Riese&Müller Lastenrad wird zum Camping-Gefährt
Ein Fahrrad mit Zelt darauf? Und Campervan-Spezialist Spacecamper steckt dahinter? Was es damit auf sich hat, klärt dieses Interview mit Entwickler Ben Wawra.
Wawra ist einer der Köpfe von Bus-Ausbauer Spacecamper. Ein anderer ist Markus Riese, der mit Riese&Müller als Fahrradhersteller bekannt ist. Nun bringen die beiden Tüftler die Philosophien beider Unternehmen zusammen: Das Lastenrad Load 75 bekommt jetzt einen Camping-Aufsatz.
Bus-Ausbauer entwickelt einen Fahrrad-Camper
Warum das gerade jetzt verwirklicht wird und welche Gedanken dahinterstecken, erklärt Ben Wawra im Interview.
Sie bauen Campingbusse. Jetzt zeigt ihr ein Bike. Marketing-Gag oder Ernst?Ganz klar Ernst. Das Thema hat eine riesige Zukunft. Corona hat gezeigt: Die Leute haben einen Durst nach Grün, nach Freiheit und Natur. Weil wir einen Bike-Aufsatz bauen, heißt das nicht, dass wir den Campingbus als Camper ersetzen wollen, aber den Alltagsnutzen des Busses aufs Lastenrad zu bringen, wird ein Thema.
Weil die Städte die Autos mehr und mehr verbannen. Wir erleben das in Darmstadt sehr stark. Dazu kommt, dass gerade hier die Lastenraddichte hoch ist. Der Radhersteller "Riese&Müller" sitzt hier, und deren Mitarbeiter sind mit ihren privaten Rädern sehr präsent in der Stadt.
Markus Riese ist ihr langjähriger Freund und auch Mitgründer von Spacecamper. Kommt hier zusammen, was zusammen gestartet ist?Vielleicht schon, viele unserer Gedanken finden sich in anderer Form in den jeweiligen Produkten. Um es konkret zu machen: Für mich ist mein VW-Bus in den letzten Jahren ein ständiger, tagtäglicher Begleiter. Da geht’s gar nicht ums Camping, sondern darum, ein Bett dabeizuhaben für einen Mittagsschlaf, ein mobiles Office, um dort arbeiten zu können, wo ich will. Homeoffice in der Natur. Und das kommt nun aufs Rad.
Warum jetzt?Weil erst jetzt das Lastenrad durch die Elektrifizierung bergfreundlich ist. Und weil es sich abzeichnet, dass das Stadtauto gescheitert ist und durch elektro-pedalierte Konzepte abgelöst wird. Auch wenn sich viele Autofahrer heute noch nicht damit anfreunden können.
Warum glauben Sie nicht an das E-Auto?Das tu ich schon, aber nicht in den Städten, nicht so wie heute. Zu wenig Lademöglichkeiten, und sie nehmen zu viel Raum ein. Die Trends gehen in allen Bereichen eher in Richtung Verzicht und Minimalismus. Auf der anderen Seite erweitere ich meinen Radius mit einem E-Fahrrad so ungemein. Vor allem sehe und erlebe ich innerhalb meines Bewegungsradius sehr viel mehr als mit einem Auto.
Weil sie mehr Möglichkeiten haben als immer nur dieselben Straßen?Wenn ich mit dem Rad statt mit dem Campingbus im Alltag unterwegs bin, entdecke ich meine Stadt jeden Tag neu. Und manchmal halte ich irgendwo an einer schönen Stelle und klappe den Arbeitsplatz auf dem Lastenrad auf und arbeite eine Weile. Dann fahre ich an den Bach vor der Stadt und sammle neue Kraft fürs Meeting am Nachmittag.
Es geht hier also gar nicht so ums Camping?Übernachten ist ein Add-on. Geht auch, dafür ist es nicht in erster Linie gebaut. Aber klar. Reisen und drauf schlafen geht problemlos. Ich habe einen abschließbaren Kofferraum dabei, ein Bett und ein Dach. Und weil es kein Zelt ist, sondern ein Tarp, habe ich kein Problem mit Zeltverboten. Klar ist aber auch, dass ich meinen VW nicht gegen ein Lastenrad eintauschen wollte, ihn ergänzen sehr wohl aber.
Wie waren ihre ersten Nächte auf dem Fahrrad, im Wald?Zuerst komisch, aber man merkt, wie stark das Draußenleben in uns Menschen drinsitzt. Es braucht das richtige Mindset, um damit im Wald zu pennen, aber das ist in uns allen angelegt. Bikepacking ist ja im Trend. Ich bin sicher, dass das Reisen auch mit dem Lastenrad stärker im Kommen ist. Sozusagen als Glamping unter den Bikepackern. Die Stromladeinfrastruktur wächst ständig, vor allem in den Radtourismus-Gebieten und entlang beliebter Radrouten. Und manchen mag das Schlafen im Freien wichtig sein, aber Zelt und Isomatte möglicherweise ein wenig zu naturverbunden. Für die ist unser Konzept vielleicht eine Lösung.