Prinz William: Jeder Zoll ein echter König
Der Todestag von Lady Diana jährt sich bald zum 20. Mal. Ihr Sohn Prinz William erinnert sich an die schwerste Zeit seines Lebens, die seinen Charakter mitprägte.
Zwei junge Männer erzählen von ihrer toten Mutter. Manchmal lächelt einer der beiden. Ach ja, die Mama, bisweilen sei sie schon ein verrücktes Huhn gewesen.
Das sagen sie nicht wörtlich, aber so kommt es rüber. Denn so liebt unsere Welt diese Mutter, die größte Stil-Ikone aller Zeiten. Die unvergessene Prinzessin Diana. Für immer die Königin der Herzen. Am 31. August jährt sich ihr Todestag zum 20. Mal. Bis zu diesem Datum wird kein Tag ohne Lady Di vergehen.
Ein gefühlter König der Welt
Die beiden jungen Männer sind ihre Söhne. Prinz William (35) und sein Bruder Prinz Harry (32). Der ältere wird mal König von England sein, was bedeutet: Er wird - trotz Brexit! - Herrscher in der bedeutendsten Monarchie Europas. Ein gefühlter König der Welt!
Schon jetzt sind beide Berühmtheiten. Harry, ein ehemaliger Berufssoldat, gilt als draufgängerischer König aller Partygänger. Und William, ein ehemaliger Rettungshubschrauberpilot, ist unangefochtener Darling of the Empire. Mit diesen Rollen müssen die beiden erst einmal klarkommen.
In unseren postmonarchistischen Zeiten haben sich die meisten Menschen eine seltsame Faszination für die Aristokratie bewahrt. Es geistern jede Menge Fürsten, Prinzen und Könige durch unser Leben. Die einen sind feiste alte Männer (Fürst von Monaco), die anderen zornige alte Männer (Prinz von Hannover), die meisten fruchtbar und ganz nett (König von Holland, Prinz von Dänemark), einige ziemlich schrullig (Prinz Charles) und ein paar nicht ganz echt (Prinzen von Anhalt etc.). Überlebensgroße Sympathieträger findet man kaum darunter, so richtig haut einen keiner um, seit Ernst August von Hannover in die Jahre gekommen ist.
Doch dann sehen wir im Fernsehen diese beiden jungen Männer, die in der TV-Dokumentation "Diana, unsere Mutter: Ihr Leben und Vermächtnis" vom Tod ihrer Mutter reden. Von der schwersten Zeit ihres Lebens. Von einem Verlust, den nichts zu mildern vermag, auch nicht ein Prinzentitel. Im Gegenteil: Man sieht die TV-Bilder, die damals um die Welt gingen, die beiden Jungen, William 15, Harry 12 Jahre alt, den Sarg, der durch London gefahren wird, obenauf ein Gebinde aus weißen Rosen, in dem ein Umschlag steckt, mit der Aufschrift von Kinderhand "Mummy".
"Es trauern hier nicht zwei Prinzen, sondern Kinder"
"Es trauern hier nicht zwei Prinzen protokollgerecht um ein ehemaliges Mitglied des Königshauses, sondern Kinder um ihre Mutter - vor aller Augen", schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Harry sagt, wie es ihn verwirrt habe, als er all die weinenden Menschen, die seine Mutter gar nicht richtig kannten und nie persönlich getroffen hatten, gesehen habe. Da habe er sich, der Zwölfjährige, gefragt, ob sie alle mehr fühlten als er. Er habe nur zweimal weinen müssen. Bei der Beerdigung und später, als er für sich allein war.
"Es ist nicht wie die Trauer der meisten anderen Leute, weil jeder davon weiß. Jeder kennt die Geschichte, jeder kennt sie", sagt William.
Diese Worte haben nichts mit dem erstarrten Glamour zu tun, der die Hocharistokratie gemeinhin mit dem morbiden Touch des Überflüssigen umgibt. Vor allem der künftige König von England spricht mit bemerkenswert natürlicher Eindringlichkeit, die ihm - für einen 35-Jährigen - eine außergewöhnliche Würde verleiht.
Hat William seine Charakterstärke von Vater Charles?
Der britische Thronfolger, dessen Haarschopf bereits lichter wird, ist anscheinend dem weltweiten Rummel um seine Person, der ihn von klein auf begleitet, unbeschädigt entkommen. Hat ihm diese Charakterstärke (oder Langmut?) der bisweilen recht spleenige Vater Prinz Charles vererbt? Oder war es doch die kapriziöse Mutter, das angeheiratete verrückte Huhn in der weitverzweigten Königsfamilie der Windsors, denen kein Skandal fremd war und ist?
Es liegen alte Fotografien auf dem Tisch, an dem die Prinzen von ihrer Mutter erzählen. Sie zeigen William und Harry als Kinder. Und ihre Mutter. Diana mit William auf dem Arm und Harry im Bauch, Strandbilder der lachenden Mutter mit ihren Söhnen, Fotos aus dem Garten in Kensington.
Unbeschwerte Kindertage? Dagegen spricht eigentlich nur die Kleiderordnung. Die Jungen tragen Oberhemden mit Krawatte zu kurzen Hosen. Die Etikette muss gewahrt bleiben, es könnten Fotoreporter der Daily Beasts im Gebüsch lauern, denn das öffentliche Publikum giert nach Bildern von Di und ihren Kinder. Je privater umso besser.
"Das war eines der schwierigsten Dinge, die ich jemals tun musste"
"Es ist ein sehr trauriger Verein, in dem man nicht Mitglied sein möchte", sagt William. Er meint die Bilder von der Beerdigung Dianas. Die Jungen hinter dem flaggengeschmückten Sarg. Dunkle Anzüge, schwarze Krawatten, schwarze Einstecktücher. Nahaufnahmen der gesenkten Köpfe, damit dem Publikum auch keine einzige Träne entgeht. "Das war eines der schwierigsten Dinge, die ich jemals tun musste. Ich weiß nur noch, dass ich mich praktisch hinter meinen Pony versteckt habe und viel auf den Boden sah", sagt William.
Er spricht von Depressionen, die 20 Jahre lang seine Gefühle "stillgelegt" hätten. "Ich habe meinen Kopf in den Sand gesteckt, mich geweigert, überhaupt über den Tod meiner Mutter nachzudenken. Warum sollte das helfen? Das würde mich ja eh nur traurig machen. Gefühle durften keine Rolle spielen. Ich lief herum und tat so, als wenn mein Leben klasse sei", sagte er der Journalistin Bryony Gordon.
Inzwischen komme er mit dem Tod seiner Mutter besser zurecht. Er könne offener und ehrlicher über sie reden, sich besser an sie erinnern und in der Öffentlichkeit darüber reden.
Das letzte Telefonat mit seiner Mutter
Er erinnert sich an das letzte Telefonat, wenige Stunden bevor Diana mit ihrem Geliebten Dodi Al-Fayed (†42) im Alter von 36 Jahren bei einem Autounfall starb. Sie rief aus Paris an, die königliche Familie verbrachte die Sommerferien auf Schloss Balmoral in den schottischen Highlands. Harry ging ans Telefon.
An den Inhalt des Gesprächs könne er sich nicht erinnern, sagt er. Er wollte schnell wieder raus und mit seinem Bruder und den Cousins spielen. "Alles was ich noch weiß, ist dass ich für den Rest meines Lebens bereuen werde, wie kurz der Anruf war." Es sei "unvorstellbar schwer", den Rest seines Lebens damit zurechtzukommen. Auch William belastet der Verlauf dieses letzten Gesprächs "schwer".
Ein paar Stunden später überbrachte ihr Vater Charles, auch er völlig fassungslos, die Todesnachricht. Es habe sich angefühlt, als ob "ein Erdbeben das Haus erschüttert", sagt William. "Ich weiß nur noch, dass ich mich komplett taub gefühlt habe. Orientierungslos, schwindelig und sehr verwirrt. Ich habe mich immer wieder gefragt, warum das mir passiert."
"Sie war die beste Mutter der Welt"
"Sie war die beste Mutter der Welt, sie hat uns mit Liebe umschlungen. Aber sie war auch ziemlich frech", sagt Prinz Harry in einer Szene der TV-Doku. "Ein totaler Kindskopf" sei sie gewesen, immer zu Streichen aufgelegt. Ihren Söhnen habe sie geraten: "Bau so viel Mist, wie du willst. Lass dich bloß nicht erwischen." Und William ergänzt: "Sie war völlig natürlich, liebte es zu lachen und wollte immer viel Spaß haben. Sie wusste, dass es ein echtes Leben gibt außerhalb der Palastwände."
Erinnerungen an die Kindheit. Nicht nur innerhalb der dicken Palastmauern, sondern auch in der echten Welt, im Kino, bei Rugbyspielen, im Vergnügungspark. Die Prinzen erzählen wie sie im Cabriolet mit Diana übers Land brausten und laute Musik dazu hörten, wie sie nach einem Fußballspiel Süßes auf den Platz schmuggelte, wie sie bis heute von ihrer Liebe zehren. "Wir fühlten uns unglaublich geliebt", sagt William.
Er lächelt über die Geschichte, wie er einmal von der Schule nach Hause kam, da warteten Cindy Crawford, Christy Turlington und Naomi Campbell auf der Treppe auf ihn. Diana hatte den Besuch organisiert, weil ihr Sohn Poster der Supermodels im Zimmer hängen hatte. "Ich lief knallrot an und wusste nicht, was ich sagen sollte."
Er kennt die Schattenseiten und den Tod
Er bedauert, dass seine verstorbene Mutter nie seine Ehefrau Herzogin Kate (36) kennengelernt hat. Ständig redet William mit seinen Kindern George (4) und Charlotte (2) über "Oma Diana". "Ich möchte meine Kinder in einer glücklichen, stabilen und sicheren Welt groß werden sehen", sagt er. "Ich möchte, dass George in einer realen, lebendigen Umgebung groß wird, nicht hinter Palastmauern. Er muss da draußen sein."
Er selbst kennt das Leben da draußen. Nicht nur die Paraden, die Empfänge, die Staatsbankette und das leutselige Winken ins Publikum, sondern auch die Schattenseiten und den Tod. Als Rettungshubschrauberpilot hat William oft genug Menschen in Not erlebt und gelernt, "Augenblicke extremer Gefühle zu teilen, von Erleichterung, dass wir jemandem eine Chance zu kämpfen gegeben haben, bis zu tiefer Trauer".
William pfeift auch mal auf das strenge Protokoll
Als er im Juli mit Königin Elizabeth überlebende Opfer der Londoner Brandkatastrophe besucht, ist er sichtlich betroffen. Sein Londoner Zuhause, Apartment 1a im Kensington-Palast, liegt im gleichen Bezirk wie das völlig zerstörte Hochhaus. Eine Frau, deren Mann ums Leben kam, beginnt zu schluchzen - und William vergisst das strenge Protokoll und legt seinen Arm tröstend um die Trauernde, die sich weinend an seine Brust lehnt. In solchen Momenten mag William Arthur Philip Louis Mountbatten-Windsor schmerzhaft verspüren, welche Aufgaben das Leben für ihn noch bereithält.
Sein Bruder Harry, die Nr. 1 in der Beliebtheitsskala der Briten, hat einmal darüber philosophiert, was ihn von seinem großen Bruder unterscheide: Er habe in Williams Schatten ein Stück weit "echtes Leben" kennengelernt. Als Soldat. "Wenn ich in der Armee bin, ist es leicht zu vergessen, wer ich bin. Alle tragen dieselbe Uniform und machen dasselbe."
William erinnert sich, wie er als Siebenjähriger unbedingt Polizist werden wollte. Sein kleiner Bruder habe nur gesagt: "Das geht nicht, du musst doch König werden."