Kampf um die Medaille: Favoriten auf der Normalschanze
Kampf um die Medaille: Favoriten auf der Normalschanze
Am Samstag gehen die Skispringer in ihre erste Entscheidung bei den Olympischen Winterspielen von Pyeongchang. Auf der Normalschanze müssen sich auch die deutschen DSV-Adler beweisen. Dabei haben es Richard Freitag und Co. mit namhafter Konkurrenz zu tun. Die Favoriten im Check:
Kamil Stoch (Polen): Der Perfekte
Wenn es so etwas wie einen kompletten Skispringer gibt, dann ist es der 30-Jährige aus Zakopane. Normalschanze, Großschanze, Flugschanze - Stoch kann sich blitzschnell umstellen. Sein Flugsystem ist derart stabil, derart vollendet, dass er auch hin und wieder auftretende Ungenauigkeiten beim Absprung kompensieren kann. Stoch gewann 2014 in Sotschi beide olympischen Einzelwettbewerbe, zuletzt siegte er mit Erfolgen in allen Springen zum zweiten Mal bei der Vierschanzentournee und zeigte dabei sein weiteres großes Plus: fast schon unheimliche Nervenstärke.
Stefan Kraft (Österreich): Österreichs Einziger
Kraft ist Fan der Münchner Bayern, doch ansonsten ist jeder Erfolg über die leidenschaftlich hassgeliebten "Deitschn" für ihn ein besonders schöner. 2017 schnappte der Pongauer Andreas Wellinger zweimal WM-Gold vor der Nase weg, holte zudem den Skiflug-Weltrekord. Kraft startete stark in die Saison, verlor dann aber während der Tournee den Faden. Es hapert im Flugsystem, dies dürfte sich aber gerade auf der kleinen Schanze weniger auswirken. Allerdings: Kraft ist einziger Hoffnungsträger der zuletzt verheerend schlechten Österreicher, der Druck entsprechend riesig.
Andreas Wellinger (Deutschland): Der Abonnement-Vize
Mit Silbermedaillen und anderen Auszeichnungen für zweite Plätze könnte Wellinger seine Mietwohnung tapezieren, in der er mittlerweile in München wohnt. In der vorolympischen Saison wurde er zweimal Vizeweltmeister und Gesamtweltcup-Zweiter und belegte in acht Weltcupspringen Rang zwei, im laufenden Olympiawinter gab es bei der Vierschanzentournee - richtig: Platz zwei.
Auf den ganz großen Einzelerfolg wartet der erst 22 Jahre alte Team-Olympiasieger von Sotschi noch. Schon im ersten Olympiaspringen, das deutete Wellinger bei seinem Qualifikationsieg an, könnte die Wartezeit enden.
Richard Freitag (Deutschland): Der Rätselhafte
Nein, so richtig schlau ist zeit seiner Karriere noch niemand aus dem Skispringer Richard Freitag geworden. Erst sprang er jahrelang trotz gewaltigem Talent und vereinzelter Erfolge unter dem Radar und den Erwartungen, flog in Sotschi gar aus dem Gold-Team.
Dann folgte im Olympiawinter quasi aus dem Nichts der Durchbruch im gesetzten Skisprung-Alter, Freitag war auf einmal ein Siegspringer, der auch nach seinem schweren Tourneesturz in Innsbruck nichts an Stabilität einbüßte. Doch kurz vor Olympia schlichen sich wieder, ebenfalls aus dem Nichts, Wackler ein, die Generalprobe in Willingen ging völlig in die Hose. In Pyeongchang ist wirklich alles drin für Freitag. Positiv wie negativ. Wie immer.
Dawid Kubacki (Polen): Der Reserve-Stoch
Dass Kubacki mit knapp 28 Jahren noch nicht über die Rolle des Schattenmanns im polnischen Team hinter Überflieger Kamil Stoch hinausgekommen ist, hat er sich zum Großteil selbst zuzuschreiben: Ein Riesenspringer wie er, und dann kein einziger Weltcupsieg und nur zwei Podestplätze im Einzel - ein Unding. Kubacki, der die Grand-Prix-Wettbewerbe im Sommer nach Belieben gewann, steht quasi seit Jahren unmittelbar vor dem großen Durchbruch. In Pyeongchang zeigte er in Probe und Qualifikation beständig starke Leistungen. Kubacki ist mehr als ein Geheimfavorit.
Peter Prevc (Slowenien): Der Suchende
Dass Springer, die deutlich über allen anderen standen, auf einmal ins Mittelmaß oder noch tiefer abrutschen, kommt regelmäßig vor. Beim Finnen Toni Nieminen, dem ersten Überflieger des V-Stils war, bei Gregor Schlierenzauer, dem enigmatischen Österreicher, ist das so. Ganz so brutal ist der Fall des Peter Prevc nicht. Aber von dem Springer, der in der Saison 2015/16 im Grunde unschlagbar war, ist nicht mehr viel übrig. Dabei sind es bei Sloweniens Nummer eins Kleinigkeiten, die seine Rückkehr zum Sieganwärter verhindern. Und weil er diese von einem Tag auf den anderen und damit auch schon in Pyeongchang realisieren könnte, muss man Prevc auf der Rechnung haben.
Simon Ammann (Schweiz): Der Romantische
Hach, der Simi! Es hätte höchsten Charme, wenn sich das, was in Salt Lake City 2002 aus heiterem Himmel geschah und sich in Vancouver 2010 auf wundersame Weise wiederholte, erneut im Acht-Jahres-Rhythmus, der in der Schweiz sprichwörtlichen "Simiade", erneut ereignen könnte. Der bald 37 Jahre alte Doppel-Doppel-Olympiasieger ist freilich kein Siegspringer mehr, für einen neuen Coup in Pyeonchang müsste schon Unwahrscheinliches passieren. Aber das Unwahrscheinliche ist Ammann ureigen.