„In der Formel 1 frisst einer den anderen“

John Watson wäre 1982 fast Weltmeister geworden. Er ist bis heute der Formel-1-Fahrer, der vom schlechtesten Startplatz aus gewann. Wir haben uns mit dem Nordiren über eine wilde Zeit unterhalten, in der man schon froh sein konnte, wenn man überlebte.
John Watson kam durch die Hintertür in die Formel 1. Nach fünf Jahren in der Formel 2 und zwei schweren Unfällen. Der heute 73-jährige aus Belfast erzählt wie man zu seiner Zeit Glück haben musste, um in der Königsklasse zu landen. Oder das Pech der anderen. Drei Mal öffnete sich für Watson eine Tür, weil andere Fahrer Unfälle hatten oder einen Tag zu spät kamen.
Deshalb zeigt Watson auch keine Bitterkeit, dass er Ende 1983 sein McLaren-Cockpit an Alain Prost verlor, obwohl er eine bessere Saison als Teamkollege Niki Lauda gefahren war. „Sechs Jahre davor hatte ich auf die gleiche Weise profitiert.“
Es waren wilde Zeiten damals, die man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Watson blieb bei einem Unfall 1974 in Brands Hatch eine Stunde lang mit einem Beinbruch in seinem Brabham gefangen, weil die Streckenposten nicht das geeignete Werkzeug hatten, ihn aus seinem zertrümmerten Auto zu schneiden. Watson musste auf Hilfe warten, bis das Rennen zu Ende war. „Immer in der Angst, dass ein Feuer ausbricht.“
Job-Angebot gleich nach Peterson-Unfall
Der fünffache GP-Sieger erzählt in unserem Gespräch von jenem dramatischen Tag in Brands Hatch genauso offen wie von dem Versuch, in der Formel 1 Fuß zu fassen. Als bei Brabham Ende 1974 die Tür zu fiel, öffnete sich eine bei Surtees. Als Surtees Fahrer mit Geld brauchte, ergab sich plötzlich eine Gelegenheit bei Penske. Weil Mark Donohue tödlich verunglückt war.
Watson blickt zurück, wie er für das US-Team den ersten Grand Prix gewann, warum er sich danach seinen Bart abrasieren ließ und warum Roger Penske trotz des Erfolges am Ende der Saison 1976 zusperrte.
Wieder war Watson auf der Suche nach einem Arbeitsplatz. Er bekam ihn ein zweites Mal bei Brabham. Weil Clay Regazzoni einen Tag zu spät nach London flog. Bei Brabham wurde Watson einer der größten Pechvögel des Motorsports. Er hätte 1977 vier Grand Prix gewinnen können. Immer kam etwas dazwischen.
Bei Brabham er lernte er auch Niki Lauda als Teamkollege kennen. Und berichtet wie Lauda und er mit dem Staubsauger-Brabham der Konkurrenz in Schweden um die Ohren fuhren. Am Ende des Jahres stand Watson wieder Mal vor dem Aus. Dann führte erneut das Schicksal Regie. Am Abend des Unfalls von Ronnie Peterson in Monza wurde Watson zu einem Vorstellungsgespräch bei McLaren geladen. Er bekam den Job.
So lernte Watson, wie Lauda tickte
Zunächst drohte McLaren zur Sackgasse zu werden. Zwei Jahre lang schlug sich Watson mit Fehlkonstruktionen herum. Doch dann kam der berühmte MP4, das erste Kohlefaserauto des Motorsports.
Watson beendete seine Pechserie mit einem Sieg beim Heimrennen in Silverstone 1981 und überlebte nur wenig später einen spektakulären Unfall in Monza ohne einen Kratzer. „Der Crash hat alle Fragen beantwortet, die sich die Leute damals noch in Bezug auf Kohlefaser-Autos gestellt hatten“, zieht Watson Bilanz.
Die Saison 1982 sollte Watsons Highlight werden. Der McLaren-Pilot hielt sich bis zum letzten Rennen in Las Vegas im Titelkampf. John Watson erzählt, warum Niki Lauda zum ersten Mal für das Team und damit für ihn fahren musste. Und wie er Lauda bei einer Episode in Zolder besser kennenlernte. Watson gab ihm vor dem Rennen einen Tipp, welche Reifen er nehmen sollte. Lauda verzichtete darauf. Sein Stallrivale gewann das Rennen.
„An dem Tag kapierte ich, wie Niki tickte“, amüsiert sich Watson. Erfahren Sie in unserem Interview, was der Beinahe-Weltmeister von 1982 damit meinte und warum er trotz seines Sieges vom 22. Startplatz 1983 in Long Beach am Ende des Jahres aus der Formel 1 flog.