Impro-Tatort aus Ludwigshafen: Todesstoß oder gelungenes Experiment?
Vorhang auf für den ersten improvisierten Tatort! Was erwartet uns bei "Babbeldasch" aus Ludwigshafen? © SWR/Martin Furch
Ein Ludwigshafen-Tatort ohne Drehbuch und mit Laien-Darstellern – ja und? Amateurhaft und ohne Plan sind die Fälle mit Lena Odenthal schon lange, könnten böse Zungen (die wir natürlich nicht haben) anführen. Fakt ist: Gute Kritiken gab es in den letzten Jahren selten, in Ludwigshafen kamen fast nur piefig-peinliche Fälle, die sogar Derrick zu platt gewesen wären.
Nachdem man Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) eine Midlife-Crisis aufgeladen, die platonische Ehe mit Kopper (Andreas Hoppe) zerstört und Johanna Stern (Lisa Bitter) als fünftes Rad am Wagen in Ludwigshafen eingeführt hat und auch all das die Fälle nicht sehenswerter gemacht hat, ist man jetzt scheinbar auf dem Impro-Trip. "Babbeldasch" ist der erste komplett improvisierte Tatort, zudem sind neben der Stamm-Besetzung ausschließlich Laien-Schauspieler am Werk. Verzweifelter Aktionismus oder gelungenes Experiment?
Ein Tatort ohne Drehbuch - Kann das gutgehen?
Regisseur beziehungsweise Spielleiter Axel Hanisch ist erfahren in Sachen Improvisation. Gemeinsam mit Autor Sönke Andresen wurde eine grobe Dramaturgie festgelegt, in Workshops mit den Schauspielern bekamen die Figuren ein Profil, an dem sie sich orientieren konnten. Zudem wurde "Babbeldasch" chronologisch gedreht, niemand wusste während der Dreharbeiten, wer sich am Ende als Mörder entpuppt.
Man schaut den Darstellern quasi dabei zu, wie sie sich in ihrer Lage zurechtfinden. Die Hobby-Schauspieler sind zu Beginn von der ungewohnten Film-Welt etwas eingeschüchtert, die Profis Ulrike Folkerts, Lisa Bitter und Co. müssen sich daran gewöhnen, keine vorgegebenen Textzeilen aufzusagen, sondern spontan zu sein. Je weiter die 90 Tatort-Minuten fortschreiten, desto überzeugender wird die Darbietung und schiebt die Skepsis des Zuschauers beiseite. Dass der Impro-Ansatz funktioniert, haben offenbar auch die Verantwortlichen schnell gemerkt, der nächste Odenthal-Fall ohne Drehbuch ist bereits in Arbeit.
Damit bekommt Ludwigshafen etwas, was dem dortigen Tatort seit vielen, vielen Jahren fehlt: Ein Alleinstellungsmerkmal, ein Gesicht, dass die Fälle aus der Masse hervorhebt. Ob man als einzelner Zuschauer das mag oder nicht, ist dabei unwichtig – welches Tatort-Team und welchen Stil man gerne sieht, ist immer noch Geschmacks-Sache. Man kann nur sagen, Hut ab vor dem SWR, den totgeglaubten Ludwigshafen-Tatort völlig unerwartet eine neue Daseinsberechtigung verschafft zu haben.
Ist "Babbeldasch" also ein echter Kracher-Tatort? Naja. Das namensgebende Amateur-Theater hat sich auf Stücke in Pfälzer Mundart spezialisiert, und diese massive Dialekt-Keule macht es bisweilen anstrengend. Jede Menge Lokalkolorit, aber auch immer die Frage im Hinterkopf, ob man als Nicht-Pfälzer da grade alles richtig verstanden hat. Außerdem gibt es immer wieder unpassende Traum-Sequenzen, in denen Lena Eingebungen erhält – sozusagen die spirituelle Variante des plötzlich auftauchenden Handy-Videos.
Tatort und Team kommen in die Spur
Dennoch hört dieser Tatort nie auf zu überraschen: Lena Odenthal und Johanna Stern hören endlich auf, sich anzuzicken und stoßen sogar aufs "Du" an. Lena springt als Kindermädchen für Sterns Zwillinge ein, während wir mehr über deren familiären Background erfahren. Als voll akzeptierte "Working Mum" ist Johanna Stern endlich die Bereicherung, die sie schon länger sein soll. Doch dabei bleibt Kopper auf der Strecke. Lenas langjährige bessere Hälfte tritt kaum in Erscheinung und verschwindet auf geheimnisvolle Weise.
Und worum geht es in " Babbeldasch" eigentlich? Sophie Fettér (Malou Mott), die Grande Dame des Laien-Theaters, stirbt während der Premiere an einem allergischen Schock. Ein Unfall? Lena und Kriminaltechniker Becker, die zufällig im Publikum saßen, beginnen zu ermitteln und finden heraus, dass jemand absichtlich den Schock verursacht hat. Unter den Schauspielern, nach außen hin eine große Familie, brodelt es: Sophie Fettér war seit Jahrzehnten sowohl mit Sascha Werner (Andreas Asanoff) als auch mit Manfred Oehlenschläger (Gerd Rohrbacher) liiert, außerdem mit ihrer lesbischen Tochter (Petra Mott) zerstritten. Vermieter Bohlmann (Harald Dimmler) hingegen versuchte schon seit Jahren, das Theater aus seinem Gebäude zu ekeln. Es entspinnt sich ein Tatort-typisches Spiel aus Intrigen und lange unterdrückten Konflikten, an dessen Ende es nicht nur weitere Todesfälle, sondern auch einen etwas weit hergeholten Mörder gibt. Die "überraschend prominent besetzte Nebenrolle" als Verdächtiger fällt in diesem Tatort ja aus.