Tatort aus Ludwigshafen: Lenas Zeit läuft ab

Tatort "Du gehörst mir": Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), Kopper (Andreas Hoppe) und Johanna Stern (Lisa Bitter) kämpfen einen erbitterten Büro-Krieg. © SWR/Alexander Kluge
Jürgen Werner, Autor der großartigsten Dortmund-Tatorte und geistiger Vater von Kommissar Faber, hat sich des Ludwigshafen-Tatortes angenommen und das Buch zum neuen Fall „Du gehörst mir“ geschrieben. Schafft er es, seine pointierten Dialoge und kluge Erzählweise auf Lena Odenthal zu übertragen? Das Kreuzverhör klärt es!
Worum geht’s?
Der knallharte Rapper nimmt das Goldzahn-Imitat aus dem Mund und drückt der Koma-Patientin zärtlich einen Kuss auf. Anschließend wacht er an ihrem Bett, während die Mutter sich ein wenig erholen kann. Yago Torres (Matthias Weidenhöfer) ist in Ballett-Tänzerin Marie (Elisa Afie Agbaglah) verliebt, seit sie in einem seiner Videos mitspielte. Doch vor einigen Wochen wurde Marie brutal vergewaltigt und liegt seither im Koma.
Der Vergewaltiger (Luca Riemenschneider) wird kurz darauf in einem Parkhaus zwischen zwei Autos zerquetscht und dann angezündet. Wollte hier jemand Marie rächen? Ihre Mutter (Sandra Nedeleff) und ihre beste Freundin Evelyn (Lilli Fichtner) sind jedenfalls nicht traurig, dass der Täter tot ist.
Bei der verbrannten Leiche finden Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), Kopper (Andreas Hoppe) und Johanna Stern (Lisa Bitter) jedoch jede Menge Anabolika, die sie zunächst zu einem Fitness-Studio in der Nähe führen. Schnell schießen sich vor allem die beiden alten Kommissare darauf ein, dass das Motiv in einem Platzkrieg der Anabolika-Dealer zu suchen ist.
Doch Johanna Stern ist überzeugt, dass es einen zweiten Vergewaltiger gab. Gegen den erbitterten Widerstand von Lena und Kopper ermittelt sie weiter, bis schließlich Kosics Kumpel Daniel Peters (Vladimir Burlakov) verhaftet wird. Doch beim Verhör bricht er zusammen – vergiftet. Ein zweiter Rache-Mord?
Worum geht es wirklich?
Eigentlich haben wir es in "Du gehörst mir" mit einem guten, relativ runden Fall zu tun – wenn man alle Stereotypen, Klischees und vor allem die Ermittler wegdenkt. Doch leider wird, wie bei Odenthal-Tatorten üblich, in jedem Fall eine neue Sau durch Ludwigshafen getrieben. Leute im Fitness-Studio? Alles dumpfe Pumper-Machos! Rapper? Frauenverachtende Großmäuler! Nicht, dass wir aus Ludwigshafen differenzierte Figuren gewohnt wären, aber die schwarz-weiß-Malerei hier ist schon fast peinlich. Die einzige ambivalente Figur ist Rapper-Rüpel Torres ("aus der Mannheimer Musik-Szene"), dessen Wandlung aber deutlich zu dick aufgetragen ist – wie alles in diesem Fall.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Nicht so richtig. Wie gesagt, die Essenz des Falles ist solide konstruiert, doch alles drumherum ist übertrieben und fast ohne Realitätsbezug. Dabei wurde "Du gehörst mir" mit relativ großem Aufwand produziert: Im Vorfeld musste der arme Matthias Weidenhöfer durch ein Rap-Video hopsen, und die SWR-Drohne sammelte jede Menge Flugstunden über der Ludwigshafener Beton-Wüste. Der Look ist super, die Handlung leider weniger.
Bester Auftritt
Hmm. Schwierige Frage. Vielleicht sollten an dieser Stelle mal Peter Espeloer und Annelena Schmidt gelobhudelt werden, die als Kriminaltechniker Becker und Sekretärin Frau Keller nicht nur tapfer Dialekt sprechen, sondern auch seit einigen Fällen das Gezicke der Kommissare ertragen müssen. Sehen wir die beiden als Inkarnation des Zuschauers, der über die Animositäten von Odenthal, Kopper und Stern nur noch den Kopf schütteln kann. Geht es uns nicht auch so wie Frau Keller, die "Früher hätt’s des net gebbe!" murmelt und am liebsten Urlaub nehmen möchte, bis der Spuk vorbei ist?
Was muss man sich merken?
Wer gehofft hat, der aufkeimende Kleinkrieg zwischen den Kommissaren im letzten Fall wird nun endlich mal beigelegt, wird bitter enttäuscht. Im Gegenteil, alle legen noch einmal eine Schippe drauf und sorgen für ein extrem unwirtliches Arbeitsklima. Und zwar nicht ungemütlich im unterhaltsamen Dortmund-Sinn, sondern einfach nur anstrengend und überflüssig. Man merkt, dass Drehbuchautor Jürgen Werner bemüht ist, die Befindlichkeiten in geordnete Bahnen zu lenken und Lena & Co. immerhin halbwegs sinnvolle Sätze in den Mund zu legen. Allein, die Figuren und die Sackgasse, in sie in den letzten Fällen manövriert worden sind, geben nicht viel her. Sie nerven nur noch. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, hier wird ein Abschied vorbereitet.
Soll man gucken?
Wer " Du gehörst mir" nicht schaut, hat nicht viel verpasst. Der Fall ist ganz gut, aber nicht herausragend. Die platten Klischees und das Ermittler-Trio hingegen sind unterirdisch. War die Figur Johanna Stern ursprünglich durchaus vielversprechend angelegt, ist sie leider mehr und mehr zur Streberin verkommen. Die Hoffnung, die junge Profilerin könnte dem eingestaubten Ludwigshafen-Tatort und seiner starrsinnigen Chef-Ermittlerin ins 21. Jahrhundert verhelfen, müssen wir wohl leider endgültig begraben. Immerhin, sie ist die Einzige, die sich noch einigermaßen um das Betriebsklima bemüht. Kopper und Odenthal fahren weiter munter ihre Ego-Trips und werden immer beratungsresistenter. Auch für die dienstälteste Kommissarin ist die Zeit wohl so langsam abgelaufen.