Endstation Hartz IV?

Einmal drin, immer drin? - Millionen Empfängern von Hartz IV gelingt keine dauerhafte Rückkehr in ein normales Berufsleben. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Danach ist fast jeder zweite Bezieher von Arbeitslosengeld II dauerhaft auf die Hilfe der Jobcenter angewiesen. Das gilt besonders für Alleinerziehende.
Bei der Einführung von Hartz IV im Januar 2005 waren gut sechs Millionen Personen auf die neue staatliche Hilfe angewiesen. Mehr als drei Millionen von ihnen bekamen die Unterstützung durchgehend bis Dezember 2007. 78 Prozent der Hartz IV.Empfänger im Dezember 2007 bezogen die staatliche Unterstützung bereits mindestens zwölf Monate am Stück, so die IAB-Arbeitsmarktexperten.
Absprung vielfach nicht dauerhaft
Am schnellsten schaffen kinderlose Paare und Alleinstehende den Ausstieg aus dem Leistungsbezug. Alleinerziehende bleiben dagegen am längsten auf die Grundsicherung angewiesen. So zeigt eine Analyse der Fälle, bei denen der Leistungsbezug im Februar und März 2005 begann: Die Hälfte der Alleinerziehenden benötigt die staatliche Hilfe drei Jahre nach Leistungsbeginn noch immer - oder nach einer Unterbrechung bereits wieder. Bei Paaren ohne Kinder lag dieser Wert nur bei einem Drittel.
Und noch etwas haben die Arbeitsmarktforscher festgestellt. Vielfach ist eine Beendigung des Leistungsbezugs nicht nachhaltig. "Etwa 40 Prozent der Personen sind spätestens nach einem Jahr erneut auf staatliche Unterstützung angewiesen", so die IAB-Studie. Das eigentliche Ziel der Hartz-Reform, Langzeitarbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, werde somit oft verfehlt.
Schneller raus aus Hartz IV./strong>
Aber es gibt auch Hoffnungszeichen: So konnten alle Personengruppen in den Jahren 2006 und 2007 ihre Bedürftigkeit schneller überwinden als im Einführungsjahr von Hartz IV. Als Gründe hierfür nennen die Arbeitsmarktforscher die günstigere Arbeitsmarktlage und die inzwischen besser eingespielte Vermittlung in den Jobcentern.
Durch die Ergebnisse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung fühlen sich Gegner der Hartz-Reformen in ihrer Kritik bestätigt. Die Studie zeige, dass die Aktivierungspolitik, die stark auf Fordern setze, an ihre Grenzen stoße, meint etwa Simone Leiber, Sozialexpertin beim gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI). Problemgruppen müssten daher besser betreut werden.
Anlass für neue Krititk
Deutlicher formuliert es der Paritätische Wohlfahrtsverband. Für ihn ist die IAB-Studie ein "Beleg des Scheiterns". "Es ist nun endgültig belegt, dass es sich bei der Langzeitarbeitslosigkeit nicht in erster Linie um ein Vermittlungsproblem, sondern um ein Problem fehlender Arbeitsplätze und passgenauer Hilfen handelt", sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Es sei "geradezu eine arbeitsmarktpolitische Bankrotterklärung, wenn Hartz IV für mehr als die Hälfte der Bezieher perspektivlos auf dem Abstellgleis endet".
Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles kritisierte, besonders Alleinerziehende müssten unter einer "lückenhaften Struktur" in der ganztägigen Kinderbetreuung leiden. Sie forderte daher verstärkte Anstrengungen beim Ausbau. "Wir sollten uns einen Rechtsanspruch auf eine ganztägige Kinderbetreuung wenigstens bis zum zehnten Lebensjahr für die nächste Legislaturperiode vornehmen", sagte sie dem Tagesspiegel.
Zahlen zu Hartz IV./strong>
Insgesamt nahmen von 2005 bis 2007 fast 12 Millionen Personen mindestens einen Monat Hartz IV.Leistungen in Anspruch, so die Arbeitsmarktexperten des IAB. Das entspricht 18 Prozent der Bevölkerung bis 65 Jahre. Im Februar 2009 gab es rund 6,7 Millionen Hartz IV.Empfänger. Der Höchststand lag bei knapp 7,5 Millionen im Mai 2006.
Dabei sind weniger als ein Drittel der Hartz IV.Empfänger "arbeitslose erwerbsfähige Hilfebedürftige" (derzeit rund zwei Millionen). Hinzu kommen beispielsweise Kinder, so genannten Aufstocker (deren Lohn nicht zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit ausreicht), Alleinerziehende (die wegen der Betreuung von Kindern unter drei Jahren nicht zur Arbeitsuche verpflichtet sind) oder Personen, die an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wie Ein-Euro-Jobs oder Weiterbildungen teilnehmen.