Ferrari verspielt erste Startreihe in Abu Dhabi
Ferrari sorgte in der Qualifikation für Kopfschütteln. Im Bestreben, es besonders gut zu machen, lief alles schief. Sebastian Vettel qualifizierte sich auf dem falschen Reifen. Und im letzten Versuch im Q3 wurden die Autos so spät auf die Strecke geschickt, dass es für Charles Leclerc nicht mehr reichte.
Ferrari wollte es besonders gut machen und machte es besonders schlecht. Der Yas Marina Circuit ist keine Ferrari-Strecke. Schon in den freien Trainingssitzungen zeichnete sich ab, dass Mercedes und Red Bull das schnellere Auto für die 21 Kurven haben. Besonders im dritten Sektor wurden Sebastian Vettel und Charles Leclerc verprügelt. Da fehlten sechs Zehntel zu den Mercedes. „Wir haben nicht genug Abtrieb für die vielen langsamen Kurven“, erklärt Vettel. Trotzdem waren die Abstände auf die ganze Runde klein genug, um Ferrari hoffen zu lassen, dass man mit dem perfekten Timing im letzten Q3-Versuch in die erste Startreihe fahren kann.
Teamchef Mattia Binotto erklärte den Plan seines Teams: „Wir wollten so spät wie möglich auf die Strecke gehen, um den maximalen Grip zu nutzen. Und wir wollten zu den Autos vor uns eine Lücke schaffen, die es unseren Fahrer erlaubt, die Reifen optimal vorzubereiten.“ Der Schuss ging gründlich nach hinten los. Ferrari schickte Sebastian Vettel und Charles Leclerc so spät auf die Strecke, dass die Fahrer zuerst Gas geben mussten, um es noch über die Linie zu schaffen. Dann aber drohte Vettel auf den Red Bull von Alexander Albon aufzulaufen. Also musste er wieder vom Gas. Das zog Leclerc mit ins Verderben. Man dachte, alle Teams hätten aus den Fehlern von Monza gelernt. Ferrari offenbar nicht.
Der WM-Zweite fing sich mit seinem langen Abwarten gleich zwei Probleme ein. Die Aufwärmrunde war das Gegenteil von ideal. Als die Runde begann, waren die Reifen zu kalt. Vettel schaffte es gerade so über die Ziellinie und bezahlte in der ersten Kurve mit einem Quersteher. Damit war seine Chance sich zu verbessern vertan. Allein im ersten Sektor fehlten ihm drei Zehntel, und das war ausgerechnet Ferraris Parade-Sektor. Der Deutsche war zunächst der Meinung, es gar nicht über die Linie geschafft zu haben. „Die Zeitnahme ist ein bisschen vor der Ziellinie. Da wurde schon Rot gezeigt. Auf dem Display habe ich dann aber gesehen, dass ich noch zwei Sekunden Luft habe.“ Das Team feuerte seinen Fahrer an, auf dem Gas zu bleiben.
Ferrari hat zu hoch gepokert
Charles Leclerc schaffte es nicht mehr. Er war gezwungen, genug Abstand zu Vettel zu halten, um nicht in seinen Turbulenzen zu fahren. Der Mindestabstand, um das zu verhindern sind 4,5 Sekunden. Ferrari schickte den Monegassen mit einem Abstand von 8,2 Sekunden zu dem anderen Ferrari auf die Strecke. Leclerc hörte schon im zweiten Sektor den Notruf, dass er sich beeilen müsse. Er holte noch fünfeinhalb Sekunden auf seinen Teamkollegen auf. Selbst wenn er noch vor der schwarzweiß karierten Flagge die Aufwärmrunde beendet hätte, wäre der Versuch im Eimer gewesen. Er hätte viel zu heiße Reifen für die schnelle Runde gehabt, und er hätte in Vettels Windschatten zu viel Abtrieb verloren. Für Mercedes lag die Mindestzeit, die Autos auf die Strecke zu schicken, bei 2.35 Minuten. Damit haben die Fahrer noch 15 Sekunden Luft, um auf eine ungewöhnlich langsame Aufwärmrunde der Autos vor ihnen zu reagieren. Binotto meinte grimmig: „Wir haben das Timing maximal ausgereizt und wussten, dass es eng werden würde. Dann sind wir in Verkehr geraten.“
Die Geschichte von Ferraris seltsamen strategischen Entscheidungen beginnt aber schon viel früher. Beide Fahrer genehmigten sich im zweiten Training einen Extra-Satz Soft, den sie dann im dritten Training noch einmal verwenden mussten. Auch deshalb fuhren Vettel und Leclerc ihre schnellsten Runde auf den Medium-Reifen. Ferrari hätte schon da erkennen müssen, dass sie mit Pirellis mittlerer Mischung durch das Q2 kommen würden. Wichtig, weil der Soft-Reifen im Rennen als heikel gilt. Wer kann, verzichtet am Sonntag auf ihn.
Leclerc forderte Medium-Reifen
Während Mercedes und Red Bull ihren Plan mit Medium-Reifen im Q2 konsequent durchzogen, ließ Ferrari seine Fahrer auf Soft-Gummis ausrücken. Leclerc wechselte im zweiten Versuch aus eigenem Antrieb auf den Medium-Gummi. Er forderte diesen Reifentyp so vehement ein, dass die Ingenieure seinem Wunsch folgten. Vettel wunderte sich später: „Der Plan war auf Soft-Reifen durch das Q2 zu kommen. Ich war selbst überrascht, dass Charles plötzlich auf den Mediums gefahren ist.“ Vettel räumte ein, dass es die bessere Strategie gewesen wäre: „Wir hätten uns locker auf Medium-Reifen für das Q3 qualifiziert.“
Nach so vielen Pannen blieb Ferrari am Ende nur die zweite Startreihe. Von dort aus wird es schwierig, Lewis Hamilton und Max Verstappen zu knacken. Mercedes und Red Bull waren bei den Longruns am Freitag deutlich schneller als die roten Autos. Ferrari hätte schon ein Auto nach vorne bringen müssen, um im Konzert der Favoriten mitzugeigen. Dann wäre es für die Gegner schwierig geworden, an den Ferrari vorbeizukommen. Auf den Geraden sind die Ferrari immer noch eine Macht, wenn auch nicht mehr so überlegen wie früher. Vettel erzielte mit 329,0 km/h den besten Topspeed. Verstappen flog nur mit 322,6 km/h durch die Messstelle, Hamilton mit 321,1 km/h.