Was den SL 72 mit Pagani verbindet

Ein unauffälliger Roadster mit einer Geschichte, die bis nach Modena reicht. Der Mercedes SL 72 AMG trägt nicht nur einen seltenen V12 unter der Haube, sondern auch die technische DNA eines Supersportwagens.
Auf den ersten Blick wirkt der SL 72 AMG wie ein ganz gewöhnlicher R129. Silber lackiert, mit dezentem Bodykit, klassischen OZ-Felgen und einem Stoffverdeck, das sich elektrisch zurückfaltet. Doch wer genauer hinsieht, erkennt ein Modell, das zu den seltensten seiner Art gehört. Und wer unter die Haube blickt, entdeckt das eigentliche Highlight: einen von AMG aufgebauten Zwölfzylinder, der nicht nur Kraft im Überfluss bietet, sondern auch der Ursprung eines der berühmtesten Supersportwagen-Triebwerke überhaupt ist.
Im Mittelpunkt des SL 72 steht der Motor. Es handelt sich um den bekannten M120-V12 von Mercedes, der von AMG auf 7,2 Liter Hubraum vergrößert wurde. Die Leistung liegt bei 525 PS. Dabei verzichtet das Triebwerk konsequent auf Aufladung und setzt auf klassische Vierventiltechnik mit zwei obenliegenden Nockenwellen pro Zylinderbank. Titanpleuel, spezielle Kolben und eine AMG-Abgasanlage runden das Bild ab. Der Motor wurde für souveräne Langstrecken-Performance gebaut und vermittelt das Gefühl von müheloser Überlegenheit. Was ihn besonders macht, ist nicht nur seine Kraft, sondern seine Verwandschaft. Denn in nahezu identischer Bauweise trieb dieser Motor später auch den ersten Pagani Zonda an.
Von Affalterbach nach Modena
Horacio Pagani suchte Mitte der 1990er-Jahre einen geeigneten Motor für seinen neuen Supersportwagen. Die Wahl fiel auf den AMG-V12. Die Basis blieb dabei der M120, wie er im SL 72 zum Einsatz kommt. In der Zonda-Version wurde das Aggregat weiterentwickelt, auf 7,3 Liter vergrößert und in verschiedenen Leistungsstufen angeboten.
Die Architektur blieb jedoch weitgehend gleich. Bohrung und Hub, Kurbelgehäuse, Zylinderwinkel – all das stammt aus der Mercedes-Welt. Das bedeutet: Wer im SL 72 AMG Platz nimmt, bewegt sich technisch auf ähnlichem Niveau wie ein Zonda-Fahrer. Nur mit deutlich mehr Leder, Komfort und Zurückhaltung.
Leistung trifft Gelassenheit
Trotz seiner Motorisierung bleibt der SL 72 ein komfortabler Gran Turismo. Die Kraft gelangt über eine Vierstufenautomatik an die Hinterachse. Für Stabilität sorgen das adaptive Dämpfersystem ADS und eine Traktionskontrolle. Das Ergebnis ist ein Fahrzeug, das seine Leistung nicht in Dramatik, sondern in Souveränität umsetzt. Auf der Autobahn wirkt der SL 72 bei hohen Geschwindigkeiten gelassener als viele moderne Sportwagen. Im Innenraum dominieren edles Leder, feine Holzdekore und klassische AMG-Details.
Sammlerstück mit verstecktem Potenzial
Heute zählt der SL 72 AMG zu den am seltensten gebauten AMG-Fahrzeugen überhaupt. Sein Marktwert hat in den letzten Jahren deutlich zugelegt, vor allem wenn die Historie durch originale Unterlagen belegt ist. Erst kürzlich wurde ein solches Exemplar bei einer Auktion für rund 368.000 Euro verkauft – ein Rekordpreis für dieses Modell. Der SL 72 ist nicht nur ein technisches Einzelstück, sondern auch ein bedeutendes Bindeglied in der Geschichte zweier Marken.