Formel 1 Hockenheim 2019: Verstappen gewinnt Chaos-Grand-Prix!
Das Bild sagt alles: Max Verstappen siegt, Daniil Kwjat wird Dritter!
Die Formel 1 hat in Hockenheim 2019 für einen der verrücktesten Grand Prix der vergangenen Jahre gesorgt - und das beim womöglich vorerst letzten Rennen in Deutschland. Kurz zusammengefasst: Vier Safety-Car-Phasen, Max Verstappen siegt trotz Dreher, Sebastian Vettel wird von ganz hinten Zweiter, ein Toro Rosso auf dem Podium und null Punkte und drei schwere Abflüge für Mercedes!
Und schuld an allem ist der Regen, der rund drei Stunden vor dem Rennen erstmals niederging. Zunächst schien es mit mehreren Einführungsrunden hinter dem Safety-Car gemütlich anzulaufen, doch was zwischen Start und Ende des auf schließlich 64 Runden verkürzten Rennens passierte, dürfte in die Geschichte des Grand-Prix-Rennsports eingehen.
Der Regen kam und ging, und es war alles eine Frage der richtigen Reifenwahl - und natürlich der Fehlervermeidung. In einem wahren Chaos-Rennen war es am Ende Max Verstappen (Red Bull), der mit fünf Boxenstopps alles richtig machte und sich einigermaßen souverän den Sieg von Hockenheim holte.
Verstappen: Erst Dreher, dann souverän
Doch auch für den Niederländer lief nicht alles glatt: Erst verlor er am Start auf der nasseren Seite an Boden, kämpfte sich dann wieder an die Mercedes heran, bevor ihm ein dicker Schnitzer unterlief. Er wechselte eine Runde vor Valtteri Bottas auf Slicks und wollte ihn so überflügeln. Doch während Bottas die Pneus wechselte, drehte sich Verstappen im Motodrom und warf die Chance weg! Die Mediums waren ihm zu hart im Nassen - er wollte lieber Softs.
Doch bei einem kurz darauf folgenden Safety-Car holte ihn Red Bull wieder für Intermediates an die Box und verschaffte ihm so die Führung - auch weil die Konkurrenz um Mercedes im gleichen Zeitraum patzte. Später musste der Niederländer noch einmal für Slicks an die Box kommen, wo er die Führung an Lance Stroll (!) verlor, doch er überholte den Racing Point in der Haarnadel spielerisch und siegte recht souverän.
"Es war schwierig, aber wir haben letztendlich die richtigen Entscheidungen getroffen. Wir mussten immer fokussiert bleiben", sagt er. "Es ging darum, bei diesen schwierigen Bedingungen nicht zu viele Fehler zu machen. Das ist natürlich ein großartiges Ergebnis. Ich bin mit der gesamten Leistung sehr zufrieden."
Vettel von ganz hinten auf P2
Wie kurios das Rennen war, zeigt sich am Fakt, dass Sebastian Vettel Zweiter wurde, obwohl er von ganz hinten starten musste und zwischenzeitlich nicht die Pace zu haben schien, um einfach nach vorne zu kommen. "Es war ein langes Rennen. Zwischendurch fühlte es sich so an, als würde es nie zu Ende gehen. Es hat aber großen Spaß gemacht", sagt der Deutsche.
Er war lange Zeit nur im Mittelfeld zu finden, doch eine späte Safety-Car-Phase für einen Unfall von Valtteri Bottas brachte ihn in Schlagdistanz zur Spitze. Und weil vor ihm vor allem Überraschungskandidaten wie Daniil Kwjat (Toro Rosso), Lance Stroll und Carlos Sainz (McLaren) lagen, die im Taktikpoker das richtige Händchen hatten, konnte der Deutsche in den letzten fünf Runden nach der Freigabe noch nach vorne preschen.
Mit dem deutlich besseren Ferrari holte er sich Gegner um Gegner in der Parabolica. "Ich musste es gut timen. Manche waren in den ersten Kurven vorsichtig. Da habe ich alles herausgeholt. Das hat funktioniert. So kam ich in DRS-Reichweite und hatte gute Manöver auf der Gegengeraden", erzählt er.
Leclerc wirft Siegchance weg
Des einen Freud, des anderen Leid: Eigentlich sah Teamkollege Charles Leclerc wie ein starker Kandidat auf das Podest aus. Ferrari hatte mit einem Reifenwechsel in einer Virtuellen Safety-Car-Phase das richtige Näschen bewiesen, wodurch der Monegasse nach 28 Runden plötzlich bereits auf Rang zwei vor Bottas und Verstappen lag.
Doch in der vorletzten Kurve machte der Ferrari-Pilot einen verhängnisvollen Fehler und rutschte in die Streckenbegrenzung. Aus dem Kiesbett konnte sich Leclerc nicht mehr befreien und schied frustriert aus. "Das war ein großer Fehler von mir", ärgert er sich. "Es tut mir für das Team und die Fans sehr leid."
Nur eine Runde später hätte es an der Stelle beinahe auch WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton erwischt. Der Mercedes-Pilot flog nur wenige Meter davor ab und rauschte ebenfalls ins Kiesbett und die Streckenbegrenzung, obwohl das Safety-Car zu diesem Zeitpunkt schon ausgerufen war. Allerdings konnte sich der fünfmalige Weltmeister noch einmal daraus befreien.
Hamilton: Zwei Abflüge und eine Boxenstopp-Panne
Mit einem Frontflügelschaden musste er jedoch in die Box kommen, wo seine Crew jedoch nicht bereit stand. Nach einem langen hin und Her mit den Reifen stand Hamilton mehr als 50 Sekunden und war seine Führung natürlich los!
"Er hat den Unfall direkt bei der Boxeneinfahrt gehabt. Da war niemand vorbereitet und dann kam auch noch der falsche Call bei den Reifen. Das ist uns seit Jahren nicht mehr passiert", ärgert sich Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Das hat uns einigermaßen blöd aussehen lassen."
Zu allem Überfluss war Hamilton bei der Einfahrt auch noch auf der falschen Seite des Pollers langgefahren, weil er eigentlich bereits an der Einfahrt vorbei war. Das brachte ihm eine Fünf-Sekunden-Zeitstrafe ein, die sich noch als sehr kostspielig herausstellen sollte.
Bottas-Unfall krönt Mercedes-Debakel
Trotz der langen Standzeit lag Hamilton noch auf Rang drei, als noch ein Reifenwechsel anstand. Weil das Feld nach einer Neutralisation jedoch noch eng beisammen war, fiel er hinter zahlreiche Konkurrenten auf Rang zwölf zurück. Beim Versuch, noch Boden gutzumachen, leistete er sich dann in Kurve 1 noch einen spektakulären Dreher und musste mit kaputten Reifen noch einmal an die Box. Am Ende landete er außerhalb der Punkte auf Rang elf.
Doch es kam noch schlimmer für Mercedes: An der gleichen Stelle wie Hamilton drehte sich auch Bottas wenig später. Der Finne hatte jedoch weniger Glück und krachte heftig in die Reifenstapel. "Es war für uns und unsere Fahrer insgesamt einfach ein schlechter Tag. Es kann nicht viel schlimmer kommen", hadert Wolff.
Wieder musste das Safety-Car ausrücken, was Konkurrent Sebastian Vettel erst in die Position für Rang zwei brachte. Für Mercedes war das Jubiläumsrennen zu 125 Jahren Motorsport und dem 200. Grand Prix ein Debakel. "Wenigstes hat das Rennen Unterhaltungswert gehabt, aber für uns war es natürlich katastrophal", sagt Wolff. "Am Anfang haben wir es richtig gut kontrolliert, aber dann sind Fehlentscheidungen zu Unfällen dazugekommen. Und so kann man kein Rennen gewinnen."
Außenseiter werden zu Helden
Mit beiden Mercedes und Leclerc außerhalb jeglicher Punktechance lag es an den Außenseitern zu glänzen. Das ist vor allem Daniil Kwjat gelungen, der sich über Rang drei freuen durfte. Der an diesem Wochenende frischgebackene Vater fuhr zwischenzeitlich unter schwierigen Bedingungen die schnellsten Runden und kam so auf Rang zwei. Den verlor er nur, weil er gegen Vettel am Ende keine Chance hatte.
"Absolut herausragend, wieder auf dem Podium zu stehen. Und dann mit Toro Rosso, nach so vielen Jahren", freut er sich. "Ein Podium für dieses Team zu erzielen, das ist sensationell. Was für ein verrücktes Rennen. Aber endlich ist es mir gelungen, alles auf die Reihe zu kriegen. Mit diesem Podestplatz bin ich hochzufrieden." Das Rennen selbst beschreibt er jedoch als "Horrorfilm".
Beinahe hätte es auch für Lance Stroll mit dem zweiten Podest geklappt. Der Kanadier lag sogar für einige Kurven in Führung, nachdem Racing Point während einer Neutralisation in der Schlussphase am frühesten auf Slicks gewechselt hatte und alle anderen noch in die Box kommen mussten. Ganz konnte er sich nicht vorne halten, doch mit Rang vier holte er das mit Abstand beste Saisonergebnis.
Haas-Piloten kollidieren schon wieder
Dahinter sorgten auch Carlos Sainz (5.) und Alexander Albon (6.) für ein gutes Ergebnis, obwohl beide Schrecksekunden zu überstehen hatten: Sainz erlaubte sich in der vorletzten Kurve einen Dreher und verhinderte einen Unfall nur knapp, Albon kollidierte in der vorletzten Runde mit Pierre Gasly (Red Bull), der nach der Haarnadel auf ihn auffuhr und ausschied.
Punkte gab es auch für Alfa Romeo, die sich mit den Plätzen sieben für Kimi Räikkönen und acht für Antonio Giovinazzi aus den großen Scharmützeln heraushielten. Für Haas endete ein turbulentes Rennen zumindest mit den Plätzen neun (Romain Grosjean) und zehn (Kevin Magnussen).
Die Amerikaner hatten in der ersten Boxenstopp-Welle Pech mit einer falschen Strategieentscheidung bei Magnussen und einer Unsafe-Release gegen Grosjean, als ihn Charles Leclerc behinderte. Für das Vergehen bekam Ferrari übrigens eine Geldstrafe aufgebrummt.
In der Schlussphase sorgten beide Piloten jedoch wieder für Ärger bei Teamchef Günther Steiner, als sie in der Haarnadel erneut miteinander kollidierten - diesmal jedoch ohne größere Auswirkungen.
Williams konnte das Tohuwabohu nicht für Punkte nutzen, mit den Rängen zwölf und 13 für Robert Kubica und George Russell aber immerhin die besten Saisonplatzierungen mitnehmen.
Hülkenberg wirft Mega-Chance weg
Für Renault endete der Tag derweil im Desaster: Daniel Ricciardo war mit einem Schaden am Auspuff schon nach 13 Runden ausgerollt, Nico Hülkenberg konnte eine sich bietende Podestchance wieder einmal nicht nutzen. Der Deutsche lag aufgrund einer guten Strategie zeitweise sogar auf Rang zwei, doch in Runde 39 warf er sein Auto in die Streckenbegrenzung - an genau der Stelle wie Leclerc, Hamilton und Sainz vor ihm.
Früh kam das Aus auch für Lando Norris, der seinen McLaren jedoch mit einem technischen Defekt abstellen musste. Der erste Unfall des Tages ging an Sergio Perez, der seinen Racing Point bereits nach nicht einmal zwei Runden ausgangs Kurve 11 außer Kontrolle verlor und in die Mauer krachte - die erste von vier Safety-Car-Phasen (ohne die Einführungsrunden).
In der Gesamtwertung macht Max Verstappen auch dank der schnellsten Rennrunde 26 Punkte auf die beiden Mercedes gut. Mit 162 Punkten liegt er nur noch 22 Punkte hinter Valtteri Bottas (184), Lewis Hamilton ist mit 223 Zählern weiter deutlich voraus.
Der nächste Grand Prix findet bereits in der kommenden Woche in Ungarn statt.