Claudia Michelsen pfeift auf den Ruhm

In "Stärke 6" gerät Claudia Michelsen unter Mordverdacht - dabei steht die Krimi-erprobte Schauspielerin sonst sie eher auf der anderen Seite der Ermittlungen. Dank Rollen in Reihen wie "Polizeiruf 110" steigt auch Michelsens Bekanntsheitsgrad, doch darauf legt die Mimin wenig Wert. Wie sie über Ruhm denkt und was sie zur Schauspieleri gezogen hat, verriet sie spot on news im Interview.
In "Stärke 6" (am 20. August um 20:15 im Ersten) kommt es für Claudia Michelsen (45) richtig dick: Als Geologin Mara kommt ihr Kollege und Leben.gefährte unter mysteriösen Umständen bei einem Tauchgang ums Leben. Anstatt Unterstützung von Behörden und Polizei zu erhalten, gerät sie selbst unter Verdacht, ihn getötet zu haben. Eine emotional anspruchsvolle Rolle wie diese ist ganz nach Michelsens Geschmack, denn sie geht bei ihrer Arbeit gerne an ihre Grenzen. Welcher Nebenaspekt ihr an ihrem Beruf eher Probleme bereitet, erzählte die 45-Jährige der Nachrichtenagentur spot on news im Interview.
Sie haben einmal gesagt "Ich bin nicht Schauspielerin geworden, um berühmt zu sein, sondern aus politischen Gründen." Welche Gründe waren das?
Claudia Michelsen: Ich hatte das Glück, in Dresden zu einer Zeit aufzuwachsen, in welcher das Theater sehr spannend war und eine enorme Kraft hatte. Theater war politisches Sprachrohr. Menschen jeden Alters sind ins Theater gegangen, weil sie sich und ihr Leben in diesem Land wiederfinden konnten. Da wollte ich hin, ich wollte Teil davon sein. Ich sah darin für mich die einzige Möglichkeit, mit diesem Staat und diesem System umzugehen und etwas zu tun, was wirklich Sinn macht.
Wie war es dann nach der Wende?
Michelsen: Nachdem die Mauer fiel, waren viele ein bisschen hilflos und leer. Der Widerstand war weg, der Motor. Auf einmal ging es um Unterhaltung. Man musste sich komplett neu erfinden.
Und Sie wollten sich nicht zum Star machen?
Michelsen: Ich finde es bis heute problematisch, zu sagen, man ist sein eigenes Produkt und muss sich verkaufen. Das ist etwas, was mich an diesem Beruf nie interessiert hat. Schauspieler als Unternehmer.
Ruhm ist Ihnen also weniger wichtig. Was bedeutet Ihnen denn Erfolg?
Michelsen: Mit Erfolg als Begriff kann ich nichts anfangen. Ich denke vorab nicht über Erfolg nach. Das interessiert mich nicht. Ich kann mich nur auf die Arbeit konzentrieren, die ich mache. Ich kann die Geschichte so gut erzählen wie möglich, emotional und gedanklich klarbleiben und bei meinem Handwerk bis an die Grenze gehen. Sogar, wenn möglich, auch darüber hinaus. Der Erfolg stellt sich, wenn man Glück hat, danach ein oder eben auch nicht. Aber was ist denn Erfolg? Vielleicht ist man erfolgreich, wenn Leute einem gerne in verschiedene Geschichten folgen möchten. Wenn Filme eine möglichst nachhaltige Wirkung haben und vielleicht im Kleinen oder Großen etwas bewegen können.
Mit Ihren Rollen in Krimi-Reihen wie nun "Polizeiruf 110" steigt ihr Bekanntheitsgrad natürlich. Wie geht es Ihnen, wenn Sie auf der Straße erkannt werden?
Michelsen: Das passiert nicht so oft. Mich erkennt man nicht so schnell. Aber wenn, dann sind es meistens sehr schöne kurze Begegnungen.
Der Film enthält gewissermaßen auch eine Umweltthematik. Ist Umweltschutz ein Thema für Sie?
Michelsen: Natürlich. Wenn wir das Bewusstsein für dieses Thema nicht öffnen, dann hinterlassen wir unseren Kindern ein ziemlich verdrecktes Umfeld. Wer will das? Wir sollten anfangen, uns dafür verantwortlich zu fühlen, und das fängt im Kleinen bei jedem Einzelnen an.
Sie engagieren sich auch sehr gegen Kinderarmut.
Michelsen: Das ist ein Thema, das den Leuten viel zu wenig bewusst ist. Ich wusste auch bis vor ein paar Jahren nicht, was "nebenan" stattfindet, bis ich mit der Arche in Berührung kam. Es gibt genügend Städte in Deutschland, in denen erschreckend viele Kinder ohne Frühstück und Pausenbrot in die Schule gehen. Die Arche ist ein christliches Kinder- und Jugendwerk, das täglich mindestens 3.500 Kinder auffängt und ihnen Zeit, Liebe, Aufmerksamkeit und eine warme Mahlzeit gibt. Und das alles nur von Spendengeldern. Ich finde es großartig, was alle Mitarbeiter der Arche und vor allem Bernd Siggelkow jeden Tag leisten für dieses Land, ohne jegliche Unterstützung vom Staat. Armut ist nicht immer sichtbar, wir wissen nicht was bei vielen Familien in ihren vier wänden stattfindet. Deswegen wird das Thema so oft übersehen und von der Politik tot geschwiegen.
Sie sind nach der Wende wegen einer Beziehung nach Los Angeles gezogen. Nach deren Ende sind Sie wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Was hat Sie wieder nach Deutschland gelockt?
Michelsen: Es war so, dass ich bis 1994 viel Theater gespielt habe, bis ich dann meinen ersten Mann kennenlernte und zu ihm nach Amerika ging. Ich dachte damals, dass es mit der Schauspielerei zu Ende wäre. Ich sprach kein Englisch und müsste mich neu orientieren. Es ergab sich dann aber, dass ich in Deutschland weiterhin arbeiten konnte. Meine Familie, meine Wurzeln und auch meine Arbeit sind damals wie heute in Deutschland. Ich bin trotzdem sehr oft in Los Angeles, es ist für mich wie nach Hause kommen.
Dennoch fühlen Sie sich mit Deutschland am meisten verwurzelt?
Michelsen: Auf jeden Fall. Aber Fernweh treibt mich immer schon um.
Sie wollten früher auch einmal in Paris leben. Gibt es diesen Wunsch immer noch?
Michelsen: Paris ist bis heute ein Traum. Aber auch Rom und New York. Fernweh ist ein großes Thema für mich. Reisen ist eine Leidenschaft - und das Meer natürlich. Alle Meere der Welt umsegeln. Da ist eine große Sehnsucht.
Was würden Sie als ihr prägendstes Erlebnis bezeichnen?
Michelsen: Die Geburt meiner Kinder. Das veränderte alles, im positivsten Sinne. Bewusstsein, Horizont, Selbstwahrnehmung, Umgang mit Zeit und überflüssigen Dingen. Es ist großartig und jeden Tag immer wieder neu.