Rechts vor links: Gilt die StVO auch im Parkhaus?
Parkplätze in Stadtzentren sind eher rar – wer keine Lust hat, lange nach einer Lücke zu suchen, kann jedoch bequem in ein Parkhaus fahren. Hier warten allerdings andere Gefahren wie enge Fahrspuren, kleine Parklücken und unübersichtliche Kreuzungen.
Wer hier nicht aufpasst, ist schnell in einen Unfall verwickelt. Doch wie wird festgestellt, wer für den Schaden aufkommen muss? Gelten in Parkhäusern und auf Parkplätzen dieselben Regeln wie im Straßenverkehr?
Vorfahrtsverstoß im Parkhaus?
Eine Autofahrerin wollte mit ihrem Škoda ein Parkhaus verlassen und befand sich bereits im Erdgeschoss, als sich von links ein VW näherte. Die beiden Kfz kollidierten, woraufhin die Frau von ihrem Unfallgegner Schadenersatz verlangte. Der VW-Fahrer habe sich zwar auf der fünf Meter breiten Fahrbahn befunden, die durch das ganze Parkhaus führt. Von dieser Fahrbahn zweigten jedoch diverse Querstraßen ab, die sogar sechs Meter breit seien.
Sie selbst habe sich auf einer solchen Querstraße befunden und gegenüber dem VW-Fahrer Vorfahrt gehabt. Schließlich gelte auch im Parkhaus die Regel „rechts vor links“. Ferner sei ihr Unfallgegner zu schnell unterwegs gewesen. Der Unfallbeteiligte bzw. seine Versicherung weigerte sich allerdings, mehr als 50 % der Schuld am Unfall zu tragen. Der Streit der Unfallbeteiligten endete daher vor Gericht.
Unfall auf öffentlicher Parkfläche: Wer haftet?
Viele Fahrzeugführer glauben, dass die Regel „rechts vor links“ immer und überall gilt. Allerdings gilt diese Vorfahrt.regel gemäß § 8 I 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) auf privaten Straßen und Wegen grundsätzlich nicht. Die StVO regelt vielmehr, wie Fahrzeugführer sich im öffentlichen Straßenverkehr zu verhalten haben, also auf Straßen oder Flächen, die jedermann zugänglich sind, wie z. B. eine Hauptstraße.
Auch kann eine Privatperson auf ihrem Grundstück nicht einfach ein Schild mit den Worten „Hier gilt die StVO“ aufstellen und erwarten, dass Besucher nun automatisch die betreffenden Straßenverkehrsregeln zu berücksichtigen haben. Die Entscheidung, ob, wann und wo die StVO gilt, obliegt nämlich allein dem Staat bzw. der zuständigen Behörde.
Selbst wenn jedoch ein Parkplatz oder ein Parkhaus öffentlich zugänglich ist, gilt die StVO nicht immer. Denn Parkplätze bzw. -häuser dienen eher dem ruhenden und nicht dem fließenden Verkehr. Man fährt schließlich nur dorthin, um sein Fahrzeug abzustellen. Die StVO findet deshalb nur Anwendung, wenn die Fahrspuren Straßencharakter haben. Das wiederum richtet sich nach deren baulichen Verhältnissen, also insbesondere nach der Breite, dem Bodenbelag und der Abgrenzung zu den Parkboxen. Ist die Fahrspur z. B. asphaltiert, deutlich von den Parklücken abgegrenzt und in etwa so breit wie eine „normale“ Straße, kann der Straßencharakter in der Regel bejaht werden. In diesem Fall sind die StVO-Regeln anzuwenden.
Beide Autofahrer müssen im Verhältnis 50:50 haften
Das Amtsgericht (AG) München kam vorliegend zu dem Ergebnis, dass beide Autofahrer den Unfall mitverschuldet haben, und legte die Haftungsquote auf jeweils 50 % fest. Weil der VW-Fahrer bzw. seine Versicherung den Schaden der Škoda-Fahrerin bereits vorgerichtlich in dieser Höhe ersetzt hatte, ging die Autofahrerin vor Gericht leer aus.
Vorliegend hatten die Fahrspuren im Parkhaus Straßencharakter, denn sie waren asphaltiert, mit fünf bzw. sechs Metern auch entsprechend breit und von den Parkboxen deutlich abgetrennt. Damit war § 8 I 1 StVO einschlägig – die Škoda-Fahrerin hatte Vorfahrt. Weil der VW-Fahrer diese jedoch missachtet hatte, müsste er eigentlich allein haften.
Allerdings musste sich auch die Škoda-Fahrerin ein Mitverschulden am Unfall anrechnen lassen. Schließlich ist von sämtlichen Fahrzeugführern zu erwarten, dass sie Parkplätze und Parkhäuser regelmäßig mit erhöhter Vorsicht und gegenseitiger Rücksichtnahme befahren. Immerhin ist dort stets mit ein- und ausparkenden bzw. sich fortbewegenden Fahrzeugen zu rechnen. Aus diesem Grund darf sich niemand blind auf sein Vorfahrt.recht verlassen.
Die Škoda-Fahrerin wollte von einer Querstraße auf die „Hauptfahrspur“, die durch das ganze Parkhaus führte und von jedem Autofahrer bei der Ein- bzw. Ausfahrt benutzt werden musste. Sie musste deshalb damit rechnen, dass sich auf der „Hauptfahrspur“ andere Verkehrsteilnehmer befinden. Dennoch fuhr sie blindlings auf die Fahrbahn, weshalb ihr das Gericht eine hälftige Mitschuld am Unfall anrechnete.
(AG München, Urteil v. 23.06.2016, Az.: 333 C 16463/13)
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