Jannik Schümann: "Ich bin der absolute Heuler"
Jannik Schümann spielt in "Dem Horizont so nah" Kickboxer Danny, der seiner großen Liebe Jessica eine schmerzliche Erfahrung aus seiner Vergangenheit anvertrauen muss. Im Interview spricht der Schauspieler über seine herausfordernde Rolle und seine eigene emotionale Seite.
Jannik Schümann (27, "Charité") spielt in "Dem Horizont so nah" (deutscher Kinostart: 10. Oktober) Model und Kickboxer Danny, der sich Hals über Kopf in Jessica (Luna Wedler) verliebt. Doch die perfekte Fassade des gutaussehenden Sportlers bröckelt, als er Jessica ein Geheimnis anvertrauen muss: Er ist HIV-positiv. Wird Jessica zu ihm stehen und bei ihm bleiben? Der Film basiert auf der wahren Geschichte des Erstlingsromans von Jessica Koch. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät Jannik Schümann, warum die Rolle körperlich und emotional eine besondere Herausforderung für ihn war. Zudem spricht er über seine ausgeprägte weiche Seite und die besondere Gabe von Kollegin Luna Wedler (20).
Was hat Sie an der Rolle Danny gereizt?
Jannik Schümann: Ich konnte noch nie jemanden spielen, der sehr viel Leid zeigen muss, weil mir die Leute das nicht zugetraut haben. Wie Danny mit Kraft und Stärke nach dem steinigen Weg seiner Kindheit wieder aufgestanden ist und zu diesem Menschen geworden ist, fand ich ganz toll. Ich habe das als große Herausforderung gesehen, jemanden mit einer Schutzmauer um sich herum zu spielen und dann die Nuancen zu finden, wie ich das durchbrechen kann.
War die Rolle dadurch sehr kraftraubend für Sie?
Schümann: Das Schwierige beim Dreh war, dass ich mit unserem Regisseur Tim [Trachte, Anm. d. Red.] die Szenen genau einteilen musste: wo lasse ich etwas zu, wo bleibe ich hart. Ich habe oftmals erst Versionen gespielt, die zu weich waren und ich härter werden musste. Aber im Ganzen waren die Dreharbeiten eher kraftraubend aufgrund der plakativen Kraft, also der optischen Veränderung.
Wie haben Sie sich auf die Kickbox-Szenen vorbereitet?
Schümann: Es war das Schwierigste, was ich körperlich bis jetzt machen musste. Von Juni bis Oktober letzten Jahres bin ich zwei Mal die Woche zum Kickbox-Training gegangen, dazu kam noch Kraftsport mit einem Personal Trainer. Ich bin wirklich erstaunt, wie schlau die Szenen zusammengeschnitten wurden, sodass es aussieht, als könnte ich das (lacht). Kampfsport ist auf jeden Fall nicht mein Sport.
Haben Sie trotzdem Lust bekommen, noch einmal einen Sportler zu spielen?
Schümann: Ich hätte total Lust, einen Ruderer oder Leichtathlet zu spielen, wo man eine richtig intensive Vorbereitung benötigt. Ich würde auch gerne einen Tanzfilm machen, da gibt es hierzulande noch keinen guten. So eine deutsche "Step Up"-Version wäre perfekt.
Ihre Rolle ist an HIV erkrankt. Haben Sie sich mit dem Thema genauer beschäftigt?
Schümann: Auf jeden Fall. Ich wollte vor allem erfahren, wie die Leute in den 90er-Jahren mit dem HI-Virus leben konnten oder nicht, wie die medizinische Situation war und was sich zu heute verändert hat. Wir zeigen aber keinen jungen Mann, der an Aids erkrankt ist und abgemagert im Bett liegt, sodass ich mich mit der Erkrankung an sich nicht beschäftigen musste. Man erlebt Danny noch als gesunden Menschen.
Will der Film einer Aufklärungsfunktion nachkommen?
Schümann: Nein. Der Film hat eine ganz andere Moral, nämlich dass man für die Liebe kämpfen soll, egal wie lange sie dauert und dass man sein Herz auch mal entscheiden lassen darf und darüber hinwegsieht, was andere Einem raten. Ich hoffe, dass die Zuschauer diese Liebe spüren und auch so eine erste Liebe haben wollen oder sich an ihre zurückerinnern.
Was ist Ihnen bei einem Liebesfilm wichtig, damit er nicht zur schlechten Schnulze avanciert?
Schümann: Ich muss dauernd Herzschmerz haben, auch in den schönen Momenten. Der erste Kuss muss wehtun, weil er so schön ist. Ich muss mitgehen und mitleiden und zu eintausend Prozent wollen, dass das Liebespaar zusammenkommt und -bleibt. Das Paar muss harmonieren, bei vielen Filmen merkt man, dass die beiden nicht die besten Freunde waren. Der letzte Kinofilm mit einer tollen Liebesgeschichte war für mich "A Star Is Born" - besonders die Kennenlerngeschichte auf dem Supermarktplatz war perfekt realistisch.
Mit Luna Wedler hat die Harmonie gestimmt?
Schümann: Schon beim ersten Casting hat es gefunkt - im positiven Spielsinne. Luna gibt einem so viel, was man benutzen kann und ich kenne keinen in dieser Generation, der so natürlich und authentisch spielt. Wir sind wirklich unterschiedlich am Set, aber die Mischung macht's. Ich bin total geordnet und strukturiert und sie ist spontaner.
Der Film basiert auf der gleichnamigen Buchvorlage von Jessica Koch, die auf wahren Begebenheiten basiert. Geht man da anders an die Rolle heran?
Schümann: Die Vorbereitung ist dieselbe, aber man hat einen anderen Druck, weil man Jessica zufrieden stimmen und ihrem Buch gerecht werden will. Sie hat mir auch Fotos von Danny gezeigt, da wurde das Ganze noch einmal greifbarer. Bei der Vorbereitung haben mir vor allem die beiden anderen Bücher ihrer Trilogie geholfen. Beim Lesen des zweiten Bandes war ich kurze Zeit sauer, da sie über 300 Seiten im Detail den Missbrauch in Dannys Kindheit beschreibt, aber es war für mich die perfekte Vorbereitung, da ich alles genau vor Augen hatte.
Sie haben verraten, dass Sie beim Drehbuch lesen Tränen verdrückt haben. Würden Sie sich als emotional beschreiben?
Schümann: Zu einhundert Prozent. Ich bin der absolute Heuler. Ich finde es wichtig, dass man Emotionen zeigt - jedes Geschlecht in jedem Alter. Beim Drehbuch lesen ist mir das allerdings zum ersten Mal passiert. Die Geschichte klingt so erfunden und dramatisch, aber mit dem Hintergrundwissen, dass sie wahr ist, ist sie einfach überwältigend.