"Robin Hood": Selbst "Helden in Strumpfhosen" ist nicht so albern
Wieder gibt es eine neue "Robin Hood"-Verfilmung im Kino zu bestaunen. Doch allmählich muss die Frage erlaubt sein: Klaut der König der Diebe nicht hemmungslos von sich selbst?
Was haben Spider-Man und Robin Hood gemein? Beiden scheint die Traumfabrik in regelmäßigen und teils viel zu kurzen Abständen eine filmische Frischzellenkur verpassen zu müssen. Doch während die Formkurve beim Marvel-Helden zuletzt dank Tom Holland als freundliche Spinne von nebenan deutlich nach oben zeigte, möchte man Otto Bathursts Neuinterpretation des Rächers der Enterbten am liebsten ganz tief im Sherwood Forest aussetzen.
Alles bleibt anders
Als junger Adeliger hat Robin von Locksley (Taron Egerton) alles, wonach ihm dürstet - und noch etwas mehr. Und selbst die ebenso taffe wie wunderschöne Marian (Eve Hewson) fällt für den Glückspilz eines Tages buchstäblich vom Himmel. Doch lange währt ihre Liebe nicht, Robin wird nach Arabien in die Kreuzzüge geschickt. Als er Jahre in erbitterten Schlachten gedient hat und in seine Heimat zurückkehrt, erkennt er diese nicht wieder.
Der skrupellose Sheriff von Nottingham (Ben Mendelsohn) hat die Lockleys enteignet und im Verbund mit der nicht minder korrupten Kirche eine Schreckensherrschaft etabliert. Noch schlimmer aber wiegt für Robin die Nachricht, dass die Liebe seines Lebens inzwischen mit einem anderen Mann namens Will Scarlet (Jamie Dornan) zusammen ist. Lange verzagt er aber nicht, was er seinem neuen Gefährten John (Jamie Foxx) zu verdanken hat, den er im Krieg kennenlernte. Der bildet Robin nicht nur zum Meisterschützen aus, sondern bringt ihn auf eine bahnbrechende Idee: Die Reichen zu bestehlen, um es den Armen zu geben...
Alter Fraß aus neuen Filmdosen
Der Film beginnt sogleich mit einer handfesten Lüge: Per Voice-over wird dem Zuschauer ein ach so unterschiedliches Abenteuer im Vergleich zu der altbekannten Heldenreise vom adeligen Robin von Locksley hin zum Rächer der Enterbten versprochen. Einen neuen Anstrich bekommt die Geschichte aber nur optisch oder in Nuancen. Little John ist nun also Moslem und im Grunde ein Hybrid mit Morgan Freemans Azeem aus "Robin Hood - König der Diebe". Maid Marian verdingt sich selbst als Diebin und bandelt mit einem anderen Mann an. Und aus dem Titelhelden ist ein Übermensch geworden, der glatt Hawkeye aus dem "Avengers"-Team arbeitslos machen könnte. Armer Hawkeye.
Das Problem: Jede der Neuerungen wirkt gezwungen und macht aus "Robin Hood" einen schlechteren Film. Als Zuschauer spürt man förmlich, wie verzweifelt nach neuen Facetten in einer Erzählung gesucht wurde, die neuer Facetten nicht bedurfte. Und so wirkt Bathursts Werk am Ende so, als habe der Regisseur selbst nicht mehr gewusst, was für eine Art Film er gerne gemacht hätte.
"Black Hood Down"
Warum zum Beispiel müssen sämtliche Charaktere so herumlaufen, als hätten die Kostümdesigner aus Versehen die Klamotten von "Die Tribute von Panem" bereitgelegt und niemand traute sich, auf diesen Fehler hinzuweisen? Warum muss Robin Hood wie ein gottgleicher Ninja den Gesetzen der Schwerkraft trotzen und sogar in der Lage sein, Pfeilen aus kürzester Distanz in "Matrix"-Manier auszuweichen?
Als "Kingsman" hat Taron Egerton beste Erfahrungen mit überkandidelter Action machen dürfen. Und das funktionierte, weil sich die Reihe selbst nicht zu ernst nimmt. Der neue "Robin Hood" wirkt dadurch aber zumeist unfreiwillig komisch und in vielerlei Hinsicht alberner als Mel Brooks' herrlich dämlichen "Helden in Strumpfhosen". Etwa bei der rabiaten Anfangssequenz, die aus dem Kreuzzug eine Straßenschlacht wie aus "Black Hawk Down" macht - und aus einer Repetierarmbrust ein Maschinengewehr.
Nun kann dieser Art der Abwandlung attestiert werden, dass, wenn schon nicht erzählerisch, zumindest durch die Darstellung versucht wird, Neues zu zeigen. Eine viel größere Krux wird dadurch aber bewusst: Beim Blick auf die Zuschauerzahlen in den USA wird deutlich, dass schlichtweg kaum jemand auf einen König der Diebe als Bombast-Actionheld gewartet zu haben scheint. Zumal "Robin Hood" eben nur für einen "Robin Hood"-Streifen neue Schauwerte bietet - in anderen Filmen hat man das Gezeigte schon bis zur Ermüdung (und besser umgesetzt) bestaunen können.
Guter Bösewicht?
Machen wir uns nichts vor: An den inzwischen verstorbenen Alan Rickman, der den Sherriff von Nottingham 1991 verkörperte, wird wohl nie wieder jemand heranreichen können. Der wollte Robin Hood alias Kevin Costner noch das Herz mit einem Löffel herausschneiden ("Weil es stumpf ist, Trottel - es tut mehr weh!"). Aber auch stumpfe Kino-Unterhaltung kann ganz schön schmerzen.
Ben Mendelsohn tut zwar sein Bestes, der Figur seine eigene Art der Diabolik zu verleihen. Leider wirkt er mit seiner faschistoiden Boshaftigkeit aber wie ein Abklatsch seiner Rolle in "Star Wars: Rogue One". Dass er es weit besser als in diesen beiden Beispielen kann, bewies er schon in "Animal Kingdom".
Fazit:
Das hat der König der Diebe wahrlich nicht verdient. Ins Schwarze trifft der Streifen von Otto Bathursts nicht, sondern verfehlt die Unterhaltungs-Zielschiebe komplett. Genau genommen ballert er seinen Pfeil noch nicht einmal in deren ungefähre Richtung. Etwas Gutes ist dem Streifen aber doch abzugewinnen: Der Zuschauer bekommt Lust, die eigene DVD-Sammlung zu durchforsten und entweder "König der Diebe", "König der Vagabunden" oder Disneys zuckersüße Zeichentrick-Version einzuwerfen. Oder zumindest einmal Bryan Adams' "(Everything I Do) I Do It For You" aufzudrehen. Der - you know it's true - geht immer.