Ein gutes Auto für jede Strecke
Renault darf endlich feiern. Daniel Ricciardo brachte dem französischen Nationalrennstall das erste Podium seit dem Comeback im Jahr 2016. Der R.S.20 ist unter all den Autos, die um Platz 3 in der Konstrukteurs-WM kämpfen, der beste Allrounder. Fernando Alonso reibt sich schon die Hände.
Endlich ist es geschafft: im fünften Jahr nach dem Comeback von Renault als Werksteam. Eigentlich wollte der französische Nationalrennstall 2020 die ersten Rennen gewinnen. So weit ist Renault noch nicht. Aber es war 2016 auch noch nicht absehbar, dass Mercedes so lange unantastbar bleibt, und dass Max Verstappen der einzige sein würde, der den Silberpfeilen einigermaßen folgen kann. Immerhin ist Renault heute in der Lage, um den dritten Platz in der Konstrukteurs-WM zu kämpfen. Im Dreikampf mit Racing Point und McLaren steht es jetzt 120:116:114. Ferrari ist mit 80 Zählern bereits weit abgehängt.
Die Chancen stehen nicht schlecht, dass Renault die Bronzemedaille gewinnt. Kein Team hat in den letzten fünf Rennen mehr Punkte geholt. Keines hat ein Auto, das überall schnell ist. Und keines hat einen Daniel Ricciardo, der im Club der Verfolgerteams der Fahrer mit den größten Erfolgen ist. Der siebenfache GP-Sieger liegt jetzt hinter Hamilton, Bottas und Verstappen mit klarem Vorsprung auf Platz 4. Und er hat sein Team am Nürburgring von dem Fluch befreit, dass man zwar regelmäßig zweistellig punkten, aber nicht aufs Podium fahren kann. Renault war bis zum Grand Prix in der Eifel das einzige Team im Mittelfeld, das es noch nicht auf einen Podestplatz geschafft hatte.
Gefühl, wie erstes Podium
Natürlich musste erst Valtteri Bottas ausfallen, um das Tor zum Podium aufzustoßen. Aus eigener Kraft schafft es keiner hinter dem Spitzentrio. Und doch zieht Team.hef Cyril Abiteboul eine positive Bilanz: "Es war für uns alle ein emotionaler Moment. Wir hoffen, dass es nicht unser letzter Podestplatz war, aber bevor man eine Serie starten kann, muss es auch einmal ein erstes Mal geben. Jetzt wollen wir mehr." Der Zeitpunkt war perfekt gewählt. Als Ricciardo zusammen mit Lewis Hamilton und Max Verstappen den Champagner verspritzte, stand unten im Publikum der neue Renault-Präsident Luca de Meo.
Obwohl Ricciardo in seiner Formel 1-Karriere nun schon das 30. Mal einen Pokal in die Hand gedrückt bekam, fühlte sich die Trophäe am Nürburgring wie seine erste an: "Weil ich nach dem Abschied bei Red Bull so lange darauf warten musste. Gefühlt gut zweieinhalb Jahre." Auch Abiteboul fiel eine große Last von den Schultern. "Wir haben im Rahmen unserer Umstrukturierung viele junge Leute an Bord genommen. Sie erleben jetzt zum ersten Mal des Gefühl des Erfolges. Das ist gute für die Moral der Truppe. Sie sollen einmal süchtig nach Erfolg sein."
Daniel Ricciardo wurde außer dem Ausfall von Bottas nichts geschenkt. Der Australier musste sich acht Runden lang hinter Charles Leclerc anstellen, doch dann wurde die rote Wand vor ihm niedergerissen. Ab da führte der Australier meistens das Feld hinter den Spitzenreitern an. Der Rennverlauf stellte Renault zwei Mal auf die Probe. Als nach einer Kollision zwischen Kimi Räikkönen und George Russell in Runde 16 eine virtuelle Safety Car-Phase das Tempo drosselte, regierte Renault wie Mercedes und Red Bull mit einem Boxenstopp. Das schenkte Ricciardo elf Sekunden im Vergleich zu einem Reifenwechsel unter Rennspeed. Es warf ihn aber auch auf den 9. Platz zurück. 14 Runden später lag der Mann aus Perth wieder auf dem dritten Platz, jetzt aber mit einem soliden Vorsprung von 13 Sekunden auf Charles Leclerc und 16 Sekunden auf Sergio Perez.
Ein guter Allrounder
Die Strategen bei Renault waren sich zunächst nicht ganz sicher, ob ihr Schachzug in der VSC-Phase richtig war, weil er Ricciardo entweder in ein Zweistopp-Rennen oder zu einem langen zweiten Stint von 44 Runden zwang. Im Rückblick war es aber richtig. Der Zeitgewinn verschaffte Ricciardo ein gutes Zeitpolster auf Perez, der mit frischeren Reifen pro Runde eine halbe bis eine ganze Sekunde auf den Renault mit der Startnummer 3 gutmachte. Der Vorsprung war gerade auf 10,1 Sekunden geschrumpft, als ein echtes Safety Car die Karten neu mischte. Jetzt war ein Boxenstopp Pflicht.
Ricciardo wusste zuerst nicht, ob er sich freuen oder ärgern sollte. "Einerseits hat mir das Safety Car den ganzen Vorsprung auf Perez geklaut, andererseits hat es mich auf die gleichen Reifen wie Sergio gestellt." Obwohl der Racing Point im Topspeed knapp sieben km/h schneller war, gab sich Renaults Nummer eins keine Blöße. In solchen Situationen zahlt sich Routine aus. Ricciardo passte beim Re-Start gut auf und hätte dabei fast noch Verstappen überholt. Danach ließ er Perez keine Chance.
Dann lobte der Dritte des Rennens sein Auto. "Es ist viel besser als das von 2019. Wir haben mehr Abtrieb im Heck, was mir mehr Vertrauen am Kurvenausgang gibt. Das Auto war von Anfang an gut, brauchte aber noch ein bisschen Feintuning. Am Anfang haben wir mit Upgrades aufgerüstet, und dann ab Silverstone viel am Setup gearbeitet und da einen guten Weg gefunden. Es ist jetzt deutlich einfacher, das Auto perfekt für jede Art von Strecke abzustimmen." Das streicht auch Abiteboul heraus: "Der Nürburgring war eine Demonstration, dass wir einen guten Allrounder haben. Wir kamen noch mit einem Rest Zweifel an den Nürburgring, weil die Strecke wie Barcelona maximalen Abtrieb verlangte."
Der GP Spanien war das schlechteste Rennen für Renault in diesem Jahr. Doch die Ingenieure unter der Leitung von Marcin Budkowski haben ihre Lehren aus der Nullrunde gezogen. "Wir haben Schritt für Schritt unser Problem mit der Instabilität im Heck gelöst. Nach guten Erfahrungen in Mugello und Sotschi war für uns der Nürburgring der letzte Puzzlestein für die Bestätigung, dass unser Auto jetzt auf jedem Streckentyp konkurrenzfähig ist", freut sich Abiteboul, warnt aber auch: "Uns fehlt zur Spitze immer noch eine Sekunde. Wenn wir regelmäßig aufs Podium wollen, müssen wir diese Lücke schließen."
Und Renault muss an der Zuverlässigkeit arbeiten. Der Ausfall von Esteban Ocon ist nun bereits der vierte Defekt in diesem Jahr. Und immer brennt es an einer anderen Stelle. Diesmal streikte die Hydraulik. Abiteboul trieb auch der Ausfall von Lando Norris um, dessen Motor nach Problemen mit der Zündung wahrscheinlich über den Jordan gegangen ist. "Er fährt einen unserer Motoren, und wir müssen das Problem schnell lösen. Gerade weil McLaren einer unserer Gegner im Kampf um Platz drei ist. Wir wollen uns da keinerlei Zweifeln aussetzen, dass wir den Kunden nicht anständig bedienen."
Wie ein Hai, der Blut riecht
Auch zuhause hat sich einer über den Erfolg am Nürburgring gefreut. Fernando Alonso hat mehr und mehr das Gefühl, auf das richtige Pferd gesetzt zu haben. "Er hat sich vor, während und nach dem Rennen gemeldet", berichtet Abiteboul belustigt. "Er zeigt riesiges Interesse, und seit unsere Leistungen immer besser werden, ist auch er immer mehr ein Teil unseres Team. Eigentlich haben wir die Saison 2021 als Übergangsjahr deklariert, um mit Fernando 2022 voll anzugreifen. Jetzt aber hat er das Gefühl, dass schon nächste Saison etwas gehen könnte. Fernando ist wie ein Hai, der zubeißt, wenn er nur eine Spur von Blut riecht."
Blutig wird es auch für den Team.hef werden. Abiteboul muss in den nächsten Wochen eine Wette einlösen, die er vergangenes Jahr in Silverstone mit Daniel Ricciardo geschlossen hatte. Beim ersten Podium muss sich Abiteboul tätowieren lassen. Das Opfer bestimmt die Größe und die Stelle an seinem Körper, Ricciardo das Motiv. "Irgendetwas, das mit dem Rennen am Nürburgring zu tun hat", freute sich Ricciardo diebisch. "Ich werde in den nächsten Tagen Brainstorming betreiben." Abiteboul bremst: "Das wichtigste ist die Größe. Wenn es nicht zu groß wird, ist mir das Design eigentlich egal."