"Feuchtgebiete": Mit Urin und Eiter zum Bestseller
Charlotte Roche hat mit ihrem Roman "Feuchtgebiete" 2008 bewiesen, wie erfolgreich Tabubruch sein kann. Die Verfilmung läuft am Montag im ZDF. Für Buch und Film braucht man starke Nerven...
Wie man mediale Aufmerksamkeit erregt, wusste Charlotte Roche (37) sicher schon lange, bevor ihr Roman "Feuchtgebiete" (Dumont, 220 Seiten, 14,90 Euro) im Februar 2008 erschien. Die Free-TV-Premiere der Verfilmung läuft am 4. Mai im ZDF (22.15 Uhr). Als Moderatorin stand Roche unter anderem schon für Viva, arte und das ZDF vor der Kamera und hatte damit den Bayerischen Fernsehpreis (2002) und den Grimme-Preis (2004) eingeheimst. Mit ihrem Debüt als Autorin kam noch eine Ehrung dazu - und die hieß "Bestseller des Jahres". Dass man auf dem Buchmarkt auch ohne Literaturnobelpreis-verdächtigen Stil Erfolge feiern kann, ist nun mal nicht erst seit E.L. James und "Shades of Grey" bekannt. Manchmal reicht eben auch die richtige Thematik - und die hieß in "Feuchtgebiete": Intimrasuren, Körperflüssigkeiten, Masturbation, Analverkehr...
Einen Vorgeschmack auf die Verfilmung von "Feuchtgebiete" können Sie sich auf MyVideo holen
Die Story
Helen ist 18 und nach einer missglückten Intimrasur im Krankenhaus gelandet, wo sie wegen einer Analfissur und Hämorrhoiden operiert werden soll. Gegen einen längeren Krankenhausaufenthalt hat sie nichts einzuwenden: Sie hegt nämlich die Hoffnung, dass sich ihre geschiedenen Eltern an ihrem Krankenbett versöhnen. Nebenbei flirtet sie mit dem Krankenpfleger Robin, den sie die Stellen ihres Körpers fotografieren lässt, die sie selbst schlecht einsehen kann. Sie kümmert sich außerdem um ihre Sammlung von Avocadokernen, die sie zur Masturbation benutzt. Aber nicht nur Selbstbefriedigung wird zum Thema in "Feuchtgebiete": Helen erzählt von ihren sexuellen Erfahrungen und von ihrer Einstellung zu Menstruationsblut, Urin, Eiter, Sperma,... "Eine Exkursion zu den letzten Tabus der Gegenwart", nennt der Dumont-Verlag den Roman. Das Buch rebelliere gegen "Hygienehysterie und die sterile Ästhetik der Frauenzeitschriften, gegen den standardisierten Umgang mit dem weiblichen Körper und seiner Sexualität".
Großer Erfolg
Für den Tabubruch wurde der Roman dann auch gehörig gefeiert. Über 2,5 Millionen Mal wurde "Feuchtgebiete" allein in Deutschland verkauft. Dabei schien der Erfolg nicht programmiert. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch hatte das Manuskript noch abgelehnt. Letztendlich wurde aus dem Roman dann aber doch eine echte Attraktion: Er war 2008 nicht nur das meistverkaufte Buch und sieben Monate Bestsellerlisten-Spitzenreiter, sondern auch der erste deutschsprachige Titel, der es auf Platz eins der internationalen Bestsellerliste von Amazon schaffte. Bei Amazon gibt es zu dem gehypten Buch übrigens über 2300 Kundenrezensionen. Überraschenderweise vergaben die meisten (1140) nur einen von fünf möglichen Bewertungssternen...
Der Film
Die Fangemeinde schien dennoch groß genug, um sich über einen "Feuchtgebiete"-Film Gedanken zu machen. Der ließ allerdings erst mal auf sich warten. Die Weltpremiere feierte er auf dem Filmfestival Locarno im August 2013. "Ich habe so lange auf diesen Film gewartet", wird Roche vom ZDF zitiert. "Die Filmrechte habe ich ja schon vor vier Jahren verkauft. Und in diesen vier Jahren haben mir ganz viele aus der Filmbranche gesagt, dass mein Buch eigentlich unverfilmbar ist. Dann fängt man an, sich Sorgen zu machen. Dann habe ich den Film vorgeführt bekommen - ganz alleine - und nach vier, fünf Minuten war mir klar, dass die absolut den Vogel abgeschossen haben."
An den Stoff gewagt hatten sich letztendlich Produzent Peter Rommel und Regisseur David Wnendt. In der Schweizer Schauspielerin Carla Juri fanden sie die ideale Besetzung für die experimentierfreudige Romanheldin: "Nacktheit hat in diesem Film eine emotionale Dimension. Sie entspricht dem seelischen Zustand Helens, und damit hat sie eine Bedeutung. Wäre sie nur voyeuristisch, hätte sie keine Berechtigung und wäre unspielbar." An ihrer Seite sind in "Feuchtgebiete" so bekannte deutsche Schauspieler wie "Tatort"-Star Axel Milberg (als Helens Vater), Meret Becker (Helens Mutter) und Edgar Selge (Professor Notz) zu sehen. Fast eine Million Zuschauer sahen sich den Film im Kino an. Wer ihn verpasst hat, kann das am Montagabend im ZDF nachholen.