."
Tatsächlich dürfte damit wohl kaum zu rechnen sein. Denkbar wäre im Falle einer sich entspannenden Lage allenfalls eine gewisse Kompensation durch Modellaufwertung oder eine bessere Ausstattung. "Wir sind alle gut beraten, mit unseren Kunden eine faire Preispolitik zu betreiben", mahnt Holger Schulz von Hobby. Doch die nächsten Preistreiber lauern schon. Mercedes stellt beim Sprinter in den nächsten Monaten auf breiter Front auf den neuen OM-654-Motor um, "da rechnen wir für die entsprechenden Modelle mit einer Preiserhöhung zwischen 2.500 und 3.500 Euro", meint Kai Dhonau.
Auch die neuen Auflagen der EU zum Thema vorgeschriebene Assistenzsysteme werden die Basisfahrzeuge mittelfristig weiter verteuern. Bei den Halbleitern ist ebenso wenig mit Entspannung zu rechnen. "Die Elektronikthemen werden uns wohl längerfristig erhalten bleiben, der Bedarf ist ja in allen Lebensbereichen gestiegen – und steigt ständig weiter. Die nötigen Kapazitäten für Halbleiter aber fehlen und müssen weltweit erstmal geschaffen werden", gibt Martin Eichelbrönner vom Zubehörhersteller Truma zu bedenken.
Und ohne Halbleiter ist die Zukunft des Reisemobils kaum denkbar. Ohne Stahl, Holz und Kunststoff allerdings bis auf weiteres auch nicht.
Preisrallye bei Rohstoffen & Co.
Schon seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr des vergangenen Jahres begannen die Preise für Rohstoffe und die Erzeugnisse aller nachgelagerten Produktionszweige auf breiter Front zu steigen. Das lag und liegt einerseits an der Verknappung durch weltweit gestörte Lieferketten: Häfen wurden geschlossen, Frachter konnten nicht auslaufen, die Ladung nicht gelöscht werden und in der Folge wurden die Container knapp. Die Preise für Überseecontainer stiegen innerhalb eines Jahres um annähernd 700 Prozent. Damit sind die Frachtkosten der absolute Überflieger unter den Preistreibern.
Doch auch die Steigerungen der Rohstoffpreise führen in vielen Industrien zu Ratlosigkeit. Grund dafür ist die weltweit gestiegene Nachfrage. Nach partieller Eindämmung der Pandemie ist einerseits die Konjunktur vor allem in den USA und in China wieder voll angesprungen, andererseits konnten viele Firmen ihre Produktion noch nicht wieder auf Vorkrisenniveau hochfahren. Stiegen die Preise bis Herbst 2020 noch mäßig, brach danach eine regelrechte Preisrallye aus. In der Konsequenz führte das allein beim Stahl zu einem Preisanstieg auf das Vierfache.
Auch die Preise von verarbeiteten Holzwerkstoffen und Kunststoffen haben sich je nach Material zum Teil mehr als verdoppelt. Erst die neuesten Entwicklungen zeigen einen leichten Abwärtstrend – teilweise auch ablesbar an den unten abgebildeten Kurven. Wie nachhaltig dieser Trend aber ist, trauen sich momentan selbst Experten kaum abzuschätzen.