Tatort aus Wien: Übertreibung macht anschaulich
Bibi (Adele Neuhauser) und Moritz (Harald Krassnitzer) haben es in "Die Kunst des Krieges" mit einer ungewöhnlichen Leiche zu tun. © ARD Degeto/ORF/Superfilm/Klaus Pichler
"Zuerst wurde ihm die Zunge entfernt, dann haben sie ihn mit dem Kopf in der Lade eingeklemmt, anschließend mit diesem elektrischen Küchenmesser die Hände abgeschnitten – eine nach der anderen! – und dann haben sie ihn in der Lade erstickt. Kehlkopf eingedrückt." Alles klar, das Essen zum Tatort hat sich an diesem Sonntag also bereits nach wenigen Minuten erledigt. Wobei man nicht weiß, was ekelerregender ist: Die aufgefundene Leiche oder die Einrichtung der Mord-Villa.
Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) haben also auch in "Die Kunst des Krieges" gleich von Anfang an ordentlich etwas zum granteln, das wird auch 90 Minuten lang nicht weniger. Und wie immer beschäftigen sich der Herr Oberstleutnant und die Frau Majorin mit dem Bösen der Welt. Dieses Mal soll ein Schleuser- und Menschenhändler-Ring hochgenommen werden, "zumindest aber ein paar von denen aus dem Verkehr gezogen werden." Nanu, so bescheiden? Oder kommt bei den Wiener Ermittlern langsam Altersmilde zum Vorschein?
"Türken verkaufen Drogen, Tschetschenen sind unorganisiert"
Dazu passen die Ausflüge ins Private: Bibi hat sich einen Hund angelacht, Moritz hadert mit dem Freund von Tochter Claudia (Tanja Raunig), weil dieser türkische Wurzeln hat ("Ich sag‘s ja: Islamist!"). Diese volkstümlichen Vorurteile werden untermalt von bizarr-pauschalen Ausführungen der Fachkraft für organisierte Kriminalität, Daniela Vopelka (Kristina Sprenger). Die wandelnde Powerpoint-Präsentation versorgt Eisner und Fellner stets prompt und live mit Informationen wie "Die Türken machen die Drogen, die Tschetschenen sind für Schleuser zu unorganisiert." Ah ja.
Und was ist nun mit der originell drapierten Leiche vom Anfang? Nun, man ist sich schnell sicher, es mit einem Menschenhändler zu tun zu haben, der die Illegalen in seinen eigenen Geldwäsche-Lokalen putzen lässt, an eine Hühnerfabrik vermittelt oder aber zur Prostitution zwingt. Eisner und Fellner stürzen sich ins Rotlicht-Milieu, Bibis alte Wirkungsstätte. Und siehe da: Zuhälter Andy Mittermaier (Michael Fuith) ist frisch aus dem Knast und will seinen Geschäftsbereich erweitern. War ihm der Tote dabei im Weg? Auch Inkasso-Heinzi (Simon Schwartz) musste sein Etablissement an Mittermaier abtreten.
Ein bisschen viel James Bond geschaut?
"Die Kunst des Krieges" legt in der ersten Hälfte zahlreiche Fährten bereit, doch wenn die Geschichte an Fhart aufnimmt, gleitet die Darstellung fast ins Absurde ab. Zuhälter Mittermaier, seine wortkarge asiatische Kampf-Amazone, fröhliches Rumgekokse, in Zeitlupe spritzendes Blut und Verfolgungen zu Fuß - all das sieht ein bisschen nach James Bond aus. Einem österreichischen Bond. Aber Übertreibung macht ja bekanntlich anschaulich.
Bibi und Moritz haben schon bessere Auftritte gehabt, aber auch viele schwächere. Wer "Die Kunst des Krieges" nicht allzu ernst nimmt - und das fällt nach dem Leichenfund zu Beginn schon schwer - kann sich auf einen entspannten Tatort-Abend mit viel Wiener Schmäh freuen. Ein bitterer Beigeschmack bleibt allerdings ob der ernsten und bitteren Themen, die angeschnitten werden und dann in der recht trivialen Auflösung untergehen.