Tatort aus Münster: Der kleinste gemeinsame Nenner
"Ein Fuß kommt selten allein": Thiel (Axel Prahl) ermittelt unter Profi-Tänzern, während Boerne (Jan Josef Liefers) mit der Staatsanwältin (M. Großmann) Tango tanzen muss. © WDR/Martin Menke
Wie fast jeder Tatort aus Münster, so wird auch "Ein Fuß kommt selten allein" von einem großen medialen Hype begleitet. Ein neuer Quoten-Rekord ist fast sicher, nur extrem schönes Wetter kann da wohl im Wege stehen. Aber ist das auch gerechtfertigt? Nach der Vorab-Ansicht drängt sich der Vergleich des hochverehrten Dichters Beisenherz auf: Wer das lustig findet, der geht zum Lachen ins Stadion.
Worum geht’s?
Waldarbeiter stolpern beim Baumfällen über ein menschliches Skelett, offenbar ein Mordopfer. Deformationen an den Füßen und ein Zahnimplantat deuten auf Elmira Dumbrova hin, eine moldawische Tänzerin. Sie wurde vor ein paar Jahren vom herrischen Vereinspräsidenten Dr. Winfried Steul (Thomas Heinze) eingekauft, um die Tänzer des TSG Münster in die Bundesliga zu bringen. Seit knapp zwei Jahren ist Elmira verschwunden, ihre Mittänzer dachten, sie sei nach Moldawien zurückgekehrt.
Kommissar Thiel (Axel Prahl) zieht also los, um sich den Tanz-Verein anzuschauen – und trifft dort auf Professor Boerne (Jan Josef Liefers), der Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann) schwer schnaufend beim Tango übers Parkett schiebt. Er hofft, von der Chefin für einen Verdienstorden vorgeschlagen zu werden – den Alberich (ChrisTine Urspruch) gerade sehr zu seinem Verdruss vor dem Professor bekommen hat.
Und wie ist die Tänzerin nun umgekommen? Thiel findet schnell ein paar Verdächtige: Der liebeskranke Freund, die eifersüchtige Mit-Tänzerin, der Trainer, der nach Elmiras Verschwinden "in Holland in der Reha" war. Wirklich willkommen sind die Ermittlungen indes nicht, denn die Truppe steht kurz vor einem entscheidenden Turnier. Da stößt „ Vadder“ Thiel (Claus D. Clausnitzer) beim Pilzesuchen im Wald auf weitere menschliche Knochen – allerdings nur einen einzelnen Fuß.
Worum geht es wirklich?
Es geht darum, die hinlänglich bekannten Marotten der Figuren unendlich weiterzudrehen. Die Kulisse spielt da nur eine untergeordnete Rolle, tieferer Sinn ist weit und breit nicht in Sicht. Boerne schnöselt vor sich hin, Thiel macht sich drüber lustig, Alberich ist souveräner als ihr eitler Chef, Vadder Thiel immer auf der Suche nach einem neuen Rausch. Letztes Mal war es eine Klapse, davor mussten Thiel und Boerne ein Paar spielen, dieses Mal wird eben getanzt. Viel kreativer dürfte es auch in Zukunft nicht werden.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Nein, muss sie in Münster auch nicht sein. Dennoch würden wir uns ein bisschen mehr Einfallsreichtum wünschen. Seit Jahren werden Thiel und Boerne nur noch von einer ach so skurrilen Situation in die nächste geschleift, um dort ihre Sprüchlein aufzusagen. Selbst Stefan Cantz und Jan Hinter, den Erfindern des Münster-Duos, fiel nicht mehr ein als dieser müde Schmunzel-Krimi mit abgestandenem Humor.
Bester Auftritt
Bei Minute 66, also etwa gegen 21:21 Uhr (vorausgesetzt es kommt
kein "Brennpunkt"), blitzt ganz kurz ein wenig bissiger Humor
hervor.
Boerne und Thiel stehen in der Kabine der Tänzer und nehmen
Speichel-, tschuldigung, Gewebeproben.
Boerne: "Kommse hierher, kommse ran, wer nicht mitmacht, ist
kein Mann!"
Thiel: "Geht’s vielleicht auch mit ein bisschen weniger
Klamauk?"
Boerne: "Dann hätten Sie sich einen anderen Rechtsmediziner
suchen müssen!"
Ein Konter auf die immer öfter zu hörende Kritik, der Münster-Tatort versinke im Schenkelklopfer-Humor oder doch ein Seitenhieb in Richtung Ulrich Noethen, der eigentlich für die Rolle des Boerne vorgesehen war und angeblich nach den ersten Entwürfen abgesagt hat? Egal, jedenfalls ein heller Moment für Insider!
Was muss man sich merken?
Gar nichts. Entwicklungen sind in Münster schon im Konzept nicht vorgesehen. Dementsprechend erinnert sich im nächsten Fall niemand mehr ans Tanzen (oder alle anderen Absurditäten, die wir in Münster schon anschauen durften).
Soll man gucken?
Sie finden den Titel "Ein Fuß kommt selten allein" sehr einfallsreich und unglaublich lustig? Glückwunsch, dann sind Sie beim neuen Münster-Tatort genau richtig! Wir wünschen viel Spaß!
Wenn Sie aber in Sachen Humor etwas mehr Anspruch haben als Fips Asmussen und Mario Barth, werden Sie vom Münster-Tatort vermutlich eher gelangweilt sein – zumal in diesem Fall auch die Nebenrollen bis hin zum sonst immer sehenswerten Thomas Heinze sehr schwach sind.
Dennoch werden bestimmt wieder 13 oder 14 Millionen einschalten und die Vormachtstellung der Münsteraner in Sachen Quote untermauern. Schön, dass die Reihe immer wieder sich selbst übertreffen kann. Der Münster-Tatort trifft einen Nerv beim Publikum, aber das tut Helene Fischer auch. Solche Quoten würden wir uns aber auch für die besseren Fälle wünschen. Münster hingegen ist wohl der kleinste gemeinsame Nenner der deutschen Fernsehzuschauer – und das ist ausnahmsweise keine Anspielung auf Alberichs Körpergröße.