Doping: Oberstaatsanwalt Gräber fordert Kronzeugenregelung auch im Sportrecht
Zwei Jahre nach der Dopingrazzia in Seefeld schaut Kai Gräber, Chefermittler in der "Operation Aderlass", gespannt auf die Titelkämpfe in Oberstdorf.
Köln (SID) - Zwei Jahre nach der Dopingrazzia bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld schaut der Münchner Oberstaatsanwalt Kai Gräber gespannt auf die Titelkämpfe in Oberstdorf. "Ich hoffe schon, dass sich etwas verändert hat, auch wenn ich nicht meine Hand dafür ins Feuer legen würde, dass der Sport sauberer geworden ist", sagte der Leiter der Dopingschwerpunktstaatsanwaltschaft in München und Chefermittler in der "Operation Aderlass" der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten (Mittwochsausgaben).
"Aber Seefeld liegt ja noch nicht allzu weit zurück, deshalb könnte ich mir schon vorstellen, dass die sauberen Athleten in Oberstdorf ein anderes Wettkampfgefühl erleben", sagte Gräber, "schließlich ging von der Operation Aderlass und dem folgenden Prozess gegen das Dopingnetzwerk des Mediziners Mark S. das klare Signal aus, dass Verstöße auch hart sanktioniert werden. Ich bin sicher, dass Mediziner, Betreuer und Athleten künftig auch das Risiko einer sehr erheblichen Strafe ins Kalkül ziehen, wenn sie sich pro oder kontra Doping entscheiden."
Die wichtigste Erkenntnis aus dem Fall S. ist aus Sicht von Gräber, dass "erfolgreiche Anti-Doping-Arbeit nur über die Strafverfolgungsbehörden geht. Die Verurteilungen waren letztlich nur möglich, weil wir mit den Mitteln, die wir zur Strafverfolgung haben, einschreiten und Beweise sichern konnten. Das ist weder dem Sport noch den Verbänden noch den Medien möglich."
Deshalb begrüßt Gräber, dass seine Forderung nach einer Kronzeugenregelung im Anti-Doping-Kampf nun umgesetzt werden dürfte, und wünscht sich eine ähnliche Regelung im Sportrecht: "Auch die Operation Aderlass hat gezeigt, dass es ohne Informationen aus der Szene im Sport keine Fälle gibt. Deshalb ist es enorm wichtig, durch eine mögliche Strafmilderung Anreize für potenzielle Mitteiler zu schaffen. Allerdings ist auch im Sportrecht eine entsprechende Regelung nötig – es bringt nichts, wenn Kronzeugen im Strafprozess mit mildernden Umständen rechnen können, aber für vier Jahre gesperrt werden."
S. war am 15. Januar wegen Verstößen gegen das Anti-Doping-Gesetz und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Zudem erhielt er drei Jahre Berufsverbot und 158.000 Euro Geldbuße. Auch die vier Mitangeklagten von S. wurden verurteilt, unter anderem zu Bewährungs- und Geldstrafen. Die Verteidiger von S. haben Revision eingelegt. Damit geht die juristische Auseinandersetzung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe weiter.