Porsche Taycan (2019): Die Technik des Elektro-Sportwagens
Der erste Elektro-Porsche ist da. Der Taycan ist ein Sportwagen, der sich zwischen 911 und Panamera einordnet, aber näher am Panamera liegt. Die Fahreigenschaften sind allerdings sehr sportlich, wie wir uns bei einer Mitfahrt überzeugen konnten. Außerdem haben wir uns auf einem Technik-Workshop von den Porsche-Experten alles erklären lassen.
Zunächst der Name: Wir wussten bereits, dass das türkische Wort so etwas wie "lebendiges Fohlen" bedeutet, und dass auch der Anklang an das englische "they can" beabsichtigt ist. Der Shuttle-Fahrer mit türkischen Wurzeln, der mich von der Porsche-Veranstaltung zurückbrachte, erklärte mir, dass man das türkische Wort eher "Taitschan" ausspricht, womit wir nun drei Aussprachemöglichkeiten haben: Tajkahn, Täjkähn und Taitschan.
Die Positionierung
Der Taycan ist mit 4.959 Millimeter etwas kürzer als der Panamera. Neun Zentimeter sind es, um genau zu sein. Die Sitzposition ist höher, aber nicht viel. Sieht man sich das Auto von hinten an, dann fällt die geringe Höhe des Heckfensters auf. Das kommt daher, dass darunter der Kofferraum liegt und darunter noch die relativ viel Bauraum verbrauchende Hinterachse.
Porsche positioniert den Taycan im "C-Segment", eine Etage tiefer als den Panamera, der laut Porsche ins "D-Segment" gehört. Dies ist die konzernspezifische Nomenklatur, die mit dem A00-Segment (Kleinstwagen) beginnt, A0-Segment (Kleinwagen), A-Segment (Kompaktwagen), B-Segment (Mittelklasse). Der Taycan gehört also in die obere Mittelklasse wie der Audi A6, der BMW 5er oder die Mercedes E-Klasse. Zu den Hauptkonkurrenten gehört das Tesla Model S, doch Entwicklungsziel war laut Porsche nicht, diesen zu übertreffen, sondern die Seele der marke ins Elektrozeitalter zu retten. Daher der Modell-Claim Soul electrified.
Der Antrieb
Es wird verschiedene Motorisierungen geben, zum Start Ende 2019 sind es zwei:
Turbo Turbo S Peakleistung (10 Sekunden) 625 PS 625 PS Leistung (Overboost) 687 PS 761 PS 0-100 km/h 3,1 Sek. 2,8 Sek. 0-200 km/h 10,6 Sek. 9,8 Sek. Reproduzierbarkeit der Sprints >10 mal >10 mal Höchstgeschwindigkeit 260 km/h 260 km/h Max. Drehmoment 850 Nm 1.050 Nm Akku 93 kWh 93 kWh Reichweite (WLTP) 387 - 453 km 389 - 420 km Schnellladen 5-80 % SOC in 22,5 min 5-80 % SOC in 22,5 min Räder 20 Zoll 21 Zoll
Die Daten unterscheiden sich etwas von denen in der offiziellen Pressemitteilung. Das kann auch daran liegen, dass seit unserem Technik-Workshop im Juli 2019 schon ein paar Wochen vergangen sind -- womöglich haben die Techniker nochmal nachgemessen.
Weitere Motorisierungen unterhalb des Turbo werden folgen. Auch wird es einen Taycan Cross Turismo (die Serienversion der Studie Mission e Cross Turismo) geben.
Der Hauptunterschied zwischen den beiden Versionen ist der andere Pulswechselrichter an der Hinterachse. Daher kommt der große Unterschied beim Drehmoment. Beide Versionen haben ein Zweigang-Getriebe an der Hinterachse -- eine Neuheit. Mit dem Zweigang-Getriebe von ZF hat das System nichts zu tun, es wurde von Porsche selbst entwickelt. Aber die Idee ist die Gleiche: Wenn man zwei Gänge hat, kann man beim Anfahren einen kurz übersetzten ersten Gang nutzen, der zweite Gang kann lang ausgelegt werden und so für mehr Effizienz bei hohen Geschwindigkeiten sorgen.
Beide Versionen haben zwei Elektromotoren, einen pro Achse. So ergibt sich ein Allradantrieb. Die Verteilung der Kraft auf die beiden Achsen wird rein elektronisch geregelt. So kann das Auto mal als Fronttriebler unterwegs sein, mal reinen Hinterradantrieb haben. Auf den skandinavischen Eisseen kann man das Auto sogar dazu bringen, dass die Scheinwerfer fast nach hinten gerichtet sind.
Als Elektromotoren werden permanenterregte Synchronmaschinen (PSM) eingesetzt. Diese sind zwar teurer als die üblicherweise verwendeten Asynchronmaschinen, aber sie bieten eine höhere Effizienz, eine bessere Dauerleistung und Leistungsdichte.
Im Unterschied zu den meisten anderen Elektroautos arbeitet der Akku mit einer Spannung von 800 Volt, nicht 400 Volt. Als Vorteile der 800-Volt-Technik nennt Porsche.
dünnere Kabel schnelles Laden hohe Dauer-Performance weniger Gewicht geringer Bauraum
Allerdings: Ein 800-Volt-Akku lässt sich nur dann schneller aufladen, wenn die Leitungen der begrenzende Faktor sind, nicht, wenn der Akku die Ladeleistung limitieren.
Optik und Aerodynamik
An der Front zeigt der Taycan die Porsche.typischen Scheinwerfer mit vier Leuchtelementen. Darunter gibt es einen großen Lufteinlass. Die Luft strömt hinter den vorderen Kotflügeln wieder aus. Wer Wagen hat aktive Kühlluftklappen, die je nach Fahrzustand geöffnet oder geschlossen werden können, und einen in zwei Stufen ausfahrbaren Spoiler.
Der cW-Wert liegt bei 0,22 bis 0,24.
Thermomanagement
Wenn man sich den Aufbau des Taycan ansieht, fallen die vielen Kühlmittel-Leitungen vorne auf. Die Ingenieure nennen das Gewirr aus schwarzen zentimeterdicken, gewundenen schwarzen Röhren das Schlangennest. Sie sind ein Indiz für das aufwendige Thermomanagement. Im Taycan gibt es drei Kühlmittelkreisläufe:
Hochtemperaturkreislauf (zum Heizen, mit elektrischen Zuheizer) Mitteltemperaturkreislauf Niedrigtemperaturkreislauf (zum Kühlen) Aufladen
Der Taycan hat zwei Ladeklappen hinter den beiden vorderen Kotflügeln. Auf der Fahrerseite gibt es einen Ladeport, der nur für Wechselstrom geeignet ist. Hintergedanke: In der eigenen Garage lässt man auf der Fahrerseite mehr Platz zur Wand, damit man aussteigen kann. Daher ist es gut, wenn man auf dieser Seite einen Ladeport für die Wallbox hat. Auf der Beifahrerseite gibt es einen CCS2-Ladeport, der sich auch für Gleichstrom eignet. Denn die Schnellladestationen am Straßenrand sind meist auf der rechten Seite.
Beide Ladeports öffnen sich per Geste: Man streicht mit dem Finger an einer Finne entlang. Daraufhin fährt eine kleine Klappe nach oben. Im Vergleich mit einer Klappe, die sich nach außen öffnet, beugt diese Lösung eher Vandalismus vor.
Aufgeladen werden kann mit bis zu 270 Kilowatt Ladeleistung. Die von manchen Medien publizierte maximale Ladeleistung von 350 kW hat Porsche angeblich nie kommuniziert. Natürlich kann der Taycan auch an 350-kW-Ladestationen aufgeladen werden, wie andere Elektroautos auch, dann aber nur mit der maximalen Ladeleistung von 270 kW. Das Limit setzt hier die Batterie. Mehr Strom kann sie einfach nicht aufnehmen.
An der Schnellladesäule soll der Taycan in nur 22,5 Minuten von 5 auf 80 Prozent aufgeladen werden können (5-80% SOC, wobei SOC für state of charge steht, also Ladezustand). An einer Wallbox (bis 11 kW) dauert es sechs bis acht Stunden, über Nacht ist man also fertig. Eine Auflademöglichkeit mit 22 kW ist laut Porsche in Vorbereitung. Eine Besonderheit ist der Blackout-Schutz, der dafür sorgt, dass die Sicherung nicht mitten in der Nacht herausfliegt, weil sich zum Beispiel die Waschmaschine zusätzlich zum Taycan-Aufladen eingeschaltet hat (was fatal wäre, wenn man am nächsten Morgen auf ein voll geladenes Elektroauto angewiesen ist.
Mit dem Porsche Charging Service kann man etwa 100.000 Ladepunkte in Europa nutzen. Der Zugang ist für drei Jahre inklusive (nicht aber die Stromkosten).
Rekuperation
Der Taycan kann mit bis zu 265 Kilowatt Leitung rekuperieren. Das ist laut Porsche die größte Rekuperationsleistung im Wettbewerb. 90 Prozent der Bremsleistung werden im Alltag rekuperativ bewältigt, nur für die restlichen zehn Prozent sind die Scheiben zuständig. so soll man selbst einer Bergabfahrt die Bremsscheiben anfassen können, ohne sich zu verbrennen. Der Taycan kennt drei verschiedene Rekuperations-Modi:
aus: Es wird nicht rekuperiert, sondern gesegelt, der Taycan rollt also frei aus an: Es wird "moderat" rekuperiert Auto: Die Rekuperationsstärke wird kameragesteuert automatisch eingestellt. Bei starkem Verkehr, zum Beispiel in der Stadt wird eine starke Rekuperation eingestellt, wenn die Bahn dagegen frei ist, wird gesegelt
Porsche bietet im Taycan bewusst kein On-Pedal-Feeling wie im BMW i3. Die Begründung: Das Bremsgefühl ist nicht immer das gleiche. So würde zum Beispiel eine kalte, volle Batterie dazu führen, dass das Auto nur schwach rekuperiert (und dann auch nur schwach bremst), so Albers.
Cockpit
Das Cockpit haben wir bereits im Detail vorgestellt. Zu den Besonderheiten gehören er optionale Monitor für den Beifahrer und das gekrümmte Fahrer-Display. Außerdem hat der Taycan keine manuell einstellbaren Luftdüsen mehr; es wird alles über den Touchscreen gesteuert.
Fahrwerk und Allradantrieb./p>
Die Achsen wurden vom Chassis des Panamera abgeleitet. Der Taycan bietet eine Dreikammer-Luftfederung, die Wankstabilisierung Porsche Dynamic Chassis Control (PDCC), adaptive Dämpfer und optional eine Hinterachslenkung. Die Luftfederung bietet eine Liftfunktion zur Anhebung der Karosserie um 20 Millimeter. Ansonsten wird der Taycan tempo abhängig abgesenkt, um den Luftwiderstand zu senken: Ab 90 km/h sinkt die Karosserielage um zehn Millimeter, ab 180 km/h dann auf minus 22 Millimeter. So gibt es insgesamt vier Karosserielagen: +20 Millimeter, 0 Millimeter, -10 Millimeter und -22 Millimeter. Die Wankstabilisierung PDCC kann vorn und hinten unabhängig voneinander angesteuert werden. So kann die automatische Steuerung das Auto wahlweise hinten oder vorne wankstabiler gemacht werden.
Bei Normalfahrt kann der Taycan wie ein Fronttriebler oder wie ein Hecktriebler unterwegs sein. Im Range Modus (von Range = Reichweite) wird ein reiner Frontantrieb aktiviert. Bei dynamischer Kurvenfahrt wird Kraft nach hinten umverteilt. Durch die zwei Elektromotoren lässt sich die Verteilung auf die Achsen viel schneller und variabler regeln als bei einem konventionellen Allradantrieb, so Porsche.Projektleiter Ingo Albers. So ist eine vollvariable Momentenverteilung von 0 bis 100 Prozent vorne und 100 bis 0 Prozent hinten möglich. Die Kraft wird ohne Verzögerung umverteilt, heißt es bei Porsche.
Das ESP (wie Porsche zum ESP sagt) bietet drei Modi: On, Sport und Off. In Off-Stellung wird das ESP komplett deaktiviert. Der Taycan rollt auf den gleichen Felgen wie die Studie Mission E mit einem Felgenhorn in Wagenfarbe. Diese relativ offenen Felgen bezeichnet Albers als "Technik-Schaufenster", weil man die Bremsen gut sieht. Alternativ gibt es aerodynamisch optimierte Felgen.
Karosserie und Sicherheit
Der Akku wird im Taycan natürlich in den Boden eingebaut. Sie ist etwa 16 Zentimeter dick und wird von unten mit 26 Schrauben angeschraubt. Bei der Produktion soll das Zusammenfügen von Batterie und Karosserie aussehen wie eine traditionelle "Hochzeit" (so bezeichnet man das Absenken der Karosserie auf das Chassis im Produktionswerk).
Bei einem Crash wird der Strom automatisch abgeschaltet. Außerdem kann die Feuerwehr das Auto an zwei Stellen stromfrei stellen. Ein Trennschleifer ist dazu natürlich nicht nötig, sagt Karosserieexperte Steffen König grinsend.
Ein nettes Detail ist die gestengesteuerte Öffnung der Ladeklappen: Man streicht mit der Hand an dem Bauteil entlang, und schwuppdiwupp, öffnet sich die Klappe. Eine "Reversier-Funktion" stellt sicher, dass beim Schließen kein Finger eingeklemmt wird.