Elektro-Pick-Up jagt Porsche-Bestzeiten
Nach dem Sieg beim legendären Pikes Peak Bergrennen hat Ford seinen F150 SuperTruck EV nun auch auf die Nordschleife losgelassen. Die Rundenzeit des Elektro-Pick-Ups lag am Ende auf dem Niveau eines Supersportwagens.
Ford hatte in der Vergangenheit mit seinen elektrisch angetriebenen Motorsport-Demonstrations-Fahrzeugen schon mehrfach Aufmerksamkeit erregt. Ob Mustang Mach-E 1400, Mustang Cobra Jet 1400 oder Ford Pro Electric Supervan: Die hauseigene Rennabteilung Ford Performance zeigte jeweils eindrucksvoll, was in Sachen Leistung, Beschleunigungsvermögen und Fahrdynamik möglich ist, wenn die (Elektro-)Technik ausgereizt wird.
Mit 1.600 PS zum Pikes-Peak-Triumph
Anfang Juni 2024 hatte Ford Performance erste Bilder des F-150 SuperTruck EV in Camouflage-Optik gezeigt. Dann schoben die Amerikaner weitere Fotos vom ungetarnten SuperTruck nach. Für den ersten Härtetest in der Öffentlichkeit wurde das legendäre Pikes Peak Bergrennen in Colorado ausgewählt.
Beim 102. Hillclimb-Event Mitte Juni 2024 konnte Romain Dumas das Potenzial des Elektro-Monsters direkt eindrucksvoll beweisen. Der Franzose scheuchte den F-150 Supertruck EV in einer Zeit von 8:53.553 Minuten bis zum Gipfel. Zur absoluten Bestzeit am Berg, die Dumas 2018 im VW ID.R mit 7:57,148 Minuten aufgestellt hatte, fehlte somit eine gute Minute.
Dennoch erreichte der F-150 die klare Tagesbestzeit über alle Klassen hinweg und holte sich damit den Gesamtsieg. Spektakulär: Ein technisches Problem zwang Dumas zu einem Zwischenstopp bei seinem Lauf. Nach der 26 Sekunden dauernden Zwangspause konnte Dumas seinen Run aber fortsetzen und dennoch seine Bestzeit einfahren.
Zweiter Härtetest auf der Nordschleife
Nach dem Erfolg am Berg schickte Ford seinen aufgemotzten Pritschen-Prototyp im Sommer 2025 auch noch auf die Nordschleife. Wieder durfte Dumas das Demonstrationsfahrzeug pilotieren. Und wieder kam am Ende eine erstaunliche Rundenzeit heraus.
Die surrende Wuchtbrumme absolvierte die 20,832 Kilometer lange Eifel-Rundfahrt in 6.43,482 Minuten. Zum Vergleich: Der Porsche 911 GT2 RS mit Manthey Performance-Kit war bei seiner Rekordrunde für Sportwagen im Jahr 2021 nur ein paar Hundertstel schneller (6.43,300 Min.).
Laut Ford handelte es sich um die fünftschnellste Runde aller Zeiten in der Nordschleifen-Prototypen-Wertung. Der F-150 SuperTruck EV konnte dabei auch die erst kürzlich aufgestellte Zeit des SuperVan 4.2 unterbieten, der die Eifel-Runde in 6.48,393 Minuten absolvierte und damit in der Prototypen-Wertung auf Position sieben landete.
Erkenntnisse aus der Entwicklung und den Renneinsätzen sollen der Erforschung von Software und Akkuchemie nützen, erklärte Ford. Die Ingenieure spannten drei STARD-UHP-6-Phase-Motoren mit einer Ultra-High-Performance-Li-Polymer-NMC-Batterie zusammen. Die Gesamtleistung soll bei rund 1.600 PS liegen.
Auch die Aerodynamiker bei Ford konnten sich beim F-150 SuperTruck EV voll austoben: 2,7 Tonnen Abtrieb bei 240 km/h helfen dabei, den elektrischen Pick-up-Truck auf der Strecke zu halten. Grip liefern Pirelli-Spezial-Pneus, die auf Magnesium-Felgen aufgezogen werden. Brems-Power kommt von Carbon-Keramik-Stoppern.
Switchgear als erste Ausbaustufe
Entwickelt wurde das Fahrzeug in Zusammenarbeit von Ford Performance und RTR Vehicles, die eng mit dem Hersteller verbandelte Tuning-Firma des Rennfahrers Vaughn Gittin jr.. Vor der Rennversion wurde der F-150 zunächst in einer deutlich zivileren Offroad-Variante namens SuperTruck EV "Switchgear" vorgestellt. Die Zusatzbezeichnung deutete schon damals die vielseitigen Einsatzbereiche und das Weiterentwicklungspotenzial an.
Bei der Offroad-Version lag das Hauptaugenmerk auf einem für dynamische Geländefahrten optimierten Fahrwerk. Die eigens entwickelte und umfangreich höhenverstellbare Aufhängung mit Doppelquerlenker- (vorn) und Mehrlenker-Einzelradaufhängung (hinten) arbeitet an beiden Achsen mit Gewindefedern, neuen Querstabilisatoren und Achsfangbändern.
Hinzu kam eine Höherlegung mithilfe von Bypass-Dämpfern des Typs Fox 3.0. Somit variiert die Bodenfreiheit des Ford F-150 Lightning Switchgear von Straßen- zu Offroad-Konfiguration zwischen knapp 18 und 34,3 (Vorderachse) beziehungsweise 12,7 und 28 Zentimetern (Hinterachse). Der maximale Federweg beträgt 28 (vorn) respektive 33 Zentimeter (hinten). Die Spur zeigt sich ebenfalls verbreitert.
Unterschiedliches Räderwerk
An die modifizierten Radaufhängungen schließt sich beim Ford F-150 Lightning Switchgear unterschiedliches RTR-Tech-Räderwerk an – je nachdem, ob er auf der Straße oder im Gelände eingesetzt wird. Ist Ersteres der Fall, tragen die 9x20 Zoll großen Aluminiumfelgen Nitto-NT420V-Straßenreifen im Format 305/55 R20. Als Staubfresser rollt der Elektro-Pick-up auf geschmiedeten Beadlock-Felgen im Format 9x18 Zoll mit grobstolligen Pneus namens Nitto Ridge Grappler, die das Offroad-Format 37x13.5 R18 aufweisen.
Auch optisch geht die Switchgear-Version auf Distanz zum Standard-Lightning – und das nicht nur wegen der Ford-Performance-Lackierung. Die Kotflügel-Verbreiterungen vorn und hinten sowie die Abdeckung der Heckschürze bestehen jeweils aus Carbon. Gleiches gilt für die neue Frontschürze mit größeren Lufteinlässen und die Schwellerleisten, sofern der E-Pick-up auf Straßen-Performance optimiert wird.
Im Geländeeinsatz kommen eine Frontstoßstange mit LED-Zusatzleuchten, ein Unterfahrschutz und Schwellerschutzleisten aus Stahl ans Auto, das daraufhin verbesserte Böschungs- und Rampenwinkel aufweist. An das obere Ende des Fahrerhauses schließt sich ein Dachspoiler mit integrierter Bremsleuchte an. Darunter deckt entweder ein Cover die Ladefläche ab (Straßenversion) oder nimmt ein Gestell bis zu zwei Ersatzräder auf (Offroad-Variante).
Antrieb im Serienzustand
Im Interieur des Switchgear, der auf dem Ford F-150 Lightning mit Super-Crew-Kabine basiert, befinden sich insgesamt fünf Recaro-Sportster-ORV-Schalensitze, in denen die Insassen mit Sechspunktgurten von Schroth fixiert werden. Hinzu kommt ein langer vertikaler Hebel zwischen Lenkrad und Gangwahlhebel, wie er Rallyefahrern und Driftprofis als Fly-Off-Handbremse zur Verfügung steht. Damit lassen sich Bremsimpulse auf die Hinterräder geben, um bei entsprechend eingeschlagenem Lenkrad ein schärferes Eindrehen des Autos zu forcieren. Ob der Hebel hier genau dafür da ist oder reinen Showzwecken dient, ist jedoch nicht überliefert.
Das Einzige, was beim Ford F-150 Lightning Switchgear im Serienzustand verbleibt, ist überraschenderweise der Antrieb. Bei ihm kommt das große Lightning-Elektro-Paket mit Extended-Range-Batterie (nutzbare Kapazität: 131 Kilowattstunden) und zwei permanenterregten Synchronmotoren zum Einsatz, die gemeinschaftlich 433 kW (589 PS) und maximal 1.050 Newtonmeter liefern. Folgerichtig verfügt der Switchgear über Allradantrieb.
Switchgear-Auftritt in Serie?
Die naheliegende Frage nach den Serienchancen beantwortete Ford vorerst mit "nein". Es hieß, der F-150 Lightning Switchgear sei ein "Entwicklungsträger, geschaffen zur Demonstration extremer Fähigkeiten auf und abseits der Straße". Er soll "Ingenieuren eine Spielwiese bieten, auf der sie ihre Erkenntnisse für künftige Elektrofahrzeuge schnell umsetzen können", sagt Mark Rushbrook, der Chef von Ford Performance Motorsports. Er existiere, um die Grenzen dessen, was von Elektro-Pick-ups erwartet wird, zu verschieben.