Das Formel-1-Reife(n)zeugnis des SID: Spa
Das Formel-1-Reife(n)zeugnis des SID: Spa
Spa-Francorchamps (SID) - CHARLES LECLERC: Der junge Monegasse hält alles, was die Experten seit mehr als einem Jahr versprechen. "Prinz Charles" steht für die Zukunft der Formel 1 und wohl auch für die von Ferrari. Sein fahrerisches Können, seine Jugend, sein Selbstbewusstsein sind unwiderlegbare Argumente dafür, dass hier ein kommender Weltmeister unterwegs ist. So richtig freuen konnte sich Leclerc über seinen ersten Formel-1-Sieg aber nicht. Der Unfalltod seines Freundes Anthoine Hubert im Formel-2-Rennen am Samstag hatte ihm sein Lachen geraubt.
SEBASTIAN VETTEL: Man muss kein Prophet sein, um dem viermaligen Weltmeister (mit Red Bull) eine schwierige Zukunft zu prophezeien. In Spa war Vettel nie wirklich konkurrenzfähig, die Teamorder von Ferrari, die ihn anwies, Leclerc vorbeizulassen, muss eine schmerzhafte Demütigung gewesen sein. Vettel ist nicht mehr der Fahrer Nummer eins bei der Scuderia, in Spa war er nur noch der Wingman von Charles Leclerc. Es scheint längst nicht mehr unmöglich, dass Vettel nach dieser Saison aussteigt. Es wäre ein unwürdiges Ende einer großen Karriere, die er doch eigentlich mit einem WM-Titel in Rot krönen wollte.
LEWIS HAMILTON: Der Weltmeister machte das Beste aus seinen Möglichkeiten, obwohl ihm die Highspeed-Achterbahn in den Ardennen einfach nicht so richtig liegt. Viermal ist Hamilton in Spa schon ausgeschieden, öfter als bei jedem anderen Rennen. Dass er Charles Leclerc in den letzten Runden fast noch abgefangen hätte, zeugt von Hamiltons fahrerischer Klasse, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Mercedes in Sachen Speed ein bisschen nachlegen muss.
MAX VERSTAPPEN: Tja, Max, das war nix. Der Orange Army auf den Tribünen stockte der Atem, als ihr Held schon nach wenigen Hundert Metern in der Bande landete. Verstappen hatte den Start verpennt, sich mit Räikkönen gefetzt und war dann mit gebrochener Vorderradaufhängung abgeflogen. Er nahm es locker, das zeichnet ihn ja vor allem aus. Frei nach dem Motto "Shit happens" machte sich Verstappen gut gelaunt auf den Weg nach Monza.
EAU ROUGE: Als Niki Lauda 1976 in seinem lichterloh brennenden Ferrari fast sein Leben verlor, war das Ende der berühmt-berüchtigten Nürburgring-Nordschleife besiegelt. Als der junge Franzose Anthoine Hubert am Samstag in der nicht minder berüchtigten Eau Rouge von Spa in den Trümmern seines Formel-2-Autos starb, wurden erste Rufe nach einer Entschärfung laut. Vor allem die Eau Rouge/Raidillon-Passage mit ihrer breiten asphaltierten Auslaufzone steht in der Kritik. Vielleicht fordert sie dem wilden Nachwuchs in seinen rasend schnellen Kisten ja wirklich zu viel ab. Der Motorsport wird jedenfalls wieder über das Thema Sicherheit diskutieren. An den Autos liegt es nicht, bei einem Frontalaufprall mit fast 300 km/h helfen halt auch Kohlefaser und Titan nicht mehr. Am Ende wird der Mensch im Cockpit immer der Unsicherheitsfaktor Nummer eins bleiben.
DIALOG DES WOCHENENDES: "Max, wann gehörst du eigentlich nicht mehr zur jungen Fahrergeneration?" - "Wenn ich alt bin." - "Wann ist man denn alt?" - "Mit 30." (Max Verstappen im Gespräch mit einem niederländischen Journalisten)