Oscars 2020: Eine gewaltige Überraschung und schlechtes Männergewissen
Nach der Oscar-Verleihung 2020 scheint eine Sache gewiss: Die Google-Suchanfragen zu "Parasite" dürften durch die Decke gehen.
Eine lange und schillernde Oscar-Nacht, in der die Filmindustrie seine größten Werke und wie immer auch ein Stück weit sich selbst gefeiert hat, ist vorbei. Wie schon bei der 91. Ausgabe im vergangenen Jahr sparte sich die Academy auch 2020 wieder die Suche nach einem Gastgeber und verteilte die Verantwortung auf viele prominente Schultern. Das half sicherlich dabei, den Angstschweiß bei den Veranstaltern auf ein Minimum zu reduzieren - man denke im Vergleich nur an die derb-genialen Tiraden eines Ricky Gervais (58) bei den Golden Globes. Aber wer Kontroverse um jeden Preis vermeiden will, verbaut sich damit auch die Chance auf ein unvergessliches Stück TV-Geschichte. Oder doch nicht?
Einen großen Gefallen haben sie sich gleich zu Beginn jedenfalls nicht unbedingt mit ihrem La-la-la-la-Mitsing-Einstieg getan. Da blickte ein Leonardo DiCaprio (45) doch etwas peinlich berührt drein und hoffte sichtlich drauf, dass ihm das Mikro nicht zum Trällern unter die Promi-Nase gehalten wird. Einen besseren Job machten da schon Chris Rock (55) und Steve Martin (74) bei ihrer Aufgabe, die Oscars NICHT zu moderieren. Für die beiden erfahrenen Hosts gar kein so einfaches Unterfangen.
Kritik am Frauenmangel
Was sich durch den gesamten Abend zog, war die überdeutliche Kritik an dem Umstand, dass die Academy wieder einmal zu wenige Frauen für ihre Arbeit bedacht hat. Etwa für deren Verdienste auf dem Regiestuhl. Das jedenfalls war der Grundtenor der Oscars 2020. Teilweise wirkte es aber auch befremdlich, wenn die bloße Erwähnung des Wortes "Frauen" für Jubelstürme im Saal sorgte. Da klatschte bei manchem Herren wohl auch das schlechte Gewissen mit.
Als dann bei der Dankesrede für "Bombshell - Das Ende des Schweigens" (Make-up) auch noch zwei Frauen durch das Orchester an ihrer Dankesrede gehindert wurden und nur ihr männlicher Kollege zum Zuge kam, war das schon höchst bezeichnend.
Was hängen bleibt
An einem Abend, an dem das (englischsprachige) Mainstream-Kino für das genaue Gegenteil von Spannung sorgte, war es einzig der Südkoreaner Bong Joon Ho (50) und sein Film "Parasite", der die Wettscheine aller Oscar-Tipper ruiniert haben dürfte. Mit insgesamt vier Oscars (jeder davon eine Premiere für Südkorea) kann das Sozialdrama als der Abräumer des Abends bezeichnet werden. Kein anderer Film, darunter "Joker" (elf Nominierungen, zwei Gewinne) oder "1917" (zehn Nominierungen, drei Gewinne) konnte da mithalten.
Dass man in der Academy noch immer Ressentiments gegenüber Produktionen von Streamingplattformen hat, bewies derweil Martin Scorseses (77) Gangster-Epos "The Irishman" eindrucksvoll. Von zehn Nominierungen konnte der Film keinen einzigen gewinnen und darf durchaus als der Verlierer der Veranstaltung tituliert werden.
Als Fazit bleibt stehen: Die Oscar-Verleihung 2020 bot bei vielen Preisen und im Grunde während der gesamten Show drum herum gewohnte Kost. Wenn, ja wenn sich nicht ein gewisser "Parasite" in Hollywood festgesetzt hätte, um den Abend doch noch auf links zu drehen.
Die wichtigsten Gewinner im Überblick
Bester Film: "Parasite"
Beste Regie: Bong Joon Ho, "Parasite"
Bester Hauptdarsteller: Joaquin Phoenix, "Joker"
Beste Hauptdarstellerin: Renée Zellweger, "Judy"
Bester Nebendarsteller: Brad Pitt, "Once Upon a Time... in Hollywood"
Beste Nebendarstellerin: Laura Dern, "Marriage Story"
Bestes Originaldrehbuch: Bong Joon Ho, "Parasite"
Bestes adaptiertes Drehbuch: Taika Waititi, "Jojo Rabbit"
Bester Animationsfilm: "A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando"
Bester internationaler Film: "Parasite"