Haftung des Abschleppdienstes nach Beschädigung des Kfz?

Jedem Autofahrer kann es einmal passieren, mit seinem Kfz liegenzubleiben. Wer gerade keinen Verwandten oder Freund erreicht, ruft entweder selbst ein Abschleppunternehmen oder einen Automobilklub an.
Dieser wiederum gibt die Meldung an einen Vertragspartner weiter, der sich auf den Weg macht und das Pannenfahrzeug zur nächsten Werkstatt bringt. Doch wie sieht die Rechtslage aus, wenn dabei ein Unfall passiert? Haftet dann die Panne.hilfe für den Schaden?
Folgenschwerer Abschleppvorgang nach Autopanne
Ein Autofahrer erlitt mit seinem Wagen eine Panne. Er bat daraufhin einen renommierten Automobilklub telefonisch um Hilfe, der prompt einen seiner Vertragspartner damit beauftragte, das Pannenfahrzeug zur nächstgelegenen Werkstatt abzuschleppen.
Später verlangte der Autofahrer zunächst vom Automobilklub Schadenersatz, bestehend aus Reparatur- und Gutachterkosten sowie einem merkantilen Minderwert des Kfz. Weil er jedoch mit den erhaltenen Zahlungen unzufrieden war, zog er in der Folgezeit gegen das Abschleppunternehmen vor Gericht. Schließlich sei sein Pkw sowohl beim Abschleppvorgang als auch bei der Transportfahrt erheblich beschädigt worden. Dies bestätige auch ein Gutachten, das elf Tage nach dem angeblichen Vorfall erstellt wurde.
Der Abschleppdienst wies jede Verantwortung von sich. So bestünden schon keine vertraglichen Ansprüche, denn sein Vertragspartner sei der Automobilklub, nicht der Autofahrer. Auch sonstige Schadenersatzansprüche seien nicht ersichtlich. Im Übrigen sei der Wagen des Automobilklub-Mitglieds wenige Tage nach dem Vorfall erneut liegengeblieben und habe abgeschleppt werden müssen. Es könne durchaus sein, dass die vom Gutachter bestätigten Schäden dabei verursacht wurden.
Geschädigter geht leer aus
Das Amtsgericht (AG) Oranienburg stellte klar, dass dem Autofahrer keine Ansprüche auf Schadenersatz gegen das Abschleppunternehmen zustanden.
Keine vertraglichen Ansprüche erkennbar
Der Autofahrer und das Abschleppunternehmen hatten keinen Vertrag abgeschlossen. Somit stand dem Geschädigten auch kein Schadenersatzanspruch nach § 280 I Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu.
Grundsätzlich gilt: Wer höchstpersönlich ein Abschleppunternehmen ruft, schließt mit diesem einen sog. Abschleppvertrag. Beschädigt der Fahrer des Abschleppwagens – z. B. aufgrund eines Fahrfehlers oder auch absichtlich – das Pannenfahrzeug, kann dessen Eigentümer Schadenersatz nach § 280 I BGB verlangen.
Vorliegend hat der Kfz.Führer aber lediglich den Automobilklub angerufen und um Hilfe gebeten – nicht das Abschleppunternehmen. Das war vertraglich vielmehr mit dem Automobilklub verbunden und wurde erst auf dessen Mitteilung hin tätig.
Letztlich bestand zwischen dem Autofahrer und dem Abschleppunternehmen auch kein Verwahrvertrag nach § 688 BGB. Zwar hatte das Unternehmen den Panne.wagen zeitweise auf dem Abschleppfahrzeug untergebracht, um es zu einer Werkstatt abzutransportieren – allerdings wollte sich das Unternehmen diesbezüglich nicht vertraglich binden. Warum sollte es auch? Schließlich bestand bereits zwischen ihm und dem Automobilklub ein Vertragsverhältnis – einer weiteren Vereinbarung mit dem „Pannenopfer“ bedurfte es nicht.
Schadenersatzansprüche bei Betrieb des Abschleppfahrzeugs?
Aber auch ohne Vertrag ist man als Geschädigter grundsätzlich nicht chancenlos. Wurde man im Straßenverkehr in einen Unfall verwickelt, könnte man Ansprüche aus z. B. § 7 I Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder § 823 I BGB haben.
Vorliegend entschied das Gericht jedoch, dass dem Eigentümer des Panne.fahrzeugs auch diesbezüglich kein Schadenersatz zustand.
Unfall „bei Betrieb“ eines Fahrzeugs?
§ 7 I StVG setzt insbesondere voraus, dass bei Betrieb eines Fahrzeugs ein Mensch getötet bzw. verletzt oder eine Sache beschädigt worden sein muss, damit der Unfallverursacher schadenersatzpflichtig wird. Denn so richtig „gefährlich“ wird ein Fahrzeug in der Regel erst, wenn es sich im Betrieb befindet, also fortbewegt und als Transportmittel genutzt wird. Spielte die Inbetriebnahme aber für den Unfallhergang keinerlei Rolle – tritt also die Fortbewegungsfunktion des Kfz vollkommen in den Hintergrund –, entfällt eine Haftung des „Unfallfahrers“ nach § 7 I StVG. Vorliegend diente der Abschleppwagen zur Zeit des Unfalls nicht als Fortbewegungsmittel, sondern lediglich als Arbeitsmaschine. Die Inbetriebnahme war also für den Unfall vollkommen irrelevant – ein Anspruch des Eigentümers des Panne.wagens bestand daher nicht.
Aus Mangel an Beweisen…
Im Übrigen war eine Schadenersatzpflicht des Unternehmens nach § 7 I StVG aus einem weiteren Grund abzulehnen: Es war nämlich nicht klar, ob der Abschleppdienst tatsächlich die geltend gemachten Schäden verursacht hat. Denn wenige Tage nach der ersten Panne war der Autofahrer noch einmal mit seinem Pkw liegengeblieben und hatte erneut – dieses Mal von einem anderen Dienstleister – abgeschleppt werden müssen. Die behaupteten Schäden könnten daher auch bei diesem Vorgang verursacht worden sein. Das später erstellte Gutachten traf diesbezüglich keine Aussage und war daher untauglich. Auch die Angaben des Geschädigten, bei welchem Abschleppvorgang sein Kfz beschädigt wurde, waren alles andere als aussagekräftig. Derartige Unklarheiten gingen zulasten des beweispflichtigen Autofahrers.
Es bestand also durchaus die Möglichkeit, dass die Schäden erst beim zweiten Abschleppvorgang – durchgeführt von einem anderen Dienstleister – entstanden sind.
Aus diesem Grund entfiel auch ein Anspruch aus § 823 I BGB, wonach derjenige, der eine Person bzw. ihr Eigentum vorsätzlich oder fahrlässig – also leichtfertig – verletzt, gegenüber seinem „Opfer“ Schadenersatz zahlen muss. Hier muss nämlich der Geschädigte ebenfalls nachweisen, dass und wie bzw. in welchem Umfang sein Gegner ihn verletzt hat. Kann er das nicht, kann er auch kein Geld verlangen. Weil der Autofahrer vorliegend aber nicht darlegen konnte, dass der verklagte Abschleppdienst sein Auto verdellt und zerkratzt hatte, ging er leer aus.
(AG Oranienburg, Urteil v. 23.03.2017, Az.: 23 C 67/16)
Lesen Sie weitere Rechtstipps zum Thema "Verkehrssicherungspflicht" auf www.anwalt.de: