Linux Software: Professionelle Musikproduktion

Auch in der Musikproduktion haben sich mit der Digitalisierung viele Lebensbereiche geändert. Wie zeigen Ihnen, wie Linux zur Digital Audio Workstation wird.
Apple spielt in der digitalen Produktion von Musik eine große Rolle. Das ist bereits an der Ausstattung vieler Tonstudios und Bühnen zu erkennen, wo das Logo des US-amerikanischen Herstellers die Geräte ziert. Grund hierfür ist weniger, dass Apple seine Produkte dafür optimiert hat. Vielmehr gibt es historische Ursachen. Die erste Spezial-Software aus diesem Bereich erschien zuerst bei Apple. Die früheren Ausgaben von Windows waren erst nach einigen Umbauten und Anpassungen für Musikproduktionen auf professioneller Ebene geeignet.
In diesem Artikel lesen Sie, wie Sie auch mit Linux - beispielsweise mit Ubuntu - die Produktion professioneller Musik in Angriff nehmen können. Besondere Editionen wie Ubuntu Studio sind für den schnellen Einstieg geeignet, da diese schon eine Kombination verschiedener Anwendungen aufweisen. Zwar beschert das Aufsetzen einer persönlichen Digital Audio Workstation mehr Mühe, bietet allerdings erfahrenen Anwendern alle Vorteile der optimal abgestimmten Studiotechnik. In jedem Fall ist die Seite von "Linux-Studio" eine erste Orientierung. Die hier aktiven User erklären nicht nur Quellen und Namen vieler Spezialprogramme, sie geben auch Hilfe bei vielen Problemen.
Zunächst gilt: Latenzen vermeiden
Wird ein Rechner als Digital Audio Workstation verwendet, stellt man verschiedene besondere Ansprüche an Hard- und Software. Ein entscheidender Faktor ist das Tempo, mit dem das System die produzierten oder eingehenden Signale verarbeiten kann. Werden die Signale aus einem externen Bereich digitalisiert oder auf einem System lediglich Audiodateien konvertiert, reichen die Ressourcen dafür normalerweise jederzeit aus. Das System lagert im Zweifel einfach Daten auf die Festplatte aus und greift im Anschluss daran darauf zu. Das Steuern von Anwendungen und die Verarbeitung von Signalen brauchen immer auch Ressourcen und Rechenzeit. Die Lautstärke wird mit dem Cursor auf dem Monitor geregelt.
Zunächst muss das System diese Eingabe auswerten, erst dann wird Modifikation umgesetzt. Die Verzögerungen (Latenzen) und Zeiteinheiten summieren sich während der Musikherstellung und äußern sich im schlimmsten Fall in einem Knacken, Aussetzen oder Rauschen.
Wenn Sie solche Schwierigkeiten vermeiden möchten, ist die Installation eines besonderen Kernels zu empfehlen. Zu diesem Zweck haben die User extra "Real Time" und "Low Latency-" Kernel entwickelt.
Hardware - je nach Anspruch
Abhängig vom eigenen Anspruch kann der Kauf eines neuen Systems oder das Austauschen von Hardware-Komponenten notwendig werden. Laptops sind grundsätzlich problematisch. Bei diesen müssen sich in der Regel System und Grafikchip den Platz des Arbeitsspeichers teilen, was zu Schwachstellen durch Engpässe führen kann. Auch weniger für hochwertige Musikproduktion geeignet sind Onboard-Musikchips. Diese weisen in der Hauptsache nur minderwertige Komponenten und dadurch bedingt eine geringere Qualität im Klang auf, was vor allem durch ein Rauschen auffällt. Das analoge Signal beispielsweise eines Mikrofons muss anfangs digitalisiert werden, wobei ein entsprechender Wandler verwendet wird. Diese Komponenten haben bei Onboard-Chipsätzen ebenfalls eine eher mindere Qualität.
Wenn Audiodateien auf eine Festplatte geschrieben werden, kann es problematisch werden - sollten Anwendungen und Betriebssystem ebenfalls darauf laufen. Für die Produktion sind ideale Bedingungen vorhanden, wenn Sie zwei Festplatten verwenden. Sollte dies wegen der Finanzen oder aufgrund von technischen Gegebenheiten nicht realisiert werden können, binden Sie - um Latenzen zu verringern - das gemeinsam genutzte Laufwerk mit der zusätzlichen Option "-noatime" in der Datei "/etc/fstab" ein.
Jack: ein unentbehrlicher Sound-Server
Alsa (Advanced Linux Sound Architecture) ist das von Ubuntu bevorzugte Soundsystem. Es vermittelt zwischen den Anwendungen und übernimmt den Ausstausch mit der Soundkarte. Die anstehenden Daten holt Ansa von der Quelle ab. Dann verarbeitet es diese und reicht sie weiter. Selbst wenn die Daten gar nicht verändert werden, muss dies unausweichlich zu Behinderungen führen. Wenn mehrere Audioanwendungen aufeinanderfolgen, um das gleiche Signal zu bearbeiten wie es bei Filtern und Effekten der Fall ist, werden diese Verzögerungen in der Praxis nicht tolerabel. Die Verzögerungen häufen sich an - sie werden hörbar.
Aus diesen Gründen setzen viele Anwendungen voraus, dass Jack installiert ist. Jack hat Client und Server als Ansatz. An diesem Punkt werden die zu verarbeitenden Daten verteilt, wenn diese verfügbar sind. Im Gegensatz zum Ablauf bei Alsa wartet die Architektur nicht darauf, dass eine Anwendung Audiopakete erfragt. Sie liefert diese vielmehr automatisiert aus. Der Vorteil des Systems von Jack: Der Vorgang muss nur einmal ablaufen - wegen des Server-Ansatzes. Die Daten stehen anderen Client-Programmen, die ebenfalls auf Jack zugreifen, fast ohne Verzögerungen zur Verfügung.
Mischen, aufnehmen und komponieren
Wenn Sie als Musikproduzent unter Linux Musik schneiden und aufnehmen wollen, kommen Sie an den Programmen Rosegarden und Ardour kaum vorbei. In den Angeboten von Ubuntu finden Sie Ardour. Auf http://ardour.org/download laden Sie die aktuellste Version dieses Editors herunter. Ardour benutzt zwar ebenfalls Alsa, alle seine Möglichkeiten entfaltet es allerdings mit Jack. Die Kombination mit diesem Audio-Server ist zu empfehlen, da die Software selbst über keinerlei Effekte verfügt.
Mit VST (Virtual Studio Technology) und Asio (Audiotransferprotokoll) hat das Unternehmen Steinberg in Sachen Digitalisierung von Musikproduktion viel auf den Weg gebracht.
Rosegarden ist als Ergänzung zu Ardour sehr zu empfehlen. Hiermit lässt sich Musik produzieren und wiedergeben.
Ubuntu Studio - die Spezial-Distribution
Wenn Sie Ihr Linux-System nicht selbst zur Digital Audio Workstation umbauen wollen, verwenden Sie Ubuntu Studio. Die Entwickler haben in Sachen Kombination der Audioanwendungen ein gelungenes System erstellt. Der unentbehrliche Soundserver Jack ist ebenso dabei wie der spezielle Kernel für Echtzeitbearbeitung. Mit Rosegarden und Ardour sind die leistungsfähigsten und wichtigsten Programme für das Mischen und das Aufnehmen von Musik mit dabei, außerdem grafische Oberflächen für die Einstellung der unterschiedlichen Filter- und Soundsysteme und Werkzeuge für die Produktion von Podcasts. Bereits betriebsbereit sind Sampler, Sequenzer, Midi-Programme und Drum-Computer für die Musikproduktion.
Zum bekannten Ubuntu gibt es einen weiteren Unterschied in der schon installierten Wine-Umgebung. Damit lassen sich zahlreiche Musikbearbeitungsprogramme von Windows auch unter Linux verwenden. Auf diese Weise ist das Angleichen von VST-Plug-ins oder das Kompilieren durchaus aufwendig und nicht jedes Mal von Erfolg gekrönt. Der Baustein kann doch noch verwendet werden, wenn eine Anwendung unmittelbar unter Linux per Umgebung (Wine) in Betrieb genommen wird. Dabei handelt es sich - der Spezialisierung zum Trotz - um ein vollwertiges Linux-System, mit dem Sie genauso Emails bearbeiten oder online unterwegs sind. Die Bezeichnung ist ein wenig irreführend, denn es ist keine Kombination ausschließlicher Bestandteile für das Musikstudio. Generell ist Ubuntu Studio vielmehr ein hochwertiges Tool für kreative Anwender: Musiker, Filmemacher und Grafiker finden hier Anwendungen für die Arbeit.
Programme aus dem kommerziellen Bereich
Lösungen wie Ardour und Ubuntu Studio sind kostenfrei. Allerdings haben in den letzten Jahren einige Software.ersteller auch kommerzielle Programme im Audiobereich für Linux entworfen. Hier einige der Wichtigsten:
Nicht unbedingt preiswert ist Bitwig mit ungefähr 280 Euro. Es ist eine komplette Suite für das Aufnehmen und das Produzieren und steht für alle drei OS-Welten zur Verfügung. An der Software werden auch DJs ihre Freude haben.
Eine Digital Audio Workstation ist Renoise, die Schwerpunkte beim Abmischen und in der Aufnahme setzt. Eine Lizenz kostet circa 70 Euro. Eine Demoversion ist verfügbar. Die Funktionen des Programms können Sie mithilfe von Plug-ins erweitern.
Auch für die Bearbeitung und die Aufnahme von Midi-Sequenzen und Audiodateien ist Tracktion geeignet. Zurzeit steht es als Betaversion für Linux zur Verfügung. Ungefähr 60 Euro kostet eine Lizenz für Mac-OS X und Windows.