Die Silberpfeil-Kopie im Detail

Der neue Racing Point RP20 sieht aus wie eine baugleiche Kopie des Vorjahres-Mercedes. Das hat eine alte Diskussion neu entfacht. Wie weit dürfen A- und B-Teams in ihrer Zusammenarbeit gehen?
Racing Point-Technikchef Andy Green musste sich in den letzten 24 Stunden eine Frage immer wieder anhören: Warum hat das auf seine Unabhängigkeit so stolze Team so gnadenlos bei Mercedes kopiert? Der Racing Point RP20 sieht aus wie der rosarote Bruder des Mercedes W10 aus dem Vorjahr.
Green stellt die Gegenfrage: „Wenn du kopierst, nimmst du dir das Weltmeisterauto zum Vorbild. Warum soll ich mir beim zweit- oder drittbesten Autos was abschauen?“ Ein Mercedes-Ingenieur zeigt sich erstaunt, dass Racing Points Copy-Job so viel Staub aufgewirbelt hat: „In den letzten vier Jahren haben alle immer probiert, den Red Bull nachzubauen. Wir haben uns schon gewundert, warum keiner bei uns kopiert. Unser Auto ist immerhin ein paar Mal Weltmeister geworden.“
Die Geschichte mit Racing Point gewinnt deshalb an Brisanz, weil die Truppe des Milliardärs Lawrence Stroll seit letztem Jahr so etwas wie das B-Team von Mercedes ist. Und damit wurden die vom Reglement erlaubten Teile an den kleinen Bruder direkt weitergereicht: Motor, Getriebe, Hydraulik, die Aufhängungen vorne und hinten. Nach dem Vorbild Red Bull und Alpha Tauri oder Ferrari und HaasF1.
Red Bull-Sportchef Helmut Marko meinte angesichts des pinken Mercedes-Plagiats: „Da waren wir mit unserer Synergie ziemlich brav. Der Racing Point hat uns jetzt gezeigt, wie weit man gehen kann.“ Andy Green widerspricht: „Wir sind mit dem Modell Ferrari nicht vergleichbar. Dort lässt sich nachverfolgen, dass Ingenieure zwischen den Teams die Seiten gewechselt haben und so offenbar ein Informationsaustausch stattgefunden hat, der eigentlich nicht erlaubt ist. Wir haben unser Auto komplett mit eigenen Kräften aufgebaut.“
Renault-Technikchef Marcin Budkowski zweifelt: „Du kannst anhand von Fotos Details kopieren. Aber nicht ein ganzes Konzept. Racing Point ging mit der Anstellung des Autos von einem Extrem ins andere. Von hinten hoch auf hinten tief. Das ist ein Lernprozess von einem Jahr, wenn es dumm läuft zwei. Außer du bekommst gute Ratschläge von einem Team, das mit dem Konzept der geringen Anstellung vertraut ist.“
Schauen Renault und McLaren in die Röhre?
Für Helmut Marko sind die Teams die Leidtragenden, die keine Allianzen bilden können: „Warum regen sich Renault und McLaren nicht noch mehr auf? Der Perez wird denen dieses Jahr um die Ohren fahren.“ Renault-Teamchef Cyril Abiteboul zuckt mit dem Schultern: „ Wir müssen einfach besser sein als dieser Racing Point. Was sollen wir tun? Wir haben lange vor dem Modell Ferrari und Haas gewarnt. Jetzt sieht man, wohin diese Praxis führen kann.“
Kollege Andreas Seidl von McLaren ist nicht glücklich über diese Konstellation, sagt aber auch: „Es besteht kein Grund, sich zu beschweren. Jeder hat das Recht, ein anderes Auto zu kopieren. Es gibt ein Reglement, dass es erlaubt, gewisse Teile eins-zu-eins zu übernehmen. Wir müssen uns auf uns konzentrieren.“
Alfa-Romeo-Teamchef Frédéric Vasseur fürchtet: „Es wird bald nur noch fünf unterschiedliche Autos im Feld geben. Die B-Teams übernehmen das Auto des A-Teams und malen es anders an.“ Abiteboul sieht jetzt die FIA in der Pflicht: „Wir haben eine Türe geöffnet, die schwer wieder zu schließen ist. Die FIA muss deshalb schnell handeln und einen Weg zurück zu alten Verhältnissen schaffen. Haas war der Anfang. Racing Point ist die Eskalation. Was kommt als nächstes?“
Der Renault-Chef sagt, dass es nicht reicht, tausend Regeln dazu aufzustellen, wie viel Hilfestellung unter den Teams erlaubt sein soll. „Du musst es auch kontrollieren können. Und das ist fast unmöglich. Die Teams werden sich immer mehr vernetzen und Vorteile daraus ziehen.“
A-Team profitiert auch von Kooperation
Seidl empfiehlt der FIA zwei Maßnahmen: „Erstens muss sie sicherstellen, dass sich die beteiligten Teams durch Kooperationen nicht die Ressourcen aufteilen und Geld sparen, was sie dann für andere Entwicklungen ausgeben. In Zukunft sollte auch nur noch ein Motormodus erlaubt sein. Das ist der einfachste Weg für Gleichheit bei den Motoren zu sorgen.“ Gerade bei Ferrari hat man in der Vergangenheit immer wieder erlebt, dass die Kunden in der zweiten Saisonhälfte eine Ausbaustufe hinter dem Werksteam herhinken.
Abiteboul fürchtet, dass die Budgetdeckelung ein zusätzlicher Anreiz für eine noch engere Zusammenarbeit zwischen dem A-Team und seinem Juniorpartner sein wird. Wer sich Entwicklungsarbeit aufteilt, spart Geld und Zeit.
Im Fahrerlager wird gemunkelt, dass gewisse Satellitenteams bereits aerodynamische Vorarbeit bei der Entwicklung des 2020er Autos für ihren Motorenpartner leisten. Das A-Team nutzt die frei gewordenen Windkanal- und CFD-Kapazitäten dafür, sich länger auf das Jahr 2020 konzentrieren, ohne mit dem 201er Auto in Rückstand zu geraten. Die Gegenleistung ist ein Preisnachlass beim Motor oder Hilfestellung bei der Entwicklung.
In der Galerie zeigen wir Ihnen, in wie vielen Details sich der Racing Point RP20 und der Mercedes W10 aus dem Vorjahr gleichen.