Praxistest auf dem Glamping-Bauernhof
Safarizelt auf dem Bauernhof: Das Glamping-Konzept von Wiesenbett hat in Thüringen seine Zelte aufgeschlagen. Redakteur Marcel Sommer hat mit seiner Frau und seinen beiden Kindern ein Mietzelt in Altenbeuthen getestet.
Schon die Anreise in unser Glamping-Safarizelt im Thüringer Wald hat es in sich. Kurvenreiche Straßen, ein gewaltiger Staudamm und Natur pur. Der erste Eindruck ist einfach nur „Wow!“ Wen das hier nicht an Skandinavien, insbesondere Norwegen erinnert, war wohl noch nie dort. Mit Ausnahme der weißen Straßenmarkierungen könnte diese Ecke Deutschlands glatt als „little Norway“ durchgehen. Wer nicht so gern kurvenreiche Straßen fährt, dem empfiehlt sich für die Anreise nach Altenbeuthen die nördliche Route mit abschließender Fährfahrt. Zwischen 8 und 19 Uhr findet hier bedarfsweise eine Überfahrt statt.
Angekommen am Wiesenbett Hohenwarter Seehof begrüßt uns Besitzerin Heidi Seiffert. Noch bevor sie uns zu unserem Zelt führt, sagen auch die beiden Esel und die ganze Kuh-Herde „Hallo“. Für meine beiden Großstadt-Kinder ein äußerst eindrucksvoller Primärkontakt mit der „wilden“ Natur Thüringens. Auch die beiden noch vom Fuchs verschonten Hühner und die einsame Ziege schauen kurz vorbei.
Feuermachen muss gelernt sein
Der Aufstieg zum Zelt ist nichts für „Fußkranke“. Ein arg leicht gebauter Bollerwagen soll ein wenig helfen, eine Schubkarre soll in Bälde folgen. Gut fünfzig Meter über eine steil ansteigende, gerade frei gewordene Kuhwiese haben es in sich. Davon kann Heidi ein Liedchen singen, kraxelt sie auf Wunsch jeden Morgen zu den aktuell drei vorhandenen Zelten und überreicht freudestrahlend die 30 Euro-Frühstückskörbe. Doch dazu später mehr. Erst einmal geht es ans Beziehen des Safarizelts.
Die Holzterrasse mit den beiden Liegestühlen, dem Tisch und den zwei normalen Stühlen lässt keinerlei Zweifel an der Planung des ersten Abends aufkommen. Der Grill-Ofen vor dem Zelt schreit ebenfalls förmlich nach Grill- und Lagerfeuerromantik. Vorausgesetzt, der „Glamper“ kann mit den bereitgestellten Anzündhölzern, den Holzscheiten, ein paar Anzündern und Streichhölzern umgehen. „Wir hatten auch schon Erwachsene hier, die noch nie im Leben ein Feuer entzündet haben. Dann helfen wir gern“, verrät Heidi mit einem verschmitzten Lächeln.
Im Wiesenbett-Luxus-Zelt schläft es sich großartig
Im Inneren des 50 Quadratmeter großen und mit einem Holzboden ausgelegten Wiesenbett-Luxus-Zelt finden sich eine große Couch, ein Schlafzimmer mit Doppelbett (2 x 1,80 m), ein Schrankbett (2 m x 1,30 m), ein Doppelstockbett (je 2 m x 0,90 m), eine Toilette mit Dusche, eine Küchenzeile mit Waschtisch, ein großer Tisch mit sechs Stühlen sowie ein Holzofen und eine Kühlbox mit zwei Wärmflaschen. Wärm..? Ja, richtig. Wärmflaschen – die frisch aus dem Gefrierschrank stammen. Aktuell müssen die Glamper noch im Haupthaus um Tausch bitten, später „sollen sie in einem Extra-Gefrierschrank von den Besuchern selbst getauscht werden können“, verrät Heidi.
Wer sich für 12,50 Euro extra über gemachte Betten freut, hat nach dem ersten Schritt ins Zelt eigentlich nur noch zu entscheiden, wer wo schläft. In unserem Falle endet der Kinder-Streit, wer denn in dem coolen Schrankbett schlafen darf damit, dass Papa dort schläft. Nicht, weil er es will, sondern weil die Kinder dann doch lieber bei Mama schlafen möchten. Kein Problem, Platz ist für alle da. Auch für einen 1,96 Meter großen Mann im Schrankbett.
Kein Strom, aber auf Wunsch kochend heißes Duschwasser
Der erste Schock für die Kinder beginnt mit der Frage, warum denn überall Kerzen oder Grubenlampen hängen. „Tja, hier gibt es keinen Strom. Das ist das Wiesenbett-Konzept.“ Schnell wird ihnen klar, dass Heidi keine Witze macht und die Panik bricht aus. „Kein Fernsehen? Kein Laptopaufladen? Kein... HANDY?“ Richtig. Aber zugegebenermaßen nur halb richtig. Denn der Handy-Empfang ist in Altenbeuthen besser als in so mancher Großstadt – den Telefonmasten auf einem der schönsten Aussichtspunkte auf dem nächsten Berg sei Dank. Handy-Aufladen ist allerdings tatsächlich schwierig. Die von Heidi in Aussicht gestellte Steckdose in ihrem Restaurant liefert leider nur bedingte Auflade-Befriedigung. Das Ergebnis: Stromfreie Zone für die nächsten vier Tage.
Was im schönen Thüringen aber überhaupt kein Problem ist, denn wenn nicht hier wo dann steht so viel Natur zum Erleben parat? Der Stausee Hohenwarte liegt direkt vor der Tür und ist im Sommer durchaus „schwimmbar“. Sind Kescher im Gepäck, brauchen sich die Eltern für mehrere Stunden keinerlei Gedanken über ein Bespaß-Programm machen. Zu viele kleine Fischschwärme und ab und an große Fische sorgen für helle Aufruhe am Wasser. Das gerade eingelaufene Wikinger-Schiff sorgt zudem für große Augen. „Nein, wir müssen keine Angst haben. Das gehört zum Restaurant gegenüber und man kann es sogar mieten“, muss Papa die Kinder beruhigen. Ansonsten bietet die Umgebung zahlreiche Ausflugsziele wie den Märchenwald in Saalburg, das Schwimmbad Saalemaxx in Rudolstadt inklusive Wellenbad oder die berühmteste Sehenswürdigkeit in der Gegend: die Erlebniswelt Feengrotten in Saalfeld. Für Kinder ein Muss!
Ein Frühstückskorb zum Verlieben
Zurück nach Altenbeuthen. Der Tag beginnt hier im beziehungsweise vor dem Wiesenbett-Safarizelt mit bereits erwähntem Heidi-Frühstückskorb. „Die Wurst machen wir selbst“, schwärmt sie von den Inhalten des äußerst großzügigen Korbes. Selbst Kaffee, ein heißer Kakao, Käse, gekochte Eier, Butter, Obst, Honig und Marmelade sowie leckeres Brot und Brötchen finden sich hier wieder.
Vor allem der Kaffee erfreut die Mama, da der von Papa und den Kindern mühsam gemahlene und auf dem Feuer gekochte Kaffee nicht annähernd für solch Freude sorgt, wie der aus den Händen Heidis. Na gut, ein paar Vormittage haben wir ja noch zum Üben. Das Rührei auf der Kochplatte über dem Feuer gelingt dem Töchterchen auf Anhieb.
Eine erste Umfrage nach dem Schlafkomfort in ihrem Bett ergibt eine klare Antwort: „Wir haben super und vor allem durchgeschlafen!“. Na, das nenne ich mal einen guten Start. Keine Mücken, wenige Spinnen, einige Ohrenkneifer und der eine oder andere Nachtfalter – ansonsten herrscht im nicht hermetisch abgeriegelten Zelt Tierarmut. Sehr zur Freude der weiblichen Zeltbewohner.
Weniger Freude empfinden wir, als wir uns am auf der Homepage angekündigten freien Blick auf den Hohenwarter-Stausee ergötzen wollen. Dieser ist aufgrund zu hoher Bäume heute genauso wenig zu sehen, wie die online angepriesenen Shetland Ponys. „Wir haben aktuell eine ziemliche Baustelle hinter dem Haus. Aus diesem Grund mussten wir uns in puncto Tiere ein wenig einschränken“, meint Heidi. Es soll sich aber noch in diesem Jahr ändern und ausgebaut werden. Bis dahin können Wiesenbett-Besucher aber zumindest pro Tag 10 Euro in ein eigenes Kaninchen investieren, um das sich die Kinder kümmern dürfen.
Hier gibt's noch etwas fürs Geld
Um dieses und alle anderen Anliegen von Wiesenbett-Buchern dürfen sich Heidi und ihr Lebensgefährt Rolf seit gut einem Jahr kümmern. Schon im vergangenen Jahr waren sie komplett ausgebucht. „Leider mussten wir alle Buchungen stornieren, da uns noch ein paar Genehmigungen fehlten“, gibt die 55-Jährige zu. Doch seit dem 4. Juli 2019 ist das seit 2012 geplante Projekt auch in Altenbeuthen von April bis Ende Oktober erlebbar. „Ab Oktober wird es zu kalt in der Nacht“, erklärt die gelernte Landwirtin Heidi.
Damit es in den kalten Abend zumindest im Körperinneren warm zugeht, dafür sorgen auf Wunsch Küche und Bar im hauseigenen Restaurant. Die Preise sind Thüringen-typisch niedrig, so dass am Ende eines Abendessens mit Getränken und tollem Eisbecher für eine vierköpfige Familie nicht selten ein Betrag von unter 70 Euro auf der Rechnung steht. An dieser Stelle sei jedoch darauf hingewiesen, dass weder EC- noch Kreditkarte akzeptiert werden (können). „Wir werden wahrscheinlich nicht drumherum kommen, diesen Zustand zu ändern. Doch aktuell ist nur Barzahlung möglich“, meint Heidi. Bei dem nicht gerade eng gestrickten Bankennetz rund um Altenbeuthen sollte dies auf alle Fälle in die Planung miteinbezogen werden.