Grand Prix Tagebuch Itallien 2016

In ihren Grand Prix Tagebüchern liefern die auto motor und sport Reporter persönliche Eindrücke vom Arbeitsalltag an einem Formel 1-Wochenende. In Folge 14 berichtet Tobias Grüner, was hinter den Kulissen beim GP Italien abgegangen ist.
Die Formel 1 verabschiedete sich Anfang September traditionell mit dem Klassiker in Monza aus Europa. Es stand der letzte Roadtrip des Jahres an. Mit einer Kombi-C-Klasse ging es einmal quer über die Alpen. Natürlich entschied sich Kollege Schmidt wieder einmal für die Route über die spektakulären Serpentinen des Splügen-Passes. Das hat bei uns seit Jahren Tradition. Den direkten Weg durch den Tunnel kann ja jeder nehmen.
F1-Technik nicht nur für Nerds
Als wir am Mittwoch ins Fahrerlager kamen, wurden ein letztes Mal die riesigen Motorhomes aufgebaut, bevor sie ein halbes Jahr in den Winterschlaf geschickt werden. Für uns Journalisten bieten die Tempel perfekte Arbeitsbedingungen. Bei Rennen in Übersee, wo die Pressekonferenzen im Freien oder in kleinen Pavillons abgehalten werden, versteht man dagegen oft kein Wort der Protagonisten. Bis auf Mercedes hat es noch kein Team geschafft, eine vernünftige mobile Audio-Anlage aufzustellen.
Für Technik-Fans ist Monza wie das Ikea-Bälle-Paradies für Kinder. Es gibt jedes Mal so viele tolle Dinge an den Autos zu entdecken, dass man kleinere Upgrades gar nicht richtig würdigen kann. Den Vogel schoss dieses Jahr aber Haas ab. Ein Foto des verrückten wellenförmigen Heckflügels wurde auf meinem Twitter-Account mehr als 150 Mal geteilt. Da sage noch jemand, Formel 1-Technik sei nur etwas für Nerds.
Unsere italienischen Kollegen interessierten sich dagegen vor allem für die Zukunft ihres Heimrennens. Bernie Ecclestone bewies wieder einmal tolles Timing, als er zusammen mit den Monza-Veranstaltern eine Pressekonferenz parallel zum Freien Training am Freitag abhielt. Wie soll man einen Live-Ticker vom sportlichen Geschehen auf der Strecke machen und gleichzeitig dem großen F1-Zampano zuhören?
auto motor und sport-Fotograf Reinhard macht Schluss
Nicht nur Ecclestone hatte News sondern auch unser Fotograf Daniel Reinhard. Der Schweizer gab beim Pizza-Essen am Abend nach mehr als 500 Rennen seinen Abschied aus der Formel 1 bekannt. Als Freier Fotograf könne man in der Königsklasse einfach nicht mehr überleben, erklärte er uns. Die Agenturen überschwemmen den Markt mit günstigen Fotos. Und Formel 1-Reisen sind bekanntlich teuer.
Für uns sind nicht nur die tollen exklusiven Fotos von Dani ein Verlust. Auch menschlich müssen wir in der Formel 1 zukünftig auf einen im ganzen Fahrerlager geschätzten Kollegen verzichten. Mit seinen Späßen hat er auch in stressigen Momenten immer wieder für Auflockerung gesorgt. Sein breites Grinsen werden wir vermissen.
Neben Dani Reinhard gaben noch 2 weitere – nicht unwichtige – Personen ihren Abschied in Monza bekannt. Felipe Massa sagte schon am Mittwoch Goodbye. Als die Williams-Presseabteilung zu einer Medienrunde mit Massa und der Teamleitung ins Motorhome einlud, da wussten die Pressvertreter bereits, was die Stunde geschlagen hat. Nach den emotionalen Abschiedsworten des Brasilianers klatschten alle Anwesenden Beifall für eine tolle Karriere.
Unwürdiger Button-Abschied
Bei Jenson Button war das etwas anders. Hier gab es keine spezielle Einladung. Nach dem Qualifying hatte ich aber irgendwie schon eine Vorahnung, dass es keine normale Medienrunde werden würde. Auf dem Weg ins McLaren-Motorhome hatte mich ein Kollege noch ganz entgeistert gefragt, warum ich mir die Pressekonferenz überhaupt antue, wo Button und Alonso doch nur auf den Startplätzen 12 und 14 stehen. Ich sagte ihm, dass es sich lohnen könnte. Und das tat es dann auch.
Die englischen Kollegen wurden schon ganz nervös, als Stoffel Vandoorne hinter den Stühlen für die Journalisten herumschlich. Auch Ron Dennis war ungewöhnlicherweise vor Ort. Und als Pressesprecher Matt Bishop dann mit den Worten begann: „Das wird keine normale Presserunde. Ich übergebe das Mikrofon an Jenson“, da hatten alle schon das Wort „Rücktritt“ in das Handy getippt und den Finger bei Facebook und Twitter auf der Sende-Taste.
Button sorgte allerdings noch für etwas Verwirrung, als er mitteilte, nach einem Jahr wieder zurückkehren zu wollen. Doch alle im Saal wussten, dass die Chancen dafür äußerst gering sind. Die gestelzte Staffelübergabe an Vandoorne und die überschwänglichen Worte von Ron Dennis nach dem Quasi-Rauswurf raubten der ganzen Veranstaltung den letzten Rest an Würde. Gelacht wurde erst wieder, als Alonso auf die Parallelen seiner ersten McLaren-Zeit mit einem Youngster namens Hamilton angesprochen wurde. „Immerhin ist Stoffel nicht britisch“, so der Konter des Spaniers.
Rosberg grölt Buhrufe nieder
Im Rennen hatte McLaren auf der Power-Strecke wie erwartet nichts zu melden. Der strahlende Sieger hieß am Ende Nico Rosberg. Mit einem Raketenstart hatte er Lewis Hamilton schon auf den ersten Metern hinter sich gelassen und die Spitze danach souverän verteidigt. Bei der Pokalübergabe gab es vereinzelte Pfiffe aus der riesigen Menschenmasse unter dem Podium. Doch Rosberg übertönte die Buhrufe, indem er die bekannte Seven-Nation-Army-Melodie in das Mikrofon grölte.
Die Tifosi konnten sich immerhin über Platz 3 von Sebastian Vettel freuen. Es sollte der letzte Ferrari-Pokal für einen längeren Zeitraum bleiben. Das wussten ich aber damals noch nicht, als ich die beeindruckenden Szenen auf der Zielgeraden vom Pressesaal aus beobachtete. Die Formel 1 hatte sich mit einer denkwürdigen Konfetti-Party von Europa verabschiedet. Um 23 Uhr waren wir am Sonntag fertig mit dem Programm. Es ging wieder im Mercedes nach Stuttgart. Dieses Mal aber die Direttissima.
In der Galerie finden Sie noch einige persönliche Impressionen der auto motor und sport-Reporter vom Geschehen hinter den Kullissen.