Fragen und Antworten zum "Fall Caster Semenya" (zusammengestellt vom SID)

Fragen und Antworten zum "Fall Caster Semenya" (zusammengestellt vom SID)
Lausanne (SID) -
Der Leichtathletik-Weltverband IAAF will einen Testosteron-Grenzwert für Frauen von 5 Nanomol pro Liter einführen, den die Sportlerinnen in den sechs Monaten vor internationalen Starts einhalten müssen. Dies zwingt Athletinnen mit "Differences of Sexual Development" (DSD) wie Hyperandrogenämie dazu, ihren natürlichen Testosteronwert mit Medikamenten künstlich zu senken. Dagegen hatte die zweimalige 800-m-Olympiasiegerin Caster Semenya aus Südafrika geklagt. Athletinnen mit DSD haben einen teilweise deutlich erhöhten Testosteronwert.
Wie lautet die Entscheidung?
Der Internationale Sportgerichtshof CAS wies den Einspruch Semenyas ab. Allerdings beurteilte das dreiköpfige Gremium die Regelung als "diskriminierend". Als wichtiger empfanden die Richter - allerdings nicht einstimmig - das Ziel der IAAF, die Integrität des Frauensports aufrechtzuerhalten. Ein klarer Sieg für die IAAF ist die Entscheidung nicht. Dafür gibt es noch zu viele offene Fragen bei der Umsetzbarkeit der Regelung. Was ist, wenn bei Sportlerinnen Nebenwirkungen bei Medikamenten auftauchen? Was ist, wenn eine Sportlerin unverschuldet über dem Grenzwert liegt? Zudem empfahl der CAS, die Regelung für die Strecken 1500 m und Meile auszusetzen, weil die wissenschaftlichen Daten gering seien.
Warum ist der Fall so kompliziert?
Im Endeffekt musste das Gericht zwischen den Rechten Semenyas und den möglichen Auswirkungen auf den Frauensport abwägen. Der Fall berührt nämlich auch die Rechte der Konkurrentinnen Semenyas, ethische Probleme und die Frage über die Teilhabe aller am Sport.
Wie kam es dazu?
2009 gewann die damals 18-jährige Semenya bei der WM in Berlin überraschend Gold. Es folgte eine - auch durch IAAF-Funktionäre - teilweise geschmacklose Debatte über das Geschlecht Semenyas. Eine später eingeführte Regel wurde 2015 vom CAS außer Kraft gesetzt, nachdem die indische Sprinterin Dutee Chand vor dem CAS geklagt hatte. Die IAAF bekam Zeit, wissenschaftliche Beweise vorzulegen, die neue Regelung sollten ursprünglich im November 2018 in Kraft treten, dagegen zog Semenya vor den CAS.
Wie argumentierte die IAAF?
Die IAAF legte eine Studie vor, in der die Autoren zu dem Schluss kommen, dass die Leistungsvorteile von Athletinnen mit DSD bis zu 4,5 Prozent betragen. Allerdings wurde diese Studie von Wissenschaftlern kritisiert, weil bis zu einem Drittel der Daten fehlerhaft seien. Die IAAF betonte, dass der Großteil der Frauen Testosteronwerte zwischen 0,12 und 1,79 Nanomol pro Liter hat, Männer zwischen 7,7 und 29,4 Nanomol pro Liter haben. Die IAAF betonte immer wieder, ihr gehe es um den "fairen Wettbewerb" zwischen Frauen.
Darf Semenya bei der WM in Doha starten?
Ja, wenn sie innerhalb von einer Woche ihre Werte unter die vorgeschriebene Schwelle bringt. Die IAAF teilte mit, die Regelung trete nun am 8. Mai in Kraft. Ursprünglich war geplant, dass Athletinnen den Wert vor internationalen Starts sechs Monate lang im erlaubten Bereich halten müssen. Die WM findet von 27. September bis 6. Oktober statt. Da sich jedoch das Gerichtsverfahren verzögerte, ursprünglich war das Urteil für Ende März geplant, ist die Einhaltung des Zeitraums nicht mehr möglich. Deshalb erklärte die IAAF nun, dass der Wert erst ab 8. Mai einzuhalten sei. Natürlich dürfte Semenya auch über eine Strecke starten, die nicht unter die Regelungen fallen, dann müsste sie ihren Testosteronwert nicht senken. Zuletzt lief Semenya mehrmals über die 5.000 m.
Wie geht es jetzt weiter?
Sehr wahrscheinlich ist, dass Semenya vor das Schweizer Bundesgericht ziehen wird. Auch ein Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist möglich.