Oldtimer liebevoll restauriert und modernisiert

Man kann die Vergangenheit mit Lack und Farbe übertünchen. Man kann sie aber auch bewahren, ehren und ihr mit Verstand und Kunstsinn zu neuer Blüte verhelfen. So wie Ernst Bonert.
"Vielleicht haben Sie Interesse an der Veröffentlichung eines sehr gut erhaltenen Tandem-Wohnwagens Tabbert Comtesse 520 TK aus dem Baujahr 1975", schreibt Ernst Bonert in beschiedenem Ton. Und weiter: "Zur Grundlage Ihrer Entscheidung sende ich Ihnen im Anhang eine pdf-Datei mit der fotografischen und textlichen Beschreibung des Interieurs."
Ein paar neugierige Mausklicks später stehen Augen und Mund weit offen: Nicht nur die Grundsubstanz dieses Tabbert aus zweiter Hand ist außerordentlich gut, sondern auch das, was Ernst Bonert daraus gemacht hat. Bonert, ehemaliger Werbe- und Interieurfotograf, passionierter Sammler und Bewahrer rollenden (und schwimmenden) Kulturguts, hat diese Pflanze aus den 1970erJahren aus ihrem alten Beet zurück auf die Straße versetzt und ihr dabei kunstvoll zu neuer Blüte verholfen. Und das, ohne dabei die Wurzeln zu kappen. Mag sein, dass dieses Bild schief hängt. Also lassen wir den Schöpfer die Herangehensweise an das Projekt Comtesse 1975 selbst beschreiben: "Im Geiste werde ich dann Mitarbeiter des geschätzten ‚Don Alfredo‘ Alfred Tabbert und gebe meinen Senf hinzu. Ich kritisiere, mache Vorschläge, entwickele Visionen und letztendlich muss ich in der konkreten handwerklichen Umsetzung beweisen, dass es geht."
Selbst bei der Auswahl von Lampen, Stoffen und Accessoires ließ sich Bonert nicht nur von der reinen Ästhetik und persönlichem Geschmack leiten. Vielmehr folgt die Gestaltung immer auch kunst- und kulturhistorischen Zusammenhängen. "Mich interessiert die geheimnisvolle Sprache der Dinge. Ich genieße die gelungene Ästhetik und die Funktion von Kulturerzeugnissen aus unterschiedlichen Zeiten und Räumen. Das Wunderwerk eines Hightech-Smartphones fasziniert mich ebenso wie ein antikes textiles Kunstwerk einer untergegangenen Nomadenkultur. Mein Leben besteht aus einer Abfolge von zeitlichen Phasen intensiver Auseinandersetzung mit einem bestimmten Thema", gibt Bonert in einem persönlichen Steckbrief preis.
Die Leidenschaft für Oldtimer
Sogar dem Thema Wohnwagen als solchem hat sich der "Handwerker und Kulturbewahrer" (Bonert über Bonert) nicht auf banale Weise genähert. "Den Wohnwagen als mobiles Heim stellte ich zunächst in den historischen und kulturellen Kontext, um seine Bedeutung heute besser erfassen zu können. Ob Jurte, Planwagen, Experimente der Wohnwagen-Pioniere, die silberglänzenden Rundungen amerikanischer Aluminium-Landyachten – all das interessiert und begeistert mich. So ist es für mich ein spannendes und herausforderndes Projekt, einen alten, heruntergekommen wirkenden Wohnwagen von einem Aschenputtel in eine schöne ‚Comtesse‘ zu verwandeln", führt er aus.
"Immer noch gibt es diese verstaubten Diamanten zu finden. Entscheidend ist eine gute Grundsubstanz, er sollte unverbastelt und trocken sein. Es gilt, die wahren Qualitäten herauszustellen und von den störenden Elementen zu befreien. Die stilistischen Entgleisungen, handwerklichen und konstruktiven Mängel müssen mit überschaubarem Aufwand behebbar sein." Wer sich im Netz einmal die Tabbert-Prospekte des Jahres 1975 angesehen hat, die es unter der tollen privaten Adresse www.oldiecaravan.de zu bestaunen gibt, kann förmlich fühlen, was Bonert meint.
Eriba Touring war zu klein
Die Comtesse ist das zweite Caravan-Projekt des Lippers. Begonnen hat die Campingleidenschaft mit einem Eriba Touring, der ebenso liebevoll verbessert und gestaltet wurde, dessen Stahlkäfig-Konstruktion aber korrosionsanfällig ist. Bonert, der "aus der Oldtimerei" kommt, wie er am Telefon erzählt, sah sich gemeinsam mit seiner Frau nach etwas Größerem um und fand die Comtesse, die ihr bisheriges Leben als Dauerbleibe unter einem Schutzdach gefristet hatte. "Räder und Bremsen mussten natürlich von Grund auf saniert beziehungsweise ersetzt werden", erzählt er. Doch die Substanz war durch den geschützten Standplatz auf dem Campingplatz perfekt erhalten geblieben. Heute folgt der 1200 Kilo leichte Doppelachser einem rotmetallic-farbenen, ebenfalls fantastisch erhaltenen und vor allem originalen Mercedes W124 durch Europa. Immer mit dabei: ein Boot.
Allen Nachahmern gibt Bonert mit auf den Weg: "Das Abenteuer besteht natürlich auch darin, zu wissen, dass man scheitern kann. Wenn Freunde und Nachbarn denken, jetzt ist er verrückt geworden, muss die Vision von der schönen Comtesse stark genug sein."
Steckbrief: Ernst Bonert
Alter: 68
Werdegang: Interieur-Fotograf, Kunst- und Antiquitätenhändler, Kulturveranstalter. Interessiert sich für die Produktkultur der 60er- und 70er-Jahre, im Speziellen Wohnwagen, Automobile und Boote. Intensive Beschäftigung mit der Frage: Welche Leistungen haben deutsche Tüftler, Gestalter und Unternehmer im internationalen Vergleich in dieser Zeit hervorgebracht? Seine Forschungsaktivität beinhaltet die Suche nach Objekten, den Kauf, die Restaurierung, die ergänzende Gestaltung und den praktischen Einsatz.
Bisherige Wohnwagen: Airstream International, Eriba Touring Triton, Tabbert Comtesse 520 TK.
Automobile (Auswahl): Mercedes Benz 170 S (1950), 220 S Ponton (1956), 280 C (W114, 1973) und SL 320 (R 129, 1995), Porsche 911 (1974), Range Rover V8 (1974)
Boote: Draco 2000 (1971), Coronet 22 DC (1983), Gari 24 (1985), Boston Whaler Super Sport (1990)
Inspirations-Literatur (Auswahl): Airstream Living (Bruce Littlefield/Simon Brown), Airstream – The History of the Landyacht (Bryan Burkhart/David Hunt), Homes on the Move (Donato Nappo/Stefania Vairelli), Kleine Wohnwagen-Fibel (Fritz B. Busch), Living in Motion (Ausstellungskatalog/ Vitra Design Museum), Yachten der Landstraße (Hans Berger/Ulrich Kubisch), Wohnwagen – Geschichte, Technik, Ferienzeit.