Das Formel-1-Reife(n)zeugnis des SID: Sotschi
Das Formel-1-Reife(n)zeugnis des SID: Sotschi
Sotschi (SID) - MERCEDES: Ein starker Spruch, der dem Österreicher wenige Stunden später auf die Füße fiel. Der zweite Patzer der Boxencrew innerhalb eines Monats kostete Sternfahrer Lewis Hamilton zum zweiten Mal den sicheren Sieg. In Monza winkten sie Hamilton in die Boxengasse, obwohl ein rotes Licht deutlich sichtbar die Einfahrt verbot. In Sotschi ließen sie den Weltmeister Starts üben an Stellen, die dafür nicht vorgesehen sind. Toto Wolff sollte seine Leute schnellstens wieder auf "sehr gut" einschwören.
LEWIS HAMILTON: Der Weltmeister war leicht verkrampft bemüht, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Hamilton vergaß trotz aller Frustration nicht den Dank an die russischen Fans ("Spasiba"), er gratulierte seinem Teamkollegen zum Sieg, aber er wollte nicht so richtig viel reden. Kein expliziter Vorwurf an sein Team, kein Gejammer, kein Wort über den verpassten Rekord von Michael Schumacher. Hamilton weiß, dass er diesen Rekord von 91 Grand-Prix-Siegen einstellen und übertreffen wird, er weiß auch mit einiger Sicherheit, dass er am Ende der Saison die sieben Titel in seiner Vita haben wird, die Schumacher bislang zum alleinigen Rekordweltmeister machen. Und Hamilton weiß bestimmt, dass er an dem Desaster zumindest eine kleine Mitschuld trägt. Das rote Licht in Monza hätte auch er sehen müssen, und nur, weil man sechsmal Weltmeister ist, darf man entlang einer Rennstrecke eben nicht stehenbleiben, wo man will.
VALTTERI BOTTAS: Auch wenn er das Rennen gewonnen hat, ist der Finne einfach kein Siegertyp. Das drastische "F*** you" an die Adresse seiner Kritiker, unmittelbar nach der Zieldurchfahrt in den Boxenfunk geblafft, war weder souverän noch der Situation angemessen. Bottas sollte einen Sieg wie diesen nicht feiern, als habe er Hamilton im direkten Duell auf der Strecke bezwungen, das nämlich hat er nicht. Das hat er in der Vergangenheit so gut wie nie, wenn er ganz oben auf dem Podest stand, hatte Hamilton oft entweder Probleme mit dem Auto, mit den Reifen oder mit seiner Boxencrew. Bottas ist ein Wingman, ein Helfer, daran ändern auch abgestaubte Siege nichts. Und die weinerliche Art, mit der er sich in Sotschi gegen Kritik zur Wehr setzte, unterstreicht nur seine Rolle als klassische Nummer zwei.
SEBASTIAN VETTEL: Es war sein 250. Rennen in der Formel 1, und es endete erneut alles andere als erfreulich für den viermaligen Weltmeister. Der rote Ritter von der traurigen Gestalt macht sich gar nicht mehr die Mühe, seinen Frust irgendwie zu verbergen. Ja, Vettel freut sich auf den Nürburgring, es ist immerhin sein Heimrennen, aber er wird es mit einem nicht konkurrenzfähigen Auto bestreiten müssen. "Das Rennen wird sehr besonders", sagte er in Sotschi, "aber das Auto ist leider dasselbe wie in den vergangenen Monaten." Man kann es kaum erwarten, einen der anerkannt besten Fahrer im Feld im kommenden Jahr endlich wieder in einem wettbewerbstauglichen Dienstwagen zu sehen. Dann bei Aston Martin in gediegenem "British Racing Green".
SPRUCH DES WOCHENENDES: "Ich möchte niemals von sehr gut auf gut runterrutschen." (Mercedes-Teamchef Toto Wolff auf die Frage nach seiner beruflichen Zukunft)